Airbus überflügelt Boeing
8. Januar 2004Aus der seit den Terror-Anschlägen des 11. September 2001 andauernden Krise der Luftfahrtbranche scheint Airbus als vorläufiger Gewinner hervorzugehen. Der europäische Flugzeugbauer lieferte im vergangenen Jahr mehr als 300 Flugzeuge aus und überflügelte damit erstmals den amerikanischen Dauer-Wettbewerber Boeing, der es auf nur 281 Maschinen brachte. Gründe für den Erfolg von Airbus gibt es viele. "Sie haben erfolgreiche Arbeit geleistet, haben gute Produkte und eine gute Kundenstruktur", erklärt Nils Machemehl, Luftfahrt-Analyst bei M.M. Warburg, die Führungsposition von Airbus bei Verkehrsflugzeugen. Dennoch sei der Hauptgrund für den Verlust der Pole-Position von Boeing hausgemacht: zu alte Produkte.
Moderne Flugzeuge, gute Kundenstruktur
Bei den sogenannten narrow-body-Flugzeugen (Maschinen mit nur einem Gang), die fast ausschließlich auf der Kurzstrecke eingesetzt werden, liegen Airbus und Boeing Machemehl zufolge derzeit gleichauf. Dagegen verfügt Airbus auf der Langstrecke mit dem A 330 und dem A 340 durchweg über die moderneren Fluggeräte. "Boeing hat mit der 777 in diesem Segment nur ein modernes Produkt, die 767 und die 747 sind veraltete Modelle."
Auch bei der Kundenstruktur hat Airbus Vorteile gegenüber dem Erz-Rivalen aus Chicago. Die USA, der Schwerpunktmarkt von Boeing und jahrelang Garant für stabile Verkaufszahlen, wurde für den Konzern aus Chicago zum Problemmarkt, erläutert Analyst Machemehl: "Boeing hat stark darunter gelitten, dass es in den USA aufgrund des 11. Septembers und der folgenden Konjunkturkrise sehr schwer war, neue Flugzeuge zu verkaufen." Zudem schlitterte durch die SARS-Epidemie auch Boeings zweiter Kernmarkt Asien in die Krise. Dagegen verfügt Airbus über ein international gleichmäßiger verteiltes Kundenportfolio: Der Flugzeughersteller ist in Europa, USA und Asien ausgeglichener positioniert und damit unabhängiger von einem regionalen Absatzrückgang.
Konkurrenzfähige Verteidigungssparte
Selbst die Verteidigungssparte, bisher eine US-Domäne, könnte demnächst ins Wanken geraten: Inzwischen ist die Airbus-Mutter EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) in drei von vier Verteidigungssegmenten gut aufgestellt. "Bei Kampfflugzeugen wie auch bei Raketen und Satelliten ist EADS konkurrenzfähig", betont M.M. Warburg-Experte Machemehl. Als bekanntestes EADS-Projekt gilt das europäische Kampfflugzeug Eurofighter. Daneben baut EADS aber auch ein Militärsatellitensystem für Großbritannien auf. Nur bei den militärischen Transportflugzeugen hinkt EADS Machemehl zufolge noch den amerikanischen Konkurrenten hinterher.
In diesem Jahr wird sich an der Marktsituation der beiden Konkurrenten Airbus und Boeing voraussichtlich wenig ändern. Der Deutschland-Chef von Airbus betonte erst kürzlich in einem Interview, die Branche befinde sich noch im Abschwung, die Airlines benötigten noch Zeit zur Konsolidierung. Ihre Hoffnung setzt die Branche indessen weiter auf die Billigflieger: Die Bestellungen der neuen Anbieter könnten nach Einschätzung von Luftfahrt-Experte Machemehl gewisse Rückgänge bei klassischen Airlines kompensieren.