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America First - notfalls mit Sanktionen

27. Juli 2017

Die Bundesregierung warnt, deutsche Unternehmen könnten durch neue US-Strafmaßnahmen gegen Russland leiden. Die Wirtschaft hält politische Gründe für vorgeschoben: Es gehe um Hilfe für die US-Fracking-Industrie.

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Nordstream Baustelle Lubmin 2011
Bild: Imago

Die US-Pläne für neue Russland-Sanktionen schüren die Furcht vor Auswirkungen auf europäische Firmen und lassen in Deutschland Rufe lauter werden, notfalls mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries beklagte, dass deutschen Unternehmen Schaden drohe und warnte vor einem Handelskrieg mit den USA.

"Es gibt die Möglichkeit von Gegensanktionen, das sieht die Welthandelsorganisation so vor", sagte Zypries in der ARD. Auch die Europäische Union ist auf Gegenmaßnahmen eingestellt. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft stieß in das gleiche Horn. Es sei zwar das allerletzte, was man sich wünsche, aber man müsse sich die Möglichkeit von Gegensanktionen offenhalten, sagte der Geschäftsführer des Verbandes, Michael Harms, in Berlin.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Dienstag einen Gesetzentwurf verabschiedet, der geltende Strafmaßnahmen gegen Russland verschärft. Damit soll Russland für die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die Unterstützung von Präsident Baschar al-Assad im syrischen Bürgerkrieg und eine mutmaßliche Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl bestraft werden.

Gaspreise für Europa bald in Washington gemacht?

Im Zentrum der Sanktionspläne steht dabei der Energiebereich. Im Öl- und Gasgeschäft sind die USA ein Konkurrent Russlands. Daher rührt Kritik, dass die USA aus den Sanktionen auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen wollen.

Im Zentrum des Unmuts in Deutschland und der Europäischen Union stehen die Auswirkungen der US-Pläne auf nicht-amerikanische Firmen. Die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik werfen den USA vor, dies zu nutzen, um eigene Wirtschaftsinteressen in Europa zu durchzusetzen - nämlich um mehr Öl und Gas in den europäischen Markt zu drücken.

"Solche exterritorialen Wirkungen von solchen Sanktionen sind nach unserer Auffassung völkerrechtswidrig", sagte der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Jürgen Hardt, im SWR. Man werde nicht hinnehmen, dass die USA über Sanktionen Einfluss auf Europas Energiepolitik nehmen.

Unverblümter Gesetzestext

Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Harms kritisierte: "Die gewünschten Sanktionen gegen Pipelineprojekte sollen dazu dienen, die Energieexporte aus den USA nach Europa anzukurbeln, Jobs in den USA zu schaffen und die US-Außenpolitik zu stärken". Das stehe ganz offen im Gesetzentwurf. Ausdrücklich zielten die Vereinigten Staaten auch darauf ab, die geplante Gaspipeline-"North Stream II" in der Ostsee zu verhindern, die der russische Gazprom-Konzern mit europäischen Unternehmen bauen will. Auch das stehe im Gesetz.

Insgesamt seien internationale Firmen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien bedroht, die am Ausbau, der Modernisierung und dem Erhalt russischer Energie-Leitungen beteiligt seien. "Das Gesetz schwebt wie ein Damoklesschwert über europäischen Firmen, die sich im Energiesektor engagieren". Sorge bereite zudem, dass auch die Russische Bahn als Sanktionsziel genannt werde.

Kritik kommt auch vom deutschen BASF-Konzern, der über seine Tochter Wintershall seit langem mit russischen Partnern im Energiebereich zusammenarbeitet. Vorstandschef Kurt Bock bemängelte: "Sanktionen zu beschließen zulasten eines Dritten, nämlich zulasten Europas, und gleichzeitig die amerikanische Wirtschaft zu befördern nach dem Motto 'buy american gas' -  das ist schon bemerkenswert, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass Russland uns seit Jahrzehnten zuverlässig in Europa beliefert." Allerdings sei wohl das letzte Wort in Washington noch nicht gesprochen. Er hoffe, dass europäische Interessen doch noch berücksichtigt werden.

"Keine großen Wirkungen"

In der russischen Presse hieß es unter Berufung auf Quellen aus dem Moskauer Außenministerium, sollte US-Präsident Donald Trump den Gesetzentwurf unterzeichnen, werde die russische Seite Vergeltungsmaßnahmen ergreifen. Der mit großer Mehrheit im US-Abgeordnetenhaus verabschiedete Entwurf muss noch durch den Senat und dann noch von Trump unterzeichnet werden.

Ein Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin rechnet zwar nicht damit, dass sich die neuen US-Sanktionen besonders negativ auswirken. Jedoch dämpften sie die Hoffnung, dass die bestehenden westlichen Strafmaßnahmen in den nächsten Jahren aufgehoben würden, sagte Alexej Kudrin der Nachrichtenagentur Reuters. Die aktuellen Sanktionen drückten die Wirtschaftsleistung Russlands derzeit um 0,5 Prozent.

Die neuen US-Sanktionsvorhaben fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der sich der deutsch-russische Warenaustausch langsam wieder erholt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres stiegen die deutschen Ausfuhren nach Russland um 28,49 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, berichtet der Ost-Ausschuss.. Für das gesamte Jahr 2017 rechnet der Ost-Ausschuss nun mit einem weit stärkeren Anstieg der Russland-Exporte als bisher. Ein Plus von 20 Prozent sei realistisch, sagte Geschäftsführer Harms. Anfang des Jahres hatte die Interessenvereinigung, die deutsche Firmen in 21 Ländern unterstützt, mit zehn Prozent gerechnet.

Osteuropa meldet sich zurück

Die deutschen Handelsgeschäfte mit Russland haben in den vergangenen Jahren auch unter den Sanktionen gelitten, die die EU wegen der Annexion der Krim verhängt hatte. Moskau reagierte auf diese wiederum mit Gegenmaßnahmen. Russland war ab 2014 vor allem durch die Kombination aus Sanktionen, Ölpreisverfall und abgewertetem Rubel nach den Worten von Harms "dramatisch" getroffen worden. Die Wirtschaft habe sich aber inzwischen ganz gut gefangen. Er rechnet mit einem Wachstum von ein bis zwei Prozent für 2017.

Auch in andere Länder Osteuropas und Zentralasiens lieferten deutsche Unternehmen zuletzt deutlich mehr Waren. "Osteuropa meldet sich als Wachstumsregion für die deutsche Wirtschaft zurück", so Harms. "Die deutschen Exporte nach Osteuropa wachsen derzeit fast dreimal so stark wie der gesamte deutsche Export". In den ersten fünf Monaten kletterte das Handelsvolumen in die Region um mehr als ein Fünftel auf 52 Milliarden Euro. Die Exporte nahmen dabei um 18 Prozent zu, die Importe aus der Region um 22 Prozent.

wen/hb (rtrd, dpa, Archiv)