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Allein auf weiter Flur

Frank Sieren25. April 2014

Auf der Suche nach Freunden schaut Peking nach Südamerika. Doch Außenminister Wang Yi muss dort feststellen: Die Staaten des Kontinents bleiben hinter den Erwartungen zurück, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Chinesischer Außenminister Wang Yi mit kubanischem Amtskollegen Bruno Rodriguez (Foto:imago/Xinhua)
Bild: imago/Xinhua

Es ist keine einfache Mission, auf der sich der chinesische Außenminister Wang Yi momentan befindet. Wang ist in Südamerika unterwegs. Anfang der Woche reiste er zunächst nach Kuba, das er als „Busenfreund“ Chinas bezeichnete. Bei seinem Stopp in Venezuela sicherte er zusätzliche Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Dollar zu und in Argentinien feierte er gemeinsam mit Präsidentin Christina Fernandez die Einweihung einer neuen Eisenbahnlinie, die von den Chinesen finanziert wurde. Brasilien, wo Wang heute ankommt, erhielt bereits vor einigen Tagen die Zusage, künftig große Mengen Mais in die Volksrepublik importieren zu dürften.

Doch all diese Deals können nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Wang sicherlich in diesen Tagen auch Enttäuschung mitschwingt. Er weiß genau: Eigentlich wäre für die Volksrepublik noch viel mehr Handel und Kooperation mit Südamerika möglich, wenn der Kontinent nur endlich seine wirtschaftlichen Probleme in den Griff kriegen würde. Denn trotz der Investitionen Chinas läuft es mit der Wirtschaft in Südamerika gerade alles andere als rund. Die Fehler der Südamerikaner erinnern an die Asienkrise Ende der 1990er Jahre. Weil das Geld billig war, haben sich die Schwellenländer viel zu schnell viel zu viel Geld im Ausland geliehen und damit auch noch ungeschickt gehaushaltet. Doch als die US-Notenbank Anfang des Jahres ankündigte, dass Geld teurer und knapper werden zu lassen, zogen viele Anleger ihr Geld wieder aus den Schwellenländern ab. Nun werden auf Südamerika harte Jahre der Konsolidierung und Reformen zukommen.

Kriselnde Partnerstaaten

Hinzu kommen hausgemachte Probleme: In Argentinien fürchten die Anleger angesichts einer Inflation von über 25 Prozent, dass schon wieder die nächste Peso-Krise bevorsteht. Die letzte Krise hatte das Land erst vor zwölf Jahren in einen Staatsbankrott getrieben. In Brasilien drücken mangelhafte Infrastruktur, lähmende Bürokratie und überhöhte Steuern den Aufschwung. Das Land schleppt sich jetzt noch mit letzter Kraft durch die Fußball-WM in diesem und die Olympiade im übernächsten Jahr und dann wird erst einmal die Luft raus sein.

Global Media Forum GMF Foto Frank Sieren
Sieren: "China kann Kritik höchstens dosiert anbringen"

Und wenn die Wirtschaft in Südamerika bröckelt, hat das auch Auswirkungen auf China. Schließlich hat die Volksrepublik ihr Handelsvolumen mit dem Kontinent in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt um 30 Prozent auf mittlerweile 261 Milliarden Dollar erhöht. China hatte sich in Südamerika auch nach neuen Freunden umgesehen, weil die alten Partner im Westen sich mittlerweile als wenig zuverlässig erwiesen haben. Als dort nach der Finanzkrise die Wirtschaft schwächelte, blieb China auf seinen Exporten sitzen. Ähnliches könnte nun wieder drohen, wenn sich die Krise in Südamerika noch weiter zuspitzt. Kein Wunder also, dass Außenminister Wang bereits deutliche Worte fand. In Venezuela appellierte er an das Volk, Proteste gegen die Regierung beizulegen, und zur wirtschaftlichen Stabilität zurückzukehren.

Streben nach mehr Eigenständigkeit

Doch gleichzeitig weiß Wang genau, dass er Kritik höchstens dosiert anbringen kann und er sich trotz aller Probleme in Südamerika dort stets um Gespräche auf Augenhöhe bemühen muss - auch wenn man zumindest wirtschaftlich längst nicht mehr davon sprechen kann. Denn schließlich gibt es noch ein anderes großes Ziel, das zusammenschweißt: Gemeinsam wollen die aufstrebenden Schwellenländer eine Welt schaffen, in der man selbst die Spielregeln bestimmt und eben nicht mehr die alten Industrienationen auf der Nordhalbkugel. Längst treffen sich die wichtigen Nationen unter den Schwellenländern deshalb regelmäßig zu BRICS-Gipfeln, einem Club, dem neben Brasilien und China auch noch Russland, Indien und Südafrika angehören.

Gemeinsam haben die Länder großes vor. Sie wollen unter anderem mit einer eigenen Entwicklungsbank ein Gegengewicht zu der vom Westen dominierten Weltbank schaffen. Auch ein eigener Wirtschaftsgipfel wie in Davos wurde letztes Jahr gegründet. Allerdings hat Peking in diesem Bündnis nun ein großes Problem. Denn neben Brasilien läuft es auch bei den anderen drei Partnern gerade wirtschaftlich nicht rund. Südafrika hat schon in den letzten Jahren eine längere Schwächephase durchgemacht. Russlands Wirtschaft ist zu sehr auf Rohstoffexporte ausgerichtet und damit zu schwach aufgestellt. Auch der Ukraine-Konflikt macht der russischen Wirtschaft zu schaffen. Für Indien gilt ähnliches wie für Brasilien: Die Infrastruktur ist schlecht, notwendige politische Reformen werden seit Jahren verschleppt.

Bei diesen Rahmenbedingungen zieht der Klassenprimus China natürlich neidische Blicke der anderen aufstrebenden Märkte auf sich. Was also tun? Peking bleibt nur eines übrig: Es muss gegenüber den anderen so bescheiden wie möglich auftreten. Sonst läuft es Gefahr, von den anderen Schwellenländern genau wie der Westen nicht als Verbündeter, sondern als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Die gesamte Allianz stünde dann auf der Kippe und das will China um jeden Preis verhindern. Denn eines ist klar: Alleine ist auch China nicht in der Lage, seine Interessen gegenüber dem Westen durchzusetzen.