Anda zieht Bilanz als Schröders Sprachrohr
28. Oktober 2005Der Job des Regierungssprechers erfordert Geschick und verbale Kampfkraft. Einstecken und Austeilen gehört dazu. Und ein sensibles Ohr am Zentrum der Macht.
Béla Anda war immer nah dran - am Gravitationszentrum der Macht. Für seinen Chef sollte er nicht nur Medienberater sein, sondern musste vor allem die Brände löschen, die Mitglieder der Regierung mit unbedachten Äußerungen oft lostreten. Und: er musste das, was der Bundeskanzler sagt, plant und entscheidet, vor der Öffentlichkeit vertreten. Das konnte manchmal eher ein Kampf als eine Informationsvermittlung sein, resümiert Anda mit einem spitzbübischen Lächeln im Gesicht: "Es gibt immer mal Momente, wo sie den Kopf hinhalten müssen. Aber trotzdem müssen sie da durch und sie müssen auch die Hitze dann aushalten können und die ist nicht zu knapp."
Florett statt Säbel
Narben sind offenbar nicht zurückgeblieben. Zumal Anda die verbale Verteidigung gut beherrscht. Dabei ficht er eher mit dem Degen als mit dem Säbel: Jedes Wort kann eine Bedeutung haben, wenn sich Anda auf der Regierungspressekonferenz den Fragen der Medienschar stellt. Wenn es darauf ankommt, ist aus dem Regierungssprecher allerdings keine Botschaft herauszuholen. Reden muss er trotzdem. Bei dem ein oder anderen Berliner Journalisten gilt er deshalb bisweilen als "Sagenichts". Anda kennt die Kniffe; er ist ein Medienfachmann durch und durch. Für den Journalisten und ehemaligen Ressortleiter bei der Bild-Zeitung war der Wechsel auf die andere Seite dennoch neues Terrain. 1998 wurde er stellvertretender Regierungssprecher, bevor der 2002 auf den Chefsessel vorrückte. "Das war ganz schön schwierig! Es ist etwas völlig anderes, auf dieser Seite zu arbeiten. Jedes mal, wenn ich gedacht habe: Mensch, das ist eine tolle Geschichte, dann musste ich mir auf die Zunge beißen, weil ich das ja natürlich nicht weitergeben durfte. Aber innerhalb von sieben Jahren lernt man ja hinzu."
Hermes oder Hiob
Der Regierungssprecher hat ein Aufgabenfeld mit zwei Richtungen, erklärt Béla Anda. Einerseits informiert er den Bundeskanzler und die Bundesregierung über die aktuelle Medienberichterstattung, andererseits setzt er die Öffentlichkeit über Entscheidungen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in Kenntnis. Das "Ministerium", das ihm dabei behilflich ist, ist das Bundespresseamt mit Standorten in Bonn und Berlin. Insgesamt 580 Mitarbeiter sollen für eine gute Presse der Bundesregierung sorgen. Sie entwickeln einerseits Kommunikationsstrategien für die Regierung und werten andererseits rund 100 deutsche und ausländische Zeitungen sowie mehr als 80 Fernseh- und Hörfunkprogramme aus. Über das Wichtigste berichtet der Regierungssprecher dem Kanzler persönlich. Mal ist er Hermes, mal Hiob. Außerdem berät er mit dem Chef über die Art der Kommunikation von Regierungsentscheidungen. Doch was davon kommt an die Öffentlichkeit? "Das wichtige am Job des Regierungssprechers ist zu erkennen, dass es eine Grenze gibt zwischen Information und Indiskretion. Und die muss man jeden Tag aufs Neue finden."
16.000 Emails im Monat
Das Bundespresseamt hat auch eine Betreuungsfunktion. So kümmern sich die Mitarbeiter um die in- und ausländischen Journalisten sowie alle interessierten Bürger. Pro Monat erreichen das Amt 16.000 Emails; rund 85.000 Menschen möchten sich jedes Jahr persönlich über die Arbeit der Regierung informieren. Das Bundespresseamt ist gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Regierung, Medien und den Bürgern. Wenn es mit der Vermittlung nicht läuft, steht zuerst das Presseamt am Pranger. Einer der Vorgänger Andas, Johnny Klein, lästerte einmal: "Die Hälfte der Belegschaft kann man rausschmeißen, dabei ist egal, welche." Eine Aussage, der sich der diplomatische Anda wohl kaum anschließen würde.
