Alle Bücher der Welt auf einem Chip
18. Juli 2016Wer von diesem Chip Informationen herunterholen will, braucht Geduld. Wer darauf etwas schreiben will, braucht noch mehr Geduld. Aber der winzige Speicher schafft etwas, was kein Chip zuvor geleistet hat: Er kann eine unglaubliche Menge Daten unterbringen. Die niederländischen Forscher haben ihn jetzt in der Fachzeitschrift "Nature Nanotechnology" vorgestellt.
"Theoretisch würde es diese Speicherdichte erlauben, alle Bücher, die Menschen je geschaffen haben, auf eine einzelne Briefmarke zu schreiben," sagt Studienleiter Sander Otte von der Technischen Universität Delft, der den Datenträger auf Grundlage von Chloratomen entwickelt hat. Genauer: Die Daten werden in Lücken in einem Chloratomgitter auf einer Kupferoberfläche gespreichert. "Man kann es mit einem Schiebepuzzle vergleichen," sagt Otte.
Ein Chlorgitter auf Kupfer
Die Erfinder nutzten die Eigenschaft der Chloratome, sich auf einer flachen Kupferoberfläche selbstständig zu einem zweidimensionalen Gitter anzuordnen. Indem sie weniger Chloratome bereitstellten als für die komplette Bedeckung notwendig wären, entstanden Lücken im Gitter, sogenannte Vakanzen. Aus einer Lücke und einem Chloratom setzten sie ein Bit zusammen, die kleinste digitale Speichereinheit: In der Draufsicht bedeutet "Vakanz oben, Atom unten" eine Null; "Atom oben, Vakanz unten" heißt Eins.
Um Daten speichern zu können, müssen die Wissenschaftler die Atome bewegen. Das machen sie mit einem Rastertunnelmikroskop. Es schiebt computergesteuert die Atome so lange von Lücke zu Lücke, bis die Bit-Felder entstehen. Derzeit dauert das Auslesen eines 64-Bit-Blocks noch etwa eine Minute, das Schreiben zwei Minuten. Zudem funktioniert das ganze Verfahren nur bei einer Temperatur von minus 196 Grad Celsius.
Nichts fürs Smartphone
Würde man also alle Bücher der Welt auf einen solche Chip schreiben wollen, würde das wohl tausende von Jahren dauern. Vorerst haben die Forscher nur einen kurzen Satz des US-Physikers und Nanotechnologie-Visionärs Richard Feynman auf den Chip geschrieben, den er 1959 gesagt hat: "There's Plenty of Room at the Bottom" ("Es gibt noch viel Spielraum nach unten").
So bald wird es sicher keine Chlor-Kupfer Chips in Laptops und Mobiltelefonen geben. Otte und seine Kollegen sehen die Erfindung somit auch eher als Teil der Grundlagenforschung. Das besondere daran: Es ist gelungen einen funktionierendes atomares Speichersystem zu bauen.
fs/cr (dpa, EFE)