Alkibiades - Staatsmann und Partylöwe
26. Juli 2012Um es gleich vorweg zu sagen: Hier ist einem Althistoriker etwas geglückt, das gerade bei diesem Themenfeld nicht allzu oft gelingt. Ein tiefer und informativer, dabei unterhaltsamer, ja gelegentlich geradezu abgründig humorvoller Blick in eine Epoche, von der wir uns heute Lichtjahre entfernt wähnen. Obwohl die Spuren und Nachwirkungen dieser Zeit bis in die Gegenwart im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar sind. Herbert Heftner hat ein rundum gelungenes Buch geschrieben.
Glänzendes Athen
Wir befinden uns im alten, im klassischen Athen – Stadt berühmter Philosophen, Ort prächtiger Baudenkmäler, Hort der Künste, Zentrum des intellektuellen Diskurses, der Bildung, des politischen Gesprächs – freilich auch ein Ort (homo)erotischer Gelüste und Getändels. In diese Gesellschaft hinein wird 451 v. Chr. Alkibiades geboren, Spross einer aristokratischen Familie, später Zögling im Hause des berühmten Politikers Perikles.
Der Philosoph und der Partygänger
Hier wächst er heran: Gut aussehend, sportlich trainiert, musisch begabt, umfassend gebildet, willensstark, aber, wie der Autor schreibt, "nicht eben ein pflegeleichtes Kind". Alkibiades wird ein strahlender aristokratischer Jüngling, ein wenig hochfahrend zuweilen und ziemlich von sich selbst eingenommen. Er ist auch ein übermütiger Partygänger, der Gelage und Ausschweifungen liebt. Eine Zeit lang gehört er zum engeren Kreis um Sokrates. Freilich streben beide Charaktere recht bald in unterschiedliche Richtungen: der alte Philosoph bleibt auf der Suche nach Erkenntnis und Ideal, der junge Mann hat früh ein ganz anderes Ziel. Er will eine politische Führungsposition.
Polis und Politik
Athen ist zur Zeit des Alkibiades auf dem Zenit der Macht angelangt, es gebietet über eine mächtige Seeflotte, es hat die Perser in verlustreichen Kriegen besiegt, politische Bündnisse geschmiedet, die Lage scheint stabil, das Reich prosperiert. Auf dem Weg zur "Volksherrschaft" – dem demokratischen Ideal – ist man einen Schritt weiter gekommen, auch wenn die konservativen Aristokraten vielfach immer noch den Ton angeben. In diesem Umfeld spielt der Ziehvater des jungen Mannes, Perikles, eine wichtige Rolle. Er verfügt über Charisma, Autorität und politische Durchsetzungskraft. Als Alkibiades zwanzig Jahre alt ist, scheint die Zeit des Friedens jedoch vorbei. Es kommt zu einem weiteren großen Konflikt, dem Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta. Alkibiades hat bereits erste militärische Erfahrungen gesammelt, jetzt nutzt er die Situation, um sich politisch in Stellung zu bringen. Er agiert fortan als Diplomat und Stratege in der Kriegs- und Bündnispolitik, allerdings nicht immer erfolgreich.
Charismatischer Verführer
Freilich: Er bleibt auch der jugendliche Wüstling, der er war. Seine Eskapaden und Exzesse erregen Anstoß - sein öffentlich ausgebreitetes Sexualleben, die Gelage, die Extravaganzen. Er neigt zur Gewalttätigkeit, schreckt vor der Verführung der Ehefrauen wichtiger Athener Bürger nicht zurück. Kurzum: Alkibiades liefert Stoff für öffentlichen Tratsch und Klatsch. Und dennoch gilt er, wie Herbert Heftner schreibt, auch als tüchtig, eloquent, charismatisch. Er ist beliebt beim Volk und in der Aristokratie. 416 v.Chr. dann der Höhepunkt: Olympische Spiele in Athen. Sport zu Ehren der Götter. Treffen der internationalen politischen Eliten. Triumphales, prestigeträchtiges Ereignis. Der wohlhabende Alkibiades schickt – eine Sensation – gleich mehrere Pferdegespanne ins Rennen und belegt die ersten Plätze. Seine Siegesfeier ist an Prunk kaum zu überbieten. Doch während sein Ruhm sich mehrt wächst auch die Kritik der Bürger an seiner Person. Man redet über ihn, hält ihn für einen Volksverführer und Tyrannen, dem die Demokratie nichts bedeute. Vorwürfe, die Herbert Heftner für unberechtigt hält. Der Autor spricht dagegen ganz modern von einem "Imageproblem" des Tabubrechers in Athen.
Feldzüge und Winkelzüge
Was nun folgte, war eine geradezu schicksalhafte Verkettung von Umständen: Alkibiades hatte seine Landsleute überredet, mit einer gigantischen Flotte gegen Sizilien zu ziehen. Man rüstete sich zu einer selbst für die damaligen Verhältnisse spektakulären Operation mit tausenden von Seeleuten, Soldaten und Schiffen. Ausgerechnet in dieser Zeit wird gegen Alkbiades ein schwerwiegender Vorwurf erhoben: Er habe die Zerstörung einer Gruppe von kultisch verehrten Steinsäulen initiiert, sich also der Blasphemie schuldig gemacht. Die Flotte fährt dennoch aus – und ins Verderben. Der Angriff auf Sizilien ist ein Fehlschlag, er kostet Tausende das Leben. Noch während des Unternehmens wird Alkibiades von seinem Posten als Befehlshaber abberufen und nach Athen zurück beordert. Doch er flüchtet, geht ins Exil, ja, er betätigt sich sogar als Landesverräter bei den Feinden von Hellas.
Noch mehrmals wechselt der wendige Alkibiades die Seiten, dient sich den Persern an, verhandelt im Geheimen mit demokratiefeindlichen Kräften in Athen und schlägt sich dann doch wieder auf die Seite der Polis. Was nichts nützt, denn Athen wird von Sparta überrannt, ein Regimewechsel eingeläutet. Wie sein Leben, so ist auch sein Tod 404 v.Chr. spektakulär: Alkibiades stirbt, verbannt und geächtet, durch ein Attentat – wie manche Quellen behaupten in den Armen einer Prostituierten. Letzteres aber passt zwar zur ausschweifenden Persönlichkeit des Atheners, meint Herbert Heftner, ist aber historisch nicht belegt.
Informationen zum Buch:
Herbert Heftner: „Alkibiades. Staatsmann und Feldherr“
Primus Verlag, 240 Seiten, € 29,90
ISBN 978-3-89678-732-3