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Tortenwurf, der das ganze Dilemma zeigt

28. Mai 2016

Wahlschlappen, Verlust der Stammwähler ins rechte Lager, dazu die Kritik des einstigen Zugpferdes Gregor Gysi. Die Linke ist auf der Suche nach sich selbst. Der Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht trifft die Partei.

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Magdeburg Bundesparteitag Die Linke Kipping Sahra Wagenknecht Torte Foto: Copyright: picture-alliance/dpa/H. Schmidt
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Es sollte der Start zur Orientierung werden. Überschattet wurde der Linken-Parteitag in Magdeburg jedoch ausgerechnet von Linken, oder solchen, die sich dafür halten. Sie warfen der Fraktionschefin Sahra Wagenknecht eine Torte ins Gesicht. Zu der Aktion bekannte sich eine "Antifaschistische Initiative - Torten für Menschenfeinde".

Die Attacke fand während der Eröffnungsrede von Parteichef Bernd Riexinger statt, der seine Ansprache mit den Worten "Was ist denn da los" unterbrach.

Vergleich mit der AfD

In ausgeteilten Flugblättern zogen die Aktivisten eine Linie von Wagenknecht zur AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Beide teilten nicht nur die Torte im Gesicht, so der Zettel. Ein als Clown verkleideter Mann hatte die AfD-Politikerin bei einer nicht-öffentlichen Sitzung der AfD-Programmkommission im Februar in Kassel mit einer Torte beworfen. In dem Flugblatt wird Wagenknecht vorgeworfen, sie sei wie die AfD bemüht, den "Volkszorn" in politische Forderungen zu übersetzen. Zwischen AfD und Linken gebe es einen nationalen Konsens.

Keine Ebene mit von Storch

Wagenknecht hatte Kritik auf sich gezogen mit der Position, nicht alle Flüchtlinge könnten nach Deutschland kommen. Relativ gelassen und sprachlich eloquent nahm die linke Spitzenpolitikerein das Ganze: "Schlimmer als die ganze Torte finde ich die Beleidigung, mit Frau von Storch auf eine Ebene gestellt worden zu sein. Das ist echt eine Unverschämtheit", sagte die 46-Jährige. Das zeige, dass da völlig politische Analphabeten am Werk waren. Bei ihrer Rückkehr wurde sie von den etwa 600 Delegierten mit großem Applaus empfangen. Viele erhoben sich von den Sitzen. "Ich werde mich auch von solchen saudämlichen Aktionen nicht davon abhalten lassen, weiter für die Linke aktiv und engagiert Politik zu machen", sagte Wagenknecht.

Eins zeigt der Angriff, der absolut zu verurteilen ist, jedoch deutlich. Er symbolisiert das Dilemma der Partei hinsichtlich der Flüchtlingsfrage und ihrer eigenen Stammwählerschaft. Viele sind, besonders in den ostdeutschen Hochburgen, zur AfD abgewandert.

Magdeburg Bundesparteitag Die Linke Kipping Sahra Wagenknecht Torte Foto: Copyright: picture-alliance/dpa/H. Schmidt
Nach einem Angriff mit einer Sahnetorte auf Sahra Wagenknecht (unten) verdecken die Parteivorsitzende Katja Kipping (l.) und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dietmar Bartsch, die FraktionsvorsitzendeBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Die Parteispitze stellte sich sofort hinter Wagenknecht. Riexinger, Kipping und Bartsch verurteilten den Angriff scharf. Gewalt sei kein Mittel der Auseinandersetzung, sagte Riexinger. Kipping sagte: "Das war nicht nur ein Angriff auf Sahra, das war ein Angriff auf uns alle." Wagenknecht sei klar gegen Rassismus und Diskriminierung. Sie habe wie alle Linken im Bundestag geschlossen gegen die Verstümmelung des Asylrechts gestimmt. "Wir weisen geschlossen zurück, was hier in diesem Wisch steht", sagte Kipping mit Bezug zu dem Flugblatt unter dem Applaus der mehr als 500 Delegierten. Bartsch ergänzte: "Das ist nicht links, das ist auch nicht antifaschistisch, das ist asozial, das ist hinterhältig, das ist dumm."

Magdeburg Bundesparteitag Die Linke Bernd Riexinger Foto: picture-alliance/dpa/P. Endig
Linken-Chef Bernd Riexinger gibt sich auf dem Parteitag kämpferischBild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Mindestlohn statt Flüchtlingskrise

Dabei hatte Linken-Chef Bernd Riexinger denn Parteitag zu einem politischen Angriff auf die neoliberale Politik in Deutschland nutzen. "Von diesem Parteitag wird ein kraftvolles Signal des Aufbruchs ausgehen", rief Riexinger den knapp 600 Delegierten zu. Die entscheidende Frage sei: "Wird der Kapitalismus immer autoritärer oder schaffen wir es, den Neoliberalismus und den Rechtspopulismus beiseite zu schieben?" Die Linken stünden für die Hoffnung auf ein besseres Leben. Scharf attackierte Riexinger die Bundesregierung. Sie tute nichts gegen Altersarmut und soziale Spaltung. Vielmehr müsse der Mindestlohn erst auf zehn und dann in schnellen Schritten auf zwölf Euro erhöht werden. Nötig sei eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine Rente von mindestens 1050 Euro.

Niederlagenserie belastet den Kurs der Partei

Für Riexinger war das Podium auch Gelegenheit auf die Wahlschlappen der Vergangenheit einzugehen. "Die Wahlergebnisse waren für uns eine schwere Niederlage", räumte Riexinger ein. In Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hatten die Linken enttäuschend abgeschnitten. Scharf müsse gegen die AfD vorgegangen werden, so der Parteichef. "Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass sie landet, wo sie hingehört, nämlich auf dem Müllhaufen der Geschichte." Riexinger bedauerte, dass es mit SPD und Grünen kein gemeinsames linkes Lager gebe. Dieses würde eigentlich gebraucht, sagte er.

Gregor Gysi Foto: Michael Kappeler/dpa
Seine Kritik an der Partei kam nicht gut an: Gregor Gysi ist nicht auf dem ParteitagBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Kritik vom früheren Vorsitzenden Gregor Gysi forderte die Partei heraus. Die Linke wolle kraft- und saftvoll in die nächsten Wahlkämpfe starten, sagte Sachsen-Anhalts Linke-Chefin Birke Bull. Sie spielte damit auf Gysi an, der die Partei als "saft- und kraftlos" eingeschätzt hatte. Auf dem Parteitag ist Gysi nicht anwesend. Der Grund sei, dass ihm im Vorfeld kein Raum für eine Rede eingeräumt worden sei, hieß es.

Dämpfer für Kipping und Riexinger

Bei den Führungswahlen galten Kipping und Riexinger als unangefochten. Die seit 2012 amtierenden Parteivorsitzenden wurden am Abend wiedergewählt. Die 38-jährige Kipping erhielt noch 74 Prozent der Delegiertenstimmen. Der 60-jährige Riexinger kam auf 78,5 Prozent und damit ebenfalls auf weniger Stimmen als zuvor.

cgn/sc (afp, dpa)