Als Hitler seine Herrschaft zu festigen begann
26. Februar 2013Tausende Berliner strömten am Abend des 27. Februars 1933 in Richtung Reichstag. Schnell hatte es sich herumgesprochen: Das Gebäude des deutschen Parlamentes loderte in Flammen. Hunderte Polizisten sperrten das Gelände ab, während ein Großaufgebot der Berliner Feuerwehr den Brand zu bekämpfen versuchte. Vergeblich: Der Sitzungssaal brannte lichterloh.
Nicht nur Schaulustige und entsetzte Bürger liefen in Scharen zum Reichstagsgebäude, auch die nationalsozialistische Führungsspitze eilte herbei. Zuvor hatte es hitzige Telefongespräche gegeben. Ein Nationalsozialist versuchte hektisch, den frischgebackenen Reichskanzler Adolf Hitler anzurufen. "Sagen Sie ihm, der Reichstag brennt!" Joseph Goebbels, damals Berliner Gauleiter, entgegnete bei der Meldung nur: "Soll das ein Witz sein?". Wenig später raste er zusammen mit dem schockierten Hitler Richtung Reichstagsgebäude.
Hitlers Furcht vor einem Putsch der Kommunisten
Höchst beunruhigt traf Hitler am Brandort ein. Um die Institution des Parlaments als solche war es ihm nicht schade, die Demokratie hatte er schon immer verachtet. Vielmehr war Hitler davon überzeugt, dass seine Erzfeinde, die Kommunisten, den Brand gelegt hätten. Die vermeintlichen Motive: "durch Brand und Terror Verwirrung zu stiften, um so in der allgemeinen Panik die Macht an sich zu reißen", fasste Goebbels zusammen.
Ende Februar 1933 waren die Nazis sich ihrer Macht noch keineswegs sicher: Erst am 30. Januar 1933 hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt. Freilich hatte Hitler nicht vor, die Macht wieder aus den Händen zu geben. Doch seine große Angst war ein möglicher Aufstand der Kommunisten. Nun, angesichts des brennenden Reichstages, sah er diese Sorgen vermeintlich wohlbegründet. Schnell begann man mit dem Verhör des Hauptverdächtigen: Im brennenden Gebäude hatten Polizisten einen jungen Mann verhaftet: Marinus van der Lubbe.
Der 24-jährige Niederländer war erst seit kurzem in der deutschen Hauptstadt. Schnell fanden die Ermittler heraus, dass van der Lubbe Verbindung zu Kommunisten hatte. Zusätzlich war er geständig, den Brand gelegt zu haben – alleine, aus Protest gegen die "Machtergreifung" der Nazis hatte er das Feuer gelegt. Hitler und seine Kumpanen mochten dem keinen Glauben schenken.
Geradezu hysterisch soll sich Hitler aufgeführt haben, als ihm berichtet wurde, dass ein einzelner Mensch den Reichstag in Brand gesteckt haben soll. Beharrlich hielt er an seiner Überzeugung fest, wonach eine kommunistische Verschwörung hinter dem Brand steckte. "Wenn dieser Brand, wie ich glaube, das Werk der Kommunisten ist, dann müssen wir diese Mörderpest mit eiserner Faust vernichten!", tobte der "Führer“ in einem seiner berüchtigten Anfälle. Hermann Göring, der die preußische Polizei befehligte, rief den höchsten Alarmzustand aus. Er befahl seinen Beamten rücksichtslosen Gebrauch von ihren Schusswaffen zu machen.
"Zum Schutz von Volk und Staat"
Für die Nationalsozialisten bot sich durch den Reichstagsbrand eine einmalige Gelegenheit, wie Hitler schnell erkannte. Die Bevölkerung war tief verunsichert. Auch die konservativen Eliten in der Bürokratie, Politik und Armee fürchteten einen Umsturz durch die Kommunisten. Die Polizei begann auf Anweisung Görings noch in der Nacht mit Verhaftungen von kommunistischen Reichstagsabgeordneten und Partei-Funktionären. Besonders schlimm trieben es die Schlägertrupps der Nazis von der Sturmabteilung, kurz SA. Sie verschleppten zahllose Menschen in provisorische Gefängnisse, die meist in Kellern untergebracht waren. Dort schlugen und folterten die SA-Leute ihre wehrlosen Häftlinge. Manch einer überlebte die Torturen nicht. Bis April wurden rund 25.000 Menschen festgenommen.
In der Regierungszentrale ging es inzwischen hektisch zu. In aller Eile feilte man an einem Erlass, der dazu dienen sollte, die angebliche kommunistische Bedrohung abzuwehren. Mit seiner Unterschrift unter die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" setzte Reichspräsident von Hindenburg am 28. Februar 1933 die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit außer Kraft. Auch das Post- und Fernmeldegeheimnis galt nicht mehr. Zusätzlich konnte die Berliner Regierung nun in den Ländern "durchgreifen", um "Ruhe und Ordnung" zu gewährleisten.
Mit der "Reichstagsbrandverordnung", wie sie bald im Volksmund genannt wurde, hielten die Nazis das entscheidende Werkzeug in der Hand, um alle ihre Feinde zu bekämpfen. Ohne Beweise und gerichtliche Kontrolle konnten nun unbequeme Menschen in "Schutzhaft" genommen werden. Oppositionelle Zeitungen verbot man kurzerhand.
Hitler inszeniert sich als Retter vor dem Chaos
Große Teile der Bevölkerung glaubten, was in vielen Zeitungen stand, dass nämlich die Kommunisten einen Umsturzversuch unternommen hätten. Eine bayrische Zeitung applaudierte: "Und darum begrüßen wir die letzte Notverordnung." Das Ende der demokratischen Freiheiten nahm man stillschweigend in Kauf. Hitler ließ sich als Retter Deutschlands vor dem gefürchteten Kommunismus feiern. Eine Zeitgenossin aus Hamburg erklärte, Hitlers "Ruhm steigt zu den Sternen, der Heiland ist er einer bösen, traurigen deutschen Welt."
Wer waren der oder die Brandstifter? Van der Lubbe, kommunistische Helfer, die Nationalsozialisten selbst? Immer wieder kamen Gerüchte auf, dass die Nationalsozialisten selbst das Feuer am Reichstagsgebäude gelegt hätten, um die Schuld den Kommunisten in die Schuhe schieben zu können. Mehrheitlich sind sich die Historiker heute allerdings sicher, dass tatsächlich der Einzeltäter Marinus van der Lubbe der Brandstifter gewesen war. Adolf Hitler erkannte sofort die einmalige Gelegenheit und nutzte sie für sich. Beim Anblick des brennenden Reichstages soll Hitler gesagt haben: "Es gibt jetzt kein Erbarmen; wer sich uns in den Weg stellt, wird niedergemacht." In den folgenden zwölf Jahren sollte er diese Worte auf schreckliche Art und Weise wahrmachen.