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Alter und neuer Rechtsextremismus in Russland

Cornelia Rabitz21. Januar 2006

Russland ist nach Frankreich das Land mit den meisten antisemitischen Übergriffen. Politik und Justiz verhalten sich oft teilnahmslos.

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Jüdische Gläubige beten für Opfer antisemitischer Gewalt in MoskauBild: AP
Anschlag Synagoge in Moskau Russland
Spuren des Attentats auf jüdische GottesdienstbesucherBild: AP

In die Synagoge an der Malaja-Bronnaja-Straße in Moskau stürmt ein junger Mann. Er ruft "Heil Hitler!" und sticht wahllos auf die Gottesdienstbesucher ein. Acht Menschen werden zum Teil schwer verletzt. - Auf offener Straße wird in Sankt Petersburg ein afrikanischer Student von Skinheads erstochen. - In Woronesh, 500 Kilometer südlich von Moskau werden zwei Sudanesen überfallen, wird ein peruanischer Austausch-Student ermordet. Woronesh ist wie Sankt Petersburg eine Hochburg des neuen Rechtsextremismus.

Öffentliche Empörung und Mitgefühl mit den Opfern solcher Gewalt bleiben meist aus, das Medienecho ist gering, die Menschen reagieren gleichgültig auf die Vorfälle. Migranten, Schwarzafrikaner und alle, die südländisch - oder "kaukasisch" - aussehen, haben es schwer in Russland. Immer häufiger sind sie Opfer von Diskriminierung, Übergriffen und Gewalttaten. Da hilft es auch nichts, wenn sie aus den früheren Sowjetrepubliken kommen: eine tadschikische Familie wurde in Sankt Petersburg überfallen, ihr Kind ermordet.

"Russland den Russen"

Es gibt schätzungsweise 50.000 Skinheads in Russland, die Neonazigruppen heißen "Mad Crowd" oder "Schulz 88". Überfälle auf Rabbiner, Brandanschläge auf Synagogen, Hakenkreuz-Schmierereien sind keine Seltenheit mehr, in Buchhandlungen werden offen antisemitische Hetzschriften verkauft, die Parole "Russland den Russen" ist gesellschaftsfähig geworden. Präsident Wladimir Putin hat Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zwar öffentlich kritisiert - Behördenvertreter und Politiker auf den unteren Ebenen beschönigen und verharmlosen jedoch das grassierende Problem. Man spricht von "Rowdytum" und von Einzelfällen. Die Gerichte tun sich schwer, die Vorfälle zu verfolgen.

Rechtsextreme Gewalttäter bekommen politischen Flankenschutz: Vor wenigen Wochen noch warb die nationalistische Partei "Rodina" (Heimat) im Moskauer Kommunalwahlkampf mit einem Fernsehspot, in dem gezielt Ausländerfeindlichkeit mobilisiert wurde. In der gemeinsamen Feindschaft gegen Fremde und gegen Juden gehen russische Kommunisten und Nationalisten immer wieder makabre Bündnisse ein. Abgeordnete des russischen Parlaments, der Duma, forderten in einem Brief öffentlich das Verbot jüdischer Organisationen wegen angeblicher "Unterwanderung Russlands".

Kompromissloser Kampf

Anschlag Synagoge in Moskau Russland
Nicht sicher in Moskau? Die Rabbiner Berel Lazar (r.) Yitzhak KoganBild: AP

Solomon Bukingolts, Vizepräsident des Russischen Jüdischen Kongresses sagt dazu: "Diese Vorfälle bei uns im Land erscheinen mir als Teil eines tragischen Globalismus, in dem wir alle leben. Ich glaube, es ist eine deutliche gesellschaftliche Reaktion darauf nötig - nicht nur in Russland, auch in Europa, ein scharfer, kompromissloser Kampf gegen diese Dinge. Wir erwarten von unserer Gesellschaft konkrete, unzweifelhafte Maßnahmen in der Auseinandersetzung, damit derartige Vorfälle nicht straflos bleiben."

Nur ganz vereinzelt regt sich einmal Protest. So haben vor wenigen Wochen in Moskau Anhänger liberaler Parteien gegen rechtsradikale Tendenzen in Russland protestiert. Das war allerdings, nachdem ein Marsch rechter Demonstranten für Aufsehen gesorgt hatte.

Experten sehen ein Motiv für den aufgekeimten Fremdenhass nicht nur als Ergebnis des Zusammenbruchs des sowjetischen Imperiums, sondern auch in der sozialen Lage in Russland und in der Tatsache, dass die Politik unter Präsident Putin zwar die ökonomische Modernisierung forciere, aber keine gesellschaftlichen Wertekonzepte anbiete. Tradierter Fremdenhass, Antisemitismus und ein neuer, politisch gewollter Nationalismus seien eine unheilvolle Verbindung eingegangen, heißt es in einer Studie des renommierten Moskauer Carnegie-Instituts. Die Modernisierungsverlierer - Rentner, schlecht ausgebildete, schlecht bezahlte Menschen, allein erziehende Mütter - seien das Reservoir, aus dem sich der Rassismus speise.

Eine Umfrage des Instituts ergab, dass die Hälfte der Befragten dem Slogan "Russland den Russen" etwas Positives abgewinnen konnte.