Alles setzt auf Breitband
16. November 2004Die Internet-Branche strotzt vor Optimismus. Bis zum Jahr 2010 soll die Zahl der Breitband-Anschlüsse in Deutschland auf etwa 17 Millionen anwachsen. 2003 verfügten erst 4,2 Millionen Haushalte über solch einen schnellen Zugang ins Internet. Die durchschnittliche Internet-Nutzung der Breitband-Kunden soll sich im gleichen Zeitraum verdreifachen: von 40 Minuten auf fast zwei Stunden pro Tag. Zu diesen Ergebnissen kommt die neue Breitband-Studie des Internet-Anbieters T-Online und des Medienkonzerns Bertelsmann, die am Dienstag (16.11.2004) in Berlin vorgestellt wurde.
Deutschland nur Mittelmaß
Tatsächlich gibt es bei der Verbreitung von Breitband noch mächtig Aufholbedarf. Nach Informationen des Branchenverbandes Bitkom nutzen in Deutschland nur rund zwölf von 100 Haushalten den schnellen Internet-Zugang, in Dänemark seien es dagegen 24, in den USA 26 und in Japan sogar 27.
Auch beim Tempo, mit dem sich Breitband-Anschlüsse verbreiten, fährt Deutschland bislang mit angezogener Handbremse. Während die Wachstumsrate in anderen großen europäischen Ländern im zweiten Quartal 2004 zwischen zehn und 15 Prozent betrug, lag sie in Deutschland gerade mal bei einem Prozent. Dank einer großen Werbeoffensive der Branche, so die Bitkom, ziehe die Nachfrage aber bereits wieder stärker an. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Verbreitung von Breitband-Anschlüssen dennoch weiter im Mittelfeld.
Breitband-Nutzung eingeschränkt
Dabei könnte das Breitband in Deutschland schon jetzt viel verbreiteter sein. Nach Angaben der Deutschen Telekom - Mutterkonzern von T-Online - sind immerhin neun von zehn Telefonanschlüssen im Festnetz technisch für Breitband (DSL) geeignet. "Bei der Infrastruktur steht Deutschland wie immer gut da, es hapert aber bei der tatsächlichen Breitband-Nutzung und den Anwendungen", sagt Brigitte Preißl vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Ein Grund sei die gute Ausstattung mit dem Vorläufer ISDN. "Viele nutzen das Internet vor allem für E-Mail oder andere einfache Anwendungen. Der Zusatznutzen von Breitband ist damit begrenzt", sagt Brigitte Preißl vom DIW. In Ländern wie Südkorea oder den USA gebe es dagegen völlig andere Nutzungsmuster wie Videospiele, Bildübertragungen, die hohe Übertragungsraten voraussetzten.
Kaum Wettbewerb
Ein weiteres Problem ist der fehlende Wettbewerb bei den Zugangstechniken in Deutschland. Fast alle Nutzer sind gezwungen, den Breitband-Zugang über die Telefonleitung zu nutzen. Das Fernsehkabel, das in anderen Ländern weit verbreitet ist, hat in Deutschland faktisch keine Bedeutung. Zudem liegt das DSL-Breitband fast vollständig in der Hand der Deutschen Telekom. Alternative Anbieter kommen gemeinsam nur auf einen Marktanteil von zehn Prozent. "Mehr Wettbewerb zwischen Kabel- und DSL-Anbietern würde sicher helfen, Breitband attraktiver zu machen", sagt Brigitte Preißl.
Vorteil für die Wirtschaft
Vor allem die Wirtschaft soll von der Breitband-Technologie profitieren. Die in der aktuellen Studie von T-Online und Bertelsmann befragten Experten erwarten, dass sich Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsproduktivität von Unternehmen deutlich verbessern. Bis zum Jahr 2010 wird eine Produktivitätssteigerung von 13,5 Prozent prognostiziert. "Unsere Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass kleinen Unternehmen oft ein ISDN-Zugang genügt", schränkt Brigitte Preißl ein. "Vor allem Großunternehmen sind auf die hohen Übertragungskapazitäten des Breitbandes angewiesen."
Wenn ein neues Produkt multimedial dargestellt wird ("Electronic Markets") oder Partnerfirmen gemeinsam online ein neues Projekt entwickeln ("Simultaneous Engineering"), sei der schnelle Internet-Zugang durchaus sinnvoll. Viel erhofft sich die IT-Expertin des DIW vor allem von den Themen Internet-Telefonie und mobile Breitband-Anwendungen. Beide Entwicklungen könnten dem Breitband in Deutschland noch einmal einen kräftigen Schub geben.