Al-Ahli-Arab-Klinik in Gaza hat Betrieb eingestellt
19. Dezember 2023Das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in der Stadt Gaza könne nach seiner Erstürmung durch die israelische Armee "weder Patienten noch Verletzte aufnehmen", sagte Klinikleiter Fadel Naim der Nachrichtenagentur AFP. Die israelische Armee habe mehrere Ärzte, Krankenschwestern und Verletzte festgenommen und einen Teil des Klinikkomplexes zerstört. Der Betrieb der Klinik sei eingestellt worden.
Das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus war bereits am 17. Oktober durch eine Explosion auf seinem Parkplatz beschädigt worden. Die radikalislamische Terrororganisation Hamas machte damals Israel verantwortlich und sprach von mehr als 400 Todesopfern. Israel sprach dagegen von einer Explosion durch eine fehlgeleitete Rakete des mit der Hamas verbündeten Islamischen Dschihad.
Nach UN-Angaben sind von den 36 Krankenhäusern im Gazastreifen nur noch acht teilweise in Betrieb. Bei ihren Angriffen auf den Gazastreifen nimmt die israelische Armee auch Klinken ins Visier. Israel wirft der Hamas vor, dort militärische Infrastruktur eingerichtet zu haben und Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" zu missbrauchen. Die Palästinenserorganisation weist die Vorwürfe zurück.
Israel: Palästinenser gesteht Nutzung von Krankenhaus durch Hamas
Am Dienstag veröffentliche die israelische Armee nun ein Video, in dem ein als Krankenhausdirektor bezeichneter Mann die Nutzung seiner Klinik im Gazastreifen durch die islamistische Hamas bestätigt. Der Mann wird als Ahmed Kahalot, Direktor des Krankenhauses Kamal-Adwan im umkämpften Stadtteil Dschabalia im Norden des Küstenstreifens, vorgestellt. Er erklärt bei einer Befragung, dass er 2010 im Rang eines Brigadegenerals von der Hamas rekrutiert worden sei.
In seinem Krankenhaus habe er 16 Mitarbeiter - Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter und Angestellte - gekannt, die zugleich Mitglieder der Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas, gewesen seien. Die Hamas habe in der Klinik über eigene Räume mit separaten Telefonverbindungen verfügt, in denen sich wiederholt Hamas-Anführer und hohe Beamte einige Tage aufgehalten hätten.
Sie hätten das getan, "weil ein Krankenhaus für sie ein sicherer Ort“ sei, an dem sie nicht angegriffen würden. Zugleich kritisiert er die Führungsriege der Terrororganisation für ihr Vorgehen. Es wird nicht mitgeteilt, wo und wann das Video aufgenommen wurde. Der Mann gibt an, am 12. Dezember im Gazastreifen festgenommen worden zu sein. Die Angaben zu dem Video und dessen Inhalt konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
UNICEF: Zustände im Gazastreifen sind katastrophal
Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, bezeichnete unterdessen die Zustände im Gazastreifen als katastrophal. Vier von fünf Minderjährigen dort hätten nicht genügend zu essen, sagte Elder nach seiner Rückkehr aus dem Küstenstreifen. Unter den Kleinsten breiteten sich Durchfallerkrankungen aus. Er sei wütend, dass verletzte Kinder umkommen, dass Eltern von schwerkranken Kindern nur noch "Hoffnung und dreckiges Wasser" hätten. Israels Streitkräfte hätten versprochen, Zivilisten zu verschonen, die Realität sehe anders aus, so Elder weiter. "Ich bin wütend, dass die Heuchelei die Empathie erdrückt."
Ärzte ohne Grenzen: "Ärzte steigen über die Leichen toter Kinder"
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) bestätigte in einer eigenen Stellungnahme die Aussagen Elders. Laut Angaben des MSF-Leiter im Gazastreifen, Chris Hook, sind auch die Krankenhäuser im Süden des Landes nicht mehr in der Lage, die große Zahl an Verletzten zu bewältigen. "Ärzte steigen über die Leichen toter Kinder, um andere Kinder zu behandeln, die sowieso sterben werden", wird Hook zitiert.
Zelte würden als Krankenabteilungen und als temporäre Kliniken genutzt. Jedes freie Gebäude würde mit Betten für Patienten gefüllt. Ärzte ohne Grenzen sprach von einer „totalen Belagerung“ des Küstengebiets durch Israels Armee, die eine ärztliche Versorgung extrem schwierig gemacht habe. MSF sprach von einer „Politik der verbrannten Erde, die keinen sicheren Ort für Menschen lässt“ angesichts "konstanter Angriffe" und Evakuierungen ganzer Wohnviertel.
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 214 weitere Menschen getötet und rund 300 verletzt worden. Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser seit Beginn der Kämpfe stieg damit laut palästinensischen Angaben auf 19.667. Die Zahl der Verwundeten wird aktuell mit mehr als 52.500 angegeben. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen allerdings darauf hin, dass sie sich in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Israels Präsident stellt neue Kampfpause in Aussicht
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels.Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen waren am 7. Oktober auf israelisches Gebiet nahe der Grenze zum Gazastreifen eingedrungen und hatten mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 200 verschleppt. Rund 100 der verschleppten Geiseln wurden inzwischen freigelassen, im Austausch gegen in Israel inhaftierte Palästinenser.
Um die Freilassung weiterer Geiseln zu ermöglichen und weitere humanitärer Hilfe zu ermöglichen, stellte Israels Präsident Izchak Herzog am Dienstag eine neue Kampfpause im Gaza-Krieg in Aussicht. Das sagte er laut einem Sprecher zu Diplomaten. Medien hatten am Montag berichtet, Mossad-Chef David Barnea berate mit CIA-Direktor William Burns und dem katarischen Ministerpräsidenten Abdulrahman Al Thani in Warschau über neue Verhandlungen mit der Hamas. Nach israelischen Schätzungen werden derzeit noch mindestens 109 Geiseln im Gazastreifen festgehalten.
UN und Israel werfen sich gegenseitig Versäumnisse vor
Israel unternimmt Herzog zufolge enorme Anstrengungen, damit mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen kommen. Das Land kontrolliert Hilfslieferungen aus Angst vor Waffenschmuggel. Israels Präsident warf internationalen Hilfsorganisationen vor, nicht schnell genug beim Transport der Hilfsgüter zu sein. "In den vergangenen zwei Wochen scheiterten vor allem die Vereinten Nationen und auch andere Partner an der Einfuhr von Lastwagen." So kamen Herzog zufolge nur zwischen 100 und 125 Transporter pro Tag für die notleidende Bevölkerung in dem Küstengebiet an, möglich seien 350 - vorausgesetzt, die UN bemühten sich.
Dagegen kritisierte der UN-Nahostgesandte Tor Wennesland die jüngsten Maßnahmen Israels zur Ermöglichung humanitärer Hilfslieferungen für den Gazastreifen als "unzureichend". Die von Israel ergriffenen "begrenzten Maßnahmen" einschließlich der Einfuhr von Treibstoff, Lebensmitteln und Gas zum Kochen sowie die Öffnung des Grenzübergangs Kerem Schalom seien zwar "positiv, aber bei weitem nicht ausreichend für das, was notwendig ist", sagte Wennesland am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.
Israelische Gegenattacken nach Raketen aus Libanon
Die israelische Armee griff nach Raketenbeschuss aus dem Libanon ihrerseits wieder Ziele in dem nördlichen Nachbarland an. Dabei sei auch der Abschuss-Ort der Raketen getroffen worden, teilte das Militär mit. Zuvor habe israelische Artillerie "mehrere Gebiete im Libanon" beschossen. Eine Rakete aus dem Libanon ging nach Militärangaben im israelischen Grenzort Metulla auf offenem Gelände nieder. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah reklamierte den Angriff für sich. Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es auch immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah im Grenzgebiet zum Libanon.
Die Hamas wie auch die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz werden von Israel, den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisationen gelistet.
sti/ww/tl (afp, dpa)