Verunsicherung bei Christen in Malaysia
28. Juni 2014Es war der Schlusspunkt in einem jahrelangen Rechtsstreit in Malaysia. Einem Streit zwischen der Regierung und der Katholischen Kirche, der sich darum drehte, ob der Gebrauch des Wortes "Allah" auch für den christlichen Gott genutzt werden darf oder alleine den Muslimen vorbehalten bleibt. Der Oberste Gerichtshof Malaysias fand in dieser Woche eine klare Antwort darauf: "Die Verwendung des Begriffs "Allah" ist kein integraler Bestandteil des christlichen Glaubens", und deshalb dürften in Malaysia auch nur Muslime ihren Gott "Allah" nennen. So heißt es in der Begründung des Urteils, das mit den Stimmen von vier zu drei Richtern knapp im Sinne der Regierung in Kuala Lumpur ausfiel.
Bereits im Jahr 2007 hatte die Regierung der lokalen christlichen Zeitung "The Catholic Weekly Herald" den Abdruck des Wortes "Allah" untersagt. Sie begründete dies damit, dass "eine allgemeinere Verwendung des Begriffs "Allah" zu Verwirrung führen und dazu missbraucht werden könne, Muslime zu bekehren." Dagegen hatte die Katholische Kirche durch alle Instanzen geklagt - letztendlich ohne Erfolg.
"Das jetzige Urteil betrifft zwar explizit nur die Zeitung "The Catholic Weekly Herald"", erklärt amnesty-international-Expertin Hazel Galang-Folli gegenüber der DW. "Aber es bildet einen Präzedenzfall für andere nicht-muslimische Publikationen und ist somit auch eine große Bedrohung für die Meinungsfreiheit anderer ethnischer und religiöser Gruppen in Malaysia." Tatsächlich gebe es "seit Jahren in Malaysia eine gewisse Bewegung der Marginalisierung religiöser Gruppierungen“, konstatiert auch Südostasien-Experte Ufen. Das zeige auch das jetzt gesprochene Urteil.
Jubel und Entsetzen
Muslimische Regierungsanhänger, die sich vor dem Gebäude des Obersten Gerichtshofes versammelt hatten, bejubelten das Urteil kurz nach seiner Verkündung. Internationale Menschenrechtsorganisationen hingegen reagierten entsetzt. "Dies ist ein schwarzer Tag für die Religionsfreiheit in Südostasien", konstatiert etwa Ulrich Delius, der Südostasienbeauftragte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Seit über 400 Jahren hätten Christen in Malaysia Gott als "Allah" bezeichnet, etwa in Bibelübersetzungen oder in theologischen Schriften. "Ihnen dies jetzt zu verbieten ist populistisch und grenzt willkürlich Christen und andere religiöse Minderheiten in dem überwiegend muslimischen Land aus", so Delius.
"Diese Regelung ist ein klarer Verstoß gegen die Meinungsfreiheit", sagt auch Malaysia-Expertin Hazel Galang-Folli von amnesty international gegenüber der Deutschen Welle. "Die Vorstellung, dass Nicht-Muslime strafrechtlich verfolgt werden könnten, nur weil sie ein bestimmtes Wort benutzen, ist äußerst verstörend", so die Menschenrechtlerin. Tatsächlich bleibe für die Christen im Land vieles im Unklaren, erklärt Andreas Ufen, Südostasienexperte am GIGA-Institut Hamburg. Denn es gebe keine Verordnungen darüber, wo überall das Gesetz angewendet wird, wie scharf die Behörden in Malaysia Übertretungen verfolgen und welche Strafen tatsächlich bei Missachtung des Gesetzes drohen. Insofern bedeute das Urteil für die Christen in Malaysia "eine Verunsicherung, die sich noch Jahre fortsetzen wird", so Ufen.
Situation der Christen im Land
Das jetzt bestätigte Urteil ist nur das jüngste Anzeichen für die sich seit Jahren verschärfenden ethnischen und religiösen Spannungen im Land. Malaysia ist ein multireligiöser Vielvölkerstaat. Zwar ist die Religionsfreiheit in der Verfassung des Landes verankert. Faktisch aber ist der Islam Staatsreligion. Seit der endgültigen Unabhängigkeit 1963 ist die "United Malays National Organisation" (UMNO) die führende Partei des Landes. Seit über 50 Jahren ist sie ununterbrochen an der Macht. Anfang der 1990er Jahre begann jedoch die Machtbasis der UMNO zu bröckeln. Darauf reagierte sie mit einer stärkeren Hinwendung zum politischen Islam. Heute gilt in einigen Landesteilen die Scharia – allerdings nur für die muslimische Bevölkerung. Es gab aber in der Vergangenheit immer wieder Bestrebungen, das islamische Rechtssystem auch auf andere Landesteile und Bevölkerungsgruppen auszuweiten.
Im Januar 2010 dann eskalierte der Streit um die Verwendung des Wortes "Allah" durch Nichtmuslime. Nachdem ein Gericht dieses Verbot zwischenzeitlich gekippt hatte, wurden auf mehrere Kirchen Brandanschläge verübt. Als das Verbot kurz darauf wieder in Kraft trat, wurden auch mehrere Moscheen angegriffen. Anfang 2014 wurden bei einer Razzia Hunderte Bibeln beschlagnahmt und mehrere Christen vorübergehend festgenommen.
Kein Trend für ganz Südostasien
Das Urteil fällt in eine Zeit, in der eine konservativere Auslegung des Islam in der gesamten Region populärer wird. Erst im Mai 2014 hat das Sultanat Brunei damit begonnen, stufenweise die Scharia einzuführen. In der indonesischen Provinz Aceh gilt sie bereits seit 2009. Dennoch kann GIGA-Experte Andreas Ufen darin "keinen Gesamttrend ausmachen, der darauf hinweisen würde, dass die gesamte Region konservativer oder reaktionärer wird." Stattdessen gebe es "in Südostasien sehr viele widersprüchliche Prozesse." Neben Bestrebungen, den Islam konservativer zu interpretieren, gebe es aber auch große liberale Gegenbewegungen.
Insbesondere in Malaysia rechnet Ufen in den nächsten Jahren sogar eher mit einem Demokratisierungsschub. Die derzeitigen religiösen Spannungen dort seien vielmehr auf wirtschaftliche Verteilungskämpfe zurückzuführen. Es gehe darum, ob Malaysia demokratisch wird oder autoritär bleibt, und um die Frage, ob die malaiischen Muslime ihre Privilegien im ökonomischen Bereich behalten. „Denn die ethnischen und religiösen Minderheiten sind ökonomisch und politisch sehr stark“ - und sie fordern ihre Rechte immer vehementer ein. Dies, so Ufen, schwäche die regierende UMNO und könnte auf lange Sicht eher dazu führen, dass die radikaleren Kräfte im Land in Zukunft eher an Einfluss verlieren.