Als deutscher Guerillero in den Jugoslawienkriegen
14. Februar 2019"Um mich als Soldaten bezeichnen zu können, so dachte ich, musste ich kämpfen. Ansonsten hätte ich ja auch einem Paintball-Club beitreten können." So einfach beschreibt Roland Bartetzko seine Motivation, warum er Anfang der 1990er Jahre das frisch vereinte Deutschland verließ, um in den bosnischen Krieg zu ziehen. Sein Buch "Der Geruch des Krieges - Lehren aus dem Gefecht", ist jetzt auch auf Deutsch verfügbar.
Bartetzko lebt heute in der kosovarischen Hauptstadt Priština. Geboren 1970 in Würselen im äußerstem Westen Deutschlands, diente er schon als Teenager in der Bundeswehr. Seine Logik, Soldat könne sich nur nennen, wer auch kämpfe, irritiert und lässt aufhorchen.
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken aus dem Jahr 2001 geht hervor, dass "R.B." nach Paragraph 55 (5) des Soldatengesetzes entlassen wurde. So werden nur die Bundeswehrsoldaten vor die Kasernentür gesetzt, die ihre Dienstpflicht "schuldhaft verletzen" oder deren weiterer Verbleib "die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde". Aber davon will Bartetzko nichts wissen.
Guerillataktiker und Motivationscoach
Die Anfrage der Linken im Deutschen Bundestag brachte auch anderes zutage: Dass auf kroatischer Seite rund 100 Deutsche kämpften - zumeist Rechtsextreme. Bartetzko ein Nazi? Keinesfalls, erwidert er. Abscheulich nennt er sie. "Bei mir war es einfach Abenteuerlust. Die anderen haben vielleicht Probleme gehabt - mit der Polizei, der Ehefrau oder der Familie. Es gab auch Kriegstouristen, die es cool fanden, eine Woche an der Front zu verbringen."
Im Nachhinein sei es sehr problematisch, nach den Gründen zu forschen. "Da ist man schon unehrlich und erzählt, dass man nur für die Freiheit von Kroatien oder Kosovo gekämpft hat. Das ist natürlich Blödsinn", sagt er im DW-Interview darüber, warum er sich dem kroatischen Verteidigungsrat (HVO) in Bosnien und später auch der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) angeschlossen hat.
Bartetzko scheint davon getrieben zu sein, den Soldatenalltag zu beschreiben. Jahrelang bedient er Quora, ein weltweit bekanntes Forum, das einige seiner Posts für ein Millionenpublikum verbreitete. Er beschreibt, wie man im Krieg seinen Hintern und die Zähne sauber hält, wenn das Wasser knapp ist, warum die Zigaretten ein begehrtes Zahlungsmittel sein können oder wie ein tödlicher Hinterhalt gelegt wird. Oder wie man mit seiner Angst umgeht, ohne verrückt zu werden.
"Am nächsten Morgen wachte ich langsam auf, niemand schoss, die Sonne schien von draußen in den Keller, und ich dachte mir: 'Was für ein schöner Morgen!' Langsam kam mir aber in den Sinn, wo ich mich befand und mein nächster Gedanke war: 'Scheiße!'"
Wer einen strukturierten Erfahrungsbericht erwartet, wird nach der 172-Seiten-Lektüre enttäuscht sein. Sein Buch ist eher eine Ansammlung anekdotischer Episoden. Auch versucht sich Bartetzko als Tippgeber in Sachen Guerillataktik, oder geriert sich als Amateur-Psychologe und Motivationscoach. "Es wird so viel Mist erzählt. Das Buch ist dazu gedacht, gegen diese turbopatriotische Mythisierung anzukämpfen."
Kroatien und später Kosovo haben letztlich ihr Hauptziel erreicht: die Loslösung ihrer Territorien aus Jugoslawien. In beiden Ländern werden die Kriege als Verteidigungskampf gegen den "serbischen Aggressor" gedeutet.
Wird da ein ausländischer Freiwilliger, der auch über das Tabu-Thema der Traumatisierung der Soldaten oder den Alkohol- und Drogenkonsum an der Front berichtet, nicht als Nestbeschmutzer wahrgenommen? "Als Soldaten haben wir uns nicht jeden Tag unbedingt Gedanken darüber gemacht, das Land befreien zu müssen. Das ist nicht der Soldatenalltag."
Das zweite Leben in Kosovo
Leider verschweigt Bartetzko in seinem Büchlein einiges, obwohl doch sein persönliches Erleben wertvoll hätte sein können. Die brutalen Kriege im zerfallenden Jugoslawien in der ersten Hälfte der 1990er Jahre brachten mehr als 130.000 Menschen den Tod, rund zwei Millionen verloren ihr Zuhause. Doch während der ehemalige Kämpfer die von Serben begangenen Verbrechen ausführlich beschreibt, ist von den kroatischen oder kosovarischen Menschenrechtsverbrechen nichts zu lesen. "Ich habe keine Verbrechen gesehen, was nicht bedeutet, dass es keine gegeben hat", so Bartetzko gegenüber der DW. "Wenn du als Ausländer kommst, werden dir solche Sachen auch nicht erzählt."
Er habe aber eine Zahl im Kopf, wie viele Menschen durch seine Kalaschnikow getötet wurden. Oder auch wie viele durch die von ihm gelegten Minen ums Leben kamen. Die Zahl verschweigt er hingegen. "Ich habe ja nicht nachgeschaut, ob die tatsächlich tot sind."
Das Buch endet mit der NATO-Bombardierung und Kapitulation Serbiens im Juni 1999. Knapp zwei Jahre bevor das Leben von Roland Bartetzko eine entscheidende Wende nahm. Am 18. April 2001 wurde ein Auto des jugoslawischen Konsulats in Priština in die Luft gejagt. Ein Oberst der jugoslawischen Polizei starb, vier weitere Personen wurden verletzt. Wenig später wurde der "verdiente" UCK-Kämpfer Roland Bartetzko verhaftet.
Wie schon vor Gericht, verneint Bartetzko auch gegenüber der Presse seine Schuld. Er wittert hinter den Anschuldigungen gegen ihn eine Verschwörung der UN-Mission im Kosovo, die nach wie vor in dem Protektorat die Justiz kontrolliert. Die zwanzigjährige Haftstrafe musste er nicht zu Ende absitzen - seit 2015 ist er auf Bewährung frei. Die Zeit hinter Gittern hat er genutzt, um ein Jurastudium zu absolvieren. Seine Frau, eine Kosovo-Albanerin, hatte Geduld genug, auf ihn zu warten. Deswegen lebt er in Priština, spricht fließend Albanisch und ist bestens vernetzt.
Aus manchen seiner damaligen Kriegsfreunde - und Kriegsfeinde - sind War Dogs geworden. So nennt man die, die außer Krieg nichts mehr kennen und auch nichts anderes mehr wollen. Sie ziehen als Legionäre durch die Welt. In Erscheinung treten sie gelegentlich über die Medien, wenn von Fremdenlegionären in Kroatien, serbischen Söldnern in Donbas oder Albanern, die Dschichadisten geworden sind, berichtet wird. Bartetzko ist aber in Priština zuhause und sehr zufrieden als Jurist in einer Firma, die Fernsehserien produziert.
Ist das nicht ein wenig wie in einem Paintball-Club? "Nö, ich bin zu alt für Krieg. Das ist ein abgeschlossenes Kapitel."