Botschaften aus dem Machtzentrum
Nicht nur bei den Willensbildungsprozessen, sondern auch im Vorfeld der Entscheidungsfindung ist der Regierungssprecher stets dabei - ob nun in den Kabinettssitzungen oder bei strategischen Runden im Kanzleramt. Für Anda war es stets wichtig zu wissen, wie Entscheidungen zustande gekommen sind, um die Kommunikation in den Medien besser abschätzen zu können. Dennoch verbringt er viele Stunden damit, unterschiedlichste Aussagen von Ministern zu kommentieren, zu relativieren oder gar zu dementieren. Sein wichtigster Ratgeber: die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, die er dann einfordert. Verhindern lassen sich spontane und öffentlichkeitswirksame Alleingänge der Ressortchefs aber sowieso nicht. der Auch innerhalb einer Regierung gibt es unterschiedliche Kräfte, sagt Anda und zuckt mit den Schultern. Das sei doch normal. Doch wie sieht es aus mit dem Informationsfluss von ganz oben? Anda war da immer zufrieden, wie er betont: "Also, ich habe eigentlich immer im Voraus von Entscheidungen gewusst. Das 'Voraus' hat allerdings variiert: mal war es länger, mal war es kürzer. Es gab aber auch sehr spontane Entscheidungen, die man im Vorfeld nicht kennen konnte."
Zugang zum Küchenkabinett
Niemals, erklärt er, habe er Dinge vertreten müssen, die er persönlich für falsch hielt. Das bedeutet nicht etwa, dass er in so einem Fall nichts gesagt hätte. Im Gegenteil: Andas Loyalität zu Schröder war so groß, dass er nichts falsch fand am Handeln seines Chefs. Doch wie eng war das Vertrauensverhältnis wirklich? Anda habe der Zugang zu Schröders Küchenkabinett gefehlt, hört man in Medienkreisen oft. Anda selbst sieht das anders. Er glaubt, dass der Zugang zum Bundeskanzler von der Hartnäckigkeit eines Regierungssprechers abhängt: "Er muss sich diesen Platz erkämpfen, erstreiten und manchmal müssen sie ihren Platz auch behaupten."
Erkämpfen und erstreiten musste sich Anda auch den Respekt der Journalisten. Denn bei einem Regierungssprecher ist klar: Er ist immer auch ein Verkäufer, der das Produkt Politik gewinnbringend auf den Meinungsmarkt bringen will und nach einer marktbeherrschenden Stellung strebt. Die Amtszeit Andas war von hohem Seegang und bisweilen schweren Sturmböen geprägt. Die Agenda 2010, Hatz IV und die Gesundheitsreform haben direkt vor Andas Büro zu Protesten und "vorrevolutionären Zuständen" geführt, erinnert sich Anda. Ähnlich hoch her ging es auch Anfang des Jahres 2002. Anda hatte in Washington kritische Fotos eines Journalisten im Empfang genommen, die unter ungeklärten Umständen verloren gingen. Er geriet unter Druck - die Opposition bezeichnete ihn als "Lügner". Bei solchen Gelegenheiten greift Anda dann doch eher zum Säbel als zum Florett: "Ich bin ein Anhänger der Philosophie, dass jeder Angriff relativ schnell und mindestens ebenso hart beantwortet werden muss. Deshalb muss ich das politische Umfeld im Blick behalten." Bis zur möglichen Wahl eines neuen Kanzlers oder einer Kanzlerin am 22. November wird Béla Anda weiterhin die verbalen Waffen bedienen. Wie es weitergeht: "Kein Kommentar", erwidert Anda lächelnd. Eine Aussage, die einem irgendwie bekannt vorkommt.