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'An einen Putsch sollen die nicht mal im Traum denken'

Das Interview führte Mathias Bölinger23. Mai 2006

Albrecht Conze, politischer Direktor der UNO-Mission in der DR Kongo, spricht im Interview mit DW-WORLD.DE über die bevorstehenden Wahlen im Kongo und die Rolle der Europäischen Truppen.

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Französische Soldaten griffen bereits 2003 im Ostkongo einBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

DW-WORLD.DE: Vielen Europäern ist noch nicht so wirklich klar, was der genaue Auftrag der EU-Truppen im Kongo ist. Wofür werden denn die Soldaten jetzt wirklich gebraucht?

Albrecht Conze: Die Soldaten müssen verschiedene erwartbare, mögliche oder sogar wahrscheinliche Krisenaugenblicke beherrschen. Ein erster solcher Krisenaugenblick ist um den ersten Wahlgang herum. In dem Moment, in dem die Ergebnisse bekannt werden, muss man sich genau anschauen, wer verloren hat und ob unter denen, die verloren haben, jemand ist, der vielleicht zu Gewalt greifen will. Man muss im Auge behalten, ob möglicherweise einer der Verlierer Privattruppen hat, mit denen er etwas anstellen kann. In der Zeit zwischen den Wahlgängen muss man dann insgesamt dafür sorgen, dass die Temperatur hier in der Stadt nicht überkocht. Dann kommt der zweite Wahlgang. Da gibt es nur noch zwei Kandidaten. Einer davon wird verlieren und es stellt sich die gleiche Frage wie beim ersten Wahlgang.

Das Mandat der deutschen Truppen ist ausdrücklich auf Kinshasa beschränkt. Kann man denn davon ausgehen, dass sich das dann auch wirklich alles im Großraum Kinshasa abspielen wird?

Dies ist das politische Nervenzentrum des Landes, hier wird sich tatsächlich entscheiden, ob das Wahlergebnis akzeptiert wird oder nicht. Größere Bewegungen für oder gegen den einen oder anderen Kandidaten außerhalb von Kinshasa werden keine nationalen Auswirkungen haben. Deswegen geht es wirklich um die Hauptstadt.

Es gibt Gerüchte, dass einzelne Politiker schon Milizen rund um Kinshasa zusammenziehen.

Wir sehen niemanden, der jetzt etwas zusammenzieht, wir sehen nur zwei Kandidaten, die hier schon immer Sondertruppen haben, die über das Abkommen von Pretoria hinausgehen. Das sind der jetzige Staatspräsident Kabila und einer der vier Vizepräsidenten, Jean-Pierre Bemba. Die muss man nach beiden Wahlgängen - je nach erwartetem Ausgang - besonders gut im Auge behalten.

Wie hat denn die Lokalbevölkerung den Einsatz der EU-Truppen aufgenommen, hat man das überhaupt wahrgenommen?

Richtig realisieren wird es die Bevölkerung erst, wenn die europäischen Soldaten plötzlich erscheinen und wenn sie sichtbar sein und überall in der Stadt herumfahren werden. Aber man kann jetzt schon sagen, dass die meisten hier positiv reagieren. Das hat man ja auch schon öfter in den Fernsehberichten der deutschen Korrespondenten gesehen. Man hört aber auch hier und da die Ansicht, dass das ein abgekartetes Spiel sei: Die Europäer kämen doch nur um einem Kandidaten zu helfen und möglicherweise die Europäer auszufliegen, wenn es brenzlig wird. Das sind zwei sich hartnäckig in der Stadt haltende Gerüchte. Die Europäer müssen dem jetzt energisch entgegentreten und genau sagen, warum die europäische Truppe kommt.

Nun ist ja eine mögliche Evakuierung tatsächlich einer der wichtigen Aufträge der europäischen Truppe.

Ja, aber nur einer unter mehreren.

Was war denn von ihrer Seite die Wunschliste an die Europäer?

Das haben wir in unserem Brief von Ende Dezember an die Europäische Präsidentschaft klar gemacht: Wir brauchen eine kurzfristige Hilfestellung im Rahmen unseres eigenen Mandats, um die Wahlen zu sichern. Und was das konkret heißt, hat man jetzt in Europa auch zunehmend verstanden. Das bedeutet Ermutigung der Bevölkerung: Ihr könnt frei wählen und wir sorgen dafür, dass die, für die ihr stimmt, dann hinterher auch tatsächlich ihre Funktionen übernehmen können. Und als zweites ist es ein Signal an alle, die sich in Uniform in Kinshasa herumtreiben: 'Bleibt in den Kasernen. Hier sind hochgerüstete europäische Soldaten, die den Prozess schützen. Lasst Euch nicht dazu bringen, für einen Kandidaten, der verloren hat, gegen die Bevölkerung vorzugehen! Einen Putsch solltet ihr euch nicht einmal in euren Träumen vorstellen. Es ist ein doppelter Auftrag: Abschreckung und Ermutigung. Da rechnen wir von den Vereinten Nationen sehr fest mit den Europäern.

Auch wenn die EU wesentlich weniger Soldaten in den Kongo schickt, als die ohnehin schon vorhandenen UNO-Truppen?

Was heißt weniger als die UNO? Die UNO hat 15.000 Soldaten im Osten stehen. Hier in der Stadt sind nur 1300 Mann stationiert. Die europäische Truppe wird eindrucksvoll genug sein, um den Auftrag zu erfüllen.

Albrecht Conze ist politischer Direktor der MONUC-Mission, die seit 2000 versucht, den Bürgerkrieg im Kongo unter Kontrolle zu halten. 2002 einigten sich die Konfliktparteien im südafrikanischen Pretoria offiziell auf ein Ende der Kämpfe, dennoch kommt es im Osten des Landes, wo der Großteil der UNO-Truppen stationiert ist, immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen.