Andere Heimat, finsteres Tal
10. Mai 2014Rund 33 Millionen Besucher sahen im letzten Jahr deutsche Filme im Kino, das entspricht einem Marktanteil von 26 Prozent. So war es kein Wunder, dass die Stimmung unter den rund 1.800 Filmschaffenden bestens war, die sich bei strahlendem Wetter rund zwei Stunden über den Roten Teppich drängten, um ins Tempodrom zu gelangen. Dort begrüßte Moderator Jan Josef Liefers die Gäste zur Verleihung der Deutschen Filmpreise, die seit der Gründung der Deutschen Filmakademie vor zehn Jahren von den Akademiemitgliedern gewählt werden, auch wenn die Preisgelder aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters kommen. Liefers machte seine Sache ordentlich, und die Einspielclips und Showeinlagen waren besser als in vergangenen Jