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Junge Wissenschaftler und Fernweh

Zulfikar Abbany, Lindau / hf3. Juli 2015

Braindrain or Braingain? Fachkräfteabwanderung oder -gewinn? Warum reisen junge Wissenschaftler aus Afrika und Asien für die Forschung um die Welt? Wir haben den Nachwuchs auf der Nobelpreisträgertagung gefragt.

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Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Bild: DW/Z. Abbany

Nadine Tchamba Yinga, Master of Science, Kamerun

Aktuelle Station: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Deutschland

"Der Hauptgrund dafür, dass ich nach Deutschland gegangen bin, ist die Qualität der Forschung und die Forschungsmöglichkeiten. Zuhause in Kamerun gibt es zu viele Probleme: schlechte Ausrüstung in den Labors und schlechte finanzielle Unterstützung. Deshalb bin ich für meine Doktorarbeit mit einem Stipendium nach Deutschland gekommen. Ich wollte unbedingt eine Arbeitsumgebung, mit viel Motivation und wo es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass man etwas erreicht - weil es die richtigen Voraussetzungen dafür gibt."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Nadine Tchamba YingaBild: DW/Z.Abbany

Wollen Sie zurück nach Kamerun - oder ist ihr Leben in der Wissenschaft nun in Deutschland?

"Also, eigentlich habe ich mein Zuhause nicht für immer verlassen. Wir haben dort eben nur nicht die Einrichtungen, um - vor allem junge - Forscher zu fördern. Aber wenn sich die Dinge ändern hätte ich große Lust zurückzukehren und einen Teil für die Entwicklung meines Landes beizusteuern. Das ist das Ziel."

Anupam Sengupta, PhD, Indien

Aktuelle Station: Massachusetts Institute of Technology (MIT), USA

"Ich bin nach Deutschland gekommen, um für ein Unternehmen zu arbeiten. Nach einem Jahr hat mich das allerdings nicht mehr so interessiert, deshalb bin ich an das Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, wo ich meine Doktorarbeit schrieb. Danach ging es mit einem Wissenschaftsstipendium in die USA."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Anupam SenguptaBild: DW/Z.Abbany

Dann haben Sie ja schon Erfahrung gesammelt. Denken Sie, das ist der einzige Weg für ein erfülltes Wissenschaftler-Leben: umherzureisen, und zu sehen, wie die Menschen in verschiedenen Kulturen arbeiten?

"Ich glaube, das Reisen ist ein wichtiger Bestandteil. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie aus Indien, Afrika oder Asien kommen. Ich würde auch meinen Kollegen aus Deutschland dazu raten, die Welt zu erkunden. Denn ich habe gelernt, dass die Arbeitskulturen überall unterschiedlich sind - es gibt so eine große Vielfalt. Und man hat die Möglichkeit, sich bewusst die für sich bestpassendste Arbeitsumgebung zu entscheiden. Die Frage der Abwanderung von Forschern aus Entwicklungsländern gibt es jedoch immer - die besten Köpfe gehen in den Westen. So bleiben die Probleme in den Entwicklungsländern nach wie vor ungelöst. Aber meiner Meinung nach - wenn ich zurückblicke - bietet Indien mittlerweile gute Möglichkeiten. Der Trend geht in Richtung 'positive Abwanderung': Die Menschen gehen weg, ein Großteil kommt aber auch nach Indien zurück, denn sie finden hier allmählich die Voraussetzungen, die sie aus dem Westen kennen."

Upasana Das, PhD, Indien

Aktuelle Station: Indian Institute of Science, Indien

"Ich möchte mit so vielen Menschen wie möglich im Ausland zusammenarbeiten und herausfinden, wie in deren Ländern geforscht wird. Indien ist ein Entwicklungsland - aber selbst, wenn ich mit Menschen aus den USA, Deutschland oder den nordischen Ländern spreche - die in der Forschung viel weiter sind - glaube ich, haben wir alle etwas gemeinsam: Wir haben ähnliche Unsicherheiten hinsichtlich unserer Zukunft - zum Beispiel, das sesshaft werden, oder die Jobsuche - und wir alle wollen gute Wissenschaftler sein. Das werde ich werde auf jeden Fall mit nach Hause nehmen und sagen: 'Mach dir keine Sorgen darüber, dass du aus Indien kommst, und denkst, du wärst allem hinter her.' Es gibt da ein Gemeinschaftsgefühl - überall haben wir dieselben Sorgen."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Upasana DasBild: DW/Z.Abbany

Warum sind Sie bisher noch nicht aus Indien weggezogen?

"Nun, Ende des Jahres ziehe ich für meinen Postdoc in die USA. Aber ein Hauptgrund, dass ich bisher noch nicht weggegangen bin, ist meine Familie - mein Vater ist alt und allein, und ich möchte in seiner Nähe bleiben. In Indien bin ich schon herumgekommen. Aber PhDs sind eine langfristige Angelegenheit - fünf Jahre in Indien - das ist schon eine lange Zeit, um von zu Hause weg zu sein. Deshalb möchte ich während meines Postdocs - der nur zwei Jahre dauert - die Chance nutzen, ins Ausland zu gehen. In meinem Bereich, der Astrophysik, macht es ohnehin keinen Sinn wegzugehen, um an eine mittelmäßige Universität zu wechseln. Wenn man geht, dann möchte man zu einer Top-Universität. Und wenn Sie das nicht können - warum dann nicht direkt in Indien bleiben?"

Adewale Adewuyi, PhD, Nigeria

Aktuelle Station: Redeemer's University, Nigeria

"Es ist eine großartige Gelegenheit für mich, hier in Lindau dabei zu sein. Wir mussten schwierige Auswahlrunden bestehen - die Plätze waren hart umkämpft."

Was macht Wissenschaft in Nigeria aus? Sie haben es geschafft - trotz internationaler Konkurrenz - herzukommen. Zeigt das den Stand der Wissenschaft in Nigeria?

"Ja, das würde ich schon sagen - aber in Bezug auf die persönliche Entwicklung, nicht hinsichtlich der Wissenschaft allgemein. Sondern: In Nigeria oder Afrika sind es meistens die Menschen, die Fortschritte machen, diejenigen, die auch die Möglichkeiten haben rauszugehen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Adewale AdewuyiBild: DW/Z.Abbany

Wenn Sie sagen, "rausgehen" - meinen Sie, international zu reisen?

"Ja, aber, wenn wir das, worum es hier in Lindau geht, als Richtwert sehen, ist das definitiv nicht mit dem Wissenschaftsstandard in Nigeria vergleichbar."

Also möchten Sie hier bleiben oder zurückgehen?

"Oh, auf jeden Fall zurück ... es gibt keinen Ort wie Zuhause. Ich muss nach Hause. Wenn ich in Europa bleiben, wer könnte dann Nigeria weiter entwickeln?"

Luc-Sy Tran, PhD, Vietnam

Aktuelle Station: Universität Bielefeld, Deutschland

"Hauptsächlich halte ich nach ausgeschriebenen, interessanten Projekten Ausschau. Und auch das Labor ist für mich wichtig. Wissenschaft ist sehr international. Ich mag es nicht, Vietnam und Europa zu vergleichen, aber in Europa haben wir einen Vorteil: Die Technologie ist besser. Ich bin hergekommen, um etwas Neues zu lernen. Aber in Vietnam sind einige Dinge schwierig, da die Entwicklung der Technologie langsamer vorangeht. Deshalb bin ich nach Europa gegangen. Auch ist die Finanzierung in Vietnam nicht gut - es ist kein reiches Land."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Luc-Sy TranBild: DW/Z. Abbany

Seema Mittal, PhD, Indien

Aktuelle Station: India Innovation Research Center, Indien

"Ich habe in den USA promoviert, deshalb war ich schon auf mehreren Konferenzen. Ich hatte Gelegenheit, mit vielen großartigen Menschen auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, aber ich habe noch nie so viele brillante Leute mit demselben Ziel an einem Ort gesehen, wie hier in Lindau."

Junge Wissenschaftler bei der 65. Nobelpreisträgertagung in Lindau (Foto: Zulfikar Abbany).
Seema MittalBild: DW/Z.Abbany

"Meine Erwartungen an dieses Treffen war es, meine Ideen mit den anderen zu diskutieren - denn ich halte sie nicht unbedingt für konventionell. Und ich würde auch gerne von den Erfahrungen der Nobelpreisträger lernen - ihre Probleme und all die Dinge, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten."

Wie denken Sie über das Braindrain-Thema - die Abwanderung von jungen Wissenschaftlern?

"Nun, als Inder habe ich eine Menge Stolz. Aber zur gleichen Zeit - wenn es um Wissenschaft geht - bin ich voller Leidenschaft: etwa bei der Beantwortung einer bestimmten Frage. Und deshalb suche ich nach der richtigen Arbeitsumgebung dafür. Das ist eigentlich auch der Grund, warum ich nach Indien zurückgekehrt bin: Weil ich dachte, dass es sich gerade so rasant entwickelt und ich dazu bereit bin, es wieder zu versuchen."