"Am Ende wird es in Bahrain Reformen geben"
21. Februar 2011DW-WORLD.DE: Herr Birringer, warum hat Al Dschasira rund um die Uhr aus Ägypten berichtet, während die Proteste in Bahrain im Programm so gut wie nicht vorkommen?
Thomas Birringer: Bahrain liegt halt doch schon etwas näher am Standort von Al Dschasira, nämlich Katar. Katar ist das Nachbaremirat von Bahrain, und je ähnlicher sich die Länder in der arabischen Welt sind, desto schwieriger wird das. Man kann im Prinzip als Journalist in den meisten arabischen Ländern über alle kritisch berichten, nur nicht über den eigenen Herrscher. Nur für den Emir in Katar ist der Nachbar in Bahrain natürlich schon recht nah und dem fühlt er sich auch etwas verpflichtet. Von daher hält er Al Dschasira an, von Bahrain etwas weniger zu berichten.
Haben die Journalisten von Al Dschasira Angst, oder was ist der Grund?
Sie haben nicht direkt Angst. Katar ist schon anders strukturiert als Bahrain, aber es ist halt die Solidarität unter Nachbarherrschern, die besonders eng miteinander verbunden sind.
Gäbe es denn überhaupt viel zu berichten aus dem Land?
Ja, erhebliches. In Bahrain ist es zwar in den letzten ein bis zwei Tagen wieder ruhig, aber wir hatten ja vor einigen Tagen sehr, sehr brutale Kämpfe. Die Proteste auf dem Pearl Square wurden sehr brutal niedergeschlagen, nach allem was ich höre, wirklich mit gezielter Waffengewalt.
Da könnte jetzt an dieser Stelle das Internet einspringen, das heißt über soziale Netzwerke über Facebook, über Twitter könnten die Informationen ja nach außen verbreitet werden. Werden sie das auch?
Das werden sie. Also, wir wissen ja schon, was passiert ist in Bahrain. Und auch über die unterschiedlichen Strömungen im Herrscherhaus, wie man mit dieser Sache jetzt umgeht. Die jüngste Nachricht, die ich heute gehört hab, ist, dass die Formel 1 jetzt abgesagt worden ist, die im März dort hätte stattfinden sollen, also, die Informationen dringen da schon nach außen.
Ist das denn in Ihren Augen die richtige Entscheidung? Man hätte ja auch sagen können: Wir lassen es stattfinden, so wie geplant, mit dem Ergebnis: Dann schaut die Weltöffentlichkeit nach Bahrain und jeder muss eigentlich diese Proteste wahrnehmen.
Die Formel 1 ist für Bahrain ein ganz, ganz wichtiges Ereignis. Es ist das Ereignis des Jahres im Lande und hat ein ganz hohes Prestige. Man hat sich sehr bemüht, die Formel 1 dorthin zu bekommen, und die Denkrichtung war eher so, dass man gesagt hat: "Um Gottes willen, lasst uns dieses Ereignis nicht gefährden! Das ist so wichtig für uns, wir sorgen für Ruhe, damit auch dieses Ereignis dort unbehelligt stattfinden kann." Das war die absolut falsche Reaktion, damit hat man das nur noch schlimmer gemacht. Man weiß nicht, welche Rolle die Formel 1 da gespielt hat, aber sie war sicherlich ein Grund, weshalb man diese Proteste so niedergeschlagen hat.
In den arabischen Staaten scheint es ja so eine Art Eskalationsspirale zu geben: Am Anfang gibt es Proteste, es gibt entsprechende Meldungen, Informationen aus dem Internet, die Proteste werden größer und werden dann – das sehen wir jetzt in Bahrain, das sehen wir aber auch in Libyen – gewaltsam niedergeschlagen. Mit welchen Folgen?
Hundertprozentig vergleichbar ist die Situation in den einzelnen Ländern nicht. Wir hatten zum Beispiel in Bahrain im Gegensatz zu Tunesien oder Ägypten eine religiös und auch ethnisch sehr heterogene Bevölkerung.
Was treibt denn dann die Menschen in Bahrain auf die Straße? Mangelnder Wohlstand ist es nicht, oder?
Mangelnder Wohlstand ist es nicht, aber das ist immer relativ. Die schiitische Mehrheit in Bahrain – das sind etwa 70% der Bevölkerung – sieht sich benachteiligt: bei der Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst, aber auch beim Ausbau von Infrastruktur. Sie haben trotz des Reichtums eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit insbesondere bei jungen Leuten. In der Hinsicht ist Bahrain durchaus vergleichbar mit den Ländern in Nordafrika. Und dieses Phänomen trifft halt eben vorwiegend die schiitische Bevölkerung. Das ist wiederum ein Unterschied zu Nordafrika, weil sie eben in Bahrain die Bruchlinien auch entlang religiös-ethnischer Grenzen haben. Die sind zwar absolut gesehen viel reicher als die Ägypter oder die Tunesier, aber sie fühlen sich trotzdem benachteiligt und gehen deswegen auf die Straße.
Was ja auch oft passiert, ist dass die Herrscher oder Staatspräsidenten vor die Presse treten und sagen: "Ja, es wird Reformen geben, ja, wir ändern was." Ist das in Bahrain auch abzusehen?
In Bahrain haben Sie im Herrscherhaus unterschiedliche Strömungen. Es gibt in Bahrain relativ weit entwickelte demokratische Strukturen. Es gibt ein Parlament, das auch halbwegs demokratisch gewählt ist, der König von Bahrain ist eigentlich relativ offen und hat schon nach den ersten Toten, die es gab, die Bevölkerung um Entschuldigung gebeten und Reformen versprochen. Sein Onkel, der Premierminister, hingegen vertritt eine eher konservative Linie. Man weiß nicht genau, wer da das Sagen hatte. Man darf aber auch die Rolle der Sicherheitskräfte selber nicht unterschätzen, die sich dort auch möglicherweise ein wenig verselbstständigt haben. Zumindest war das wichtig als Grund für die sehr, sehr brutale Niederschlagung der Proteste.
Was glauben Sie, wie wird das ausgehen? Wohin führen die Proteste in Bahrain?
Ich könnte mir schon vorstellen, dass es am Ende in Bahrain Reformen geben wird. Alles andere wären auch wirklich schlimme Szenarien, die möglicherweise dann auch ausländische Mächte auf den Plan rufen könnten.
Die Fragen stellte Jörg Brunsmann
Redaktion: Diana Hodali/Thomas Latschan