Lange Haft für "Algeriens Strippenzieher"
25. September 2019Kurzer Prozess: Erst am Montag war das Verfahren vor einem algerischen Militärgericht eröffnet worden, nun gibt es bereits lange Haftstrafen: Saïd Bouteflika, der Bruder des langjährigen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika und drei weitere Angeklagte müssen jeweils für 15 Jahre ins Gefängnis.
Den Angeklagten seien "Untergrabung der Autorität der Armee" und "Komplott gegen die Staatsgewalt" zur Last gelegt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APS. Saïd Bouteflika hatte kein offizielles Amt inne, galt aber als Strippenzieher im Präsidentenpalast, seit sein Bruder 2013 einen Schlaganfall erlitten hatte.
Saïd Bouteflika wurde seit Montag neben zwei ehemaligen Geheimdienstchefs und der Vorsitzenden der kommunistischen Arbeiterpartei, Louisa Hanoune, der Prozess gemacht. Er soll eng mit dem früheren Geheimdienstchef General Mohamed Mediene und dessen Nachfolger Athmane Tartag zusammengearbeitet haben, um einen Regimewechsel herbeizuführen und nach dem Sturz von Abdelaziz Bouteflika den Armeechef Gaid Salah zu entlassen.
Die Staatsanwaltschaft am Militärgericht in Blida, südlich der Hauptstadt Algier, hatte eigentlich die Höchststrafe von 20 Jahren gegen alle Angeklagten beantragt, sagte einer der Verteidiger.
Zahlreiche Strafverfahren
Die Urteile sind die bisher prominentesten in einer Reihe von Strafverfahren gegen Politiker und Geschäftsleute wegen angeblicher Verschwörung gegen den Staatsapparat, nachdem Abdelaziz Bouteflika Anfang April nach monatelangen Protesten der Bevölkerung zum Rücktritt gezwungen wurde.
Es gibt weiterhin Proteste mit dem Ruf nach politischen Reformen und nach Entlassung von Vertrauten des Ex-Präsidenten, darunter auch Gaid Salah, der sich seit April als Algeriens starker Mann etabliert hat.
Erst am Freitag waren in zahlreichen Städten erneut Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die politische Führung zu demonstrieren. Es waren die größten Proteste seit mehreren Wochen in Algerien. In der Hauptstadt Algier kam es dabei zu Dutzenden Festnahmen.
Anfang der Woche hatte Übergangspräsident Abdelkader Bensalah verkündet, dass die vor mehr als drei Monaten verschobene Präsidentschaftswahl im Dezember stattfinden soll. Viele Demonstranten fühlen sich allerdings vom politischen Prozess ausgeschlossen und fordern tiefgreifende Reformen.
Das in Algerien mächtige Militär hatte vor den Protesten am Freitag versucht, die Demonstrationen zu blockieren. Unter der Woche hatte Armeechef Gaid Salah die Sicherheitskräfte dazu aufgefordert, Demonstranten von außerhalb der Hauptstadt an den Protesten zu hindern.
stu/ww (afp, dpa)