Alles Öl dem Staat?
12. Juli 2005Nach der Verstaatlichung des Erdölkonzerns Yukos will der Kreml offenbar auch die fünftgrößte russische Ölfördergesellschaft Sibneft unter staatliche Kontrolle bringen. Der staatlich kontrollierte Gaskonzern Gazprom soll bereits die Übernahme von Sibneft vorbereiten. Präsident Wladimir Putin hatte am Rande des G8-Gipfels Verkaufsgespräche zwischen dem Erdgasmonopolisten Gazprom und Sibneft bestätigt. Erst vor kurzem hat sich der Staat durch den Kauf eines Gazprom-Aktienpakets wieder die Kontrollmehrheit bei dem Gasgiganten gesichert.
Gazprom hat große Pläne. Bei der letzten Hauptversammlung am 24. Juni hatte Vorstandschef Alexej Miller angekündigt, dass der Konzern langfristig seinen Umsatzanteil an der Erdölproduktion auf 55 Prozent steigern will.
Keine Angst vor dem Jetset-Milliardär
Mit Sibneft würde Gazprom zu einem ernst zu nehmenden Player im Öl-Geschäft. Der fünftgrößte russische Ölkonzern mit einem Marktwert von rund 13 Milliarden Euro gilt als effizient gemanagt und fördert mit jährlich 34 Millionen Tonnen Rohöl rund acht Prozent der gesamten russischen Fördermenge. Nach der Zerschlagung und Verstaatlichung von Yukos wäre Sibneft, dass mehrheitlich von dem russischen Oligarchen und stolzem Besitzer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, kontrolliert wird, das nächste große Filetstück der privaten Ölwirtschaft, das wieder unter staatliche Kontrolle fällt.
„Der Appetit kommt mit dem Essen“, titelte unlängst und in Anspielung auf die Zerschlagung von Yukos die Wirtschaftszeitung Kommersant, nachdem die ersten Gerüchte über eine mögliche Sibneft-Übernahme die Runde gemacht hatten. Doch im Gegensatz zum Fall Yukos dürfte sich Mehrheitsaktionär Roman Abramowitsch kaum gegen die Absichten des Kreml stellen. Der reichste Russe gilt als kremlnah und hat sich in der Vergangenheit bereits von einigen seiner Beteiligungen in Russland getrennt. Schon seit längerem wird gemunkelt, dass sich der Jetset-Milliardär ganz aus Russland zurückziehen werde.
Bittere Erinnerungen
Sollte das Milliardengeschäft über die Bühne gehen, hätte der russische Staat seinen Anteil an der Erdölproduktion drastisch gesteigert: Allein im letzten Halbjahr von sechs auf fast 30 Prozent. Ende letzten Jahres hatte die staatliche Ölgesellschaft Rosneft nach einer Zwangsversteigerung das Herzstück von Yukos, die Fördertochter Yugansneftegas, übernommen.
Dass der Staat wieder die Kontrolle über die strategisch wichtige und wegen der hohen Ölpreise auch lukrative Energiewirtschaft übernehmen will, ist kein Geheimnis. Am Rande des G8-Gipfels versuchte Präsident Putin jedoch die Interessen des Kreml, Sibneft unter die Fittiche von Gazprom zu bringen, herunter zu spielen. "Die Tatsache, dass ein staatlich kontrollierter Konzern (sprich Gazprom) Anteile einer anderen Firma erwerben will, bedeutet noch nicht, dass auch der Staat dies will." Doch schon jetzt drängt sich die Frage auf, welche der noch verbliebenen Ölfirmen in privater Hand als nächste auf der Einkaufsliste des Kreml auftauchen.
Für die russische Wirtschaft aber ist der staatliche Griff nach den in den neunziger Jahren privatisierten Ölkonzernen ein Rückschritt. Zwar waren damals die Filetstücke der Energiewirtschaft durch Insidergeschäfte und gemauschelte Versteigerungen mit Duldung des Staates weit unter Wert verkauft worden, aber es waren die neuen Eigentümer, die die neuen Konzerne erst durch konsequente Modernisierung und Investitionen effizient, wettbewerbsfähig und rentabel gemacht haben. Die Vergangenheit hat in Russland gezeigt, dass der Staat die Energiebranche längst nicht so effektiv managen kann, wie private Eigentümer.