Schwarzer Tag für albanische Medien
19. Dezember 2019Mit schwarzen Tüchern vor dem Mund und Schildern mit Aufschriften wie "Journalismus ist kein Verbrechen", haben albanische Journalisten vor dem Parlamentsgebäude in Tirana demonstriert. Ihr Ziel: Das neue Mediengesetz der sozialistischen Regierung von Premierminister Edi Rama zu verhindern. Doch dafür war es zu spät. Das sogenannte "Paketa anti-shpifje" (zu dt. Anti-Verleumdungs-Paket) wurde nach langwieriger Debatte mit den Stimmen der Regierungspartei verabschiedet. "Dieses Land ist vom Obskurantismus geplagt. Schwere Trauer. Ein schwarzer Tag", schrieb der bekannte albanische Medienprofessor Artan Fuga auf seiner Facebook-Seite.
Das Gesetzespaketes soll Online-Medien stärker regulieren. Die Medienaufsichtsbehörde (bisher AMA, nach dem neuen Gesetz AMSH genannt) erhält dabei besondere Kompetenzen: Sie kann Internet-Medien anweisen, Inhalte von ihren Webseiten zu entfernen, wenn diese Unwahrheiten veröffentlichen. Wenn das Medium nicht reagiert, drohen Bußgelder in Höhe von umgerechnet bis zu zirka 6.500 Euro oder die Sperrung der Seite.
Rama sagte im Parlament, das Gesetz sei mit der OSZE zusammen erarbeitet worden. Das Ziel sei "einen Gesetzesrahmen zu schaffen, um eine Regulierung und Disziplinierung dieses Dschungels zu ermöglichen", so Rama mit Hinblick auf die Online-Medienlandschaft in Albanien.
Der Gesetzesentwurf wurde in letzter Minute noch mehrfach geändert und laut Rama mit dem Büro des OSZE-Beauftragten für Meinungsfreiheit, Harlem Desir, abgestimmt. Dieser hatte am Dienstagabend per Twitter gemeldet, dass das Gesetzespaket im Einklang mit internationalen Standards sei. Er versprach weitere Mitarbeit bei der Implementierung des Gesetzes, um sicherzustellen, dass "die Medienaufsichtsbehörde das Gesetz auf wirklich unabhängige Weise" implementiere.
Willkür und Selbstzensur befürchtet
Dass die albanische Medienaufsichtsbehörde unabhängig arbeiten werde, daran zweifeln die Journalistenverbände im Lande. Aleksander Çipa, Leiter der Albanischen Journalisten Union (UGSH) sieht im Gesetzespaket nur einen Versuch, die Online-Medien zu zensieren: Es schaffe "vollständige Voraussetzungen, die AMA in eine Zensuragentur umzuwandeln", sagte Çipa der DW. Die Behörde habe mehrfach bewiesen, dass sie parteiisch sei, so Çipa.
Kristina Voko, Leiterin des albanischen Balkan Investigative Reporting Network (BIRN), sieht eine große Gefahr für Selbstzensur: "Wenn einem Journalisten Bußgelder drohen, die weit über seinem Monatsgehalt liegen, wird er zu 'protokollarischen Berichterstattung' tendieren, die der Öffentlichkeit kaum qualitative Informationen liefern kann", sagte sie der DW. Für Voko ist das Gesetz nichts anderes, als ein Zensurmechanismus. Die einzige Hoffnung für die Journalistenverbände ist jetzt, dass Präsident Ilir Meta das Gesetz nicht unterzeichnet.
Von vielen Seiten kritisiert
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte zuvor auf Anfrage der Deutschen Welle ebenfalls eine Änderung des Gesetzesentwurfs gefordert. "Grundsätzlich begrüßen wir, dass die konstruktiven Vorschläge des OSZE-Medienbeauftragten bei der Ausgestaltung der Gesetzesvorlage bisher berücksichtigt wurden und würden dies auch für die neuesten Vorschläge des OSZE-Medienbeauftragten begrüßen", hieß es aus Berlin. Es sei von "herausragender Bedeutung", dass "zukünftige Gesetze mit EU-Recht im Einklang" stünden.
Weniger diplomatisch formulierte die Journalistenvereinigung "Reporter ohne Grenzen" (RoG) ihre Kritik: "Diese Reform würde die Medienfreiheit in Albanien empfindlich einschränken" sagte Christian Mihr, Leiter des deutschen RoG-Zweigs in Berlin, auf Anfrage der DW. Andrej Hunko, deutscher Bundestagsabgeordneter (Die Linke) und Albanien-Berichterstatter bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, hatte die Regierung in Tirana dazu aufgerufen, das Gesetz mit Journalistenverbänden zu diskutieren. "Eine unveränderte und vorschnelle Verabschiedung kann zu einer ernsthaften Einschränkung der Medienfreiheit in Albanien führen", so Hunko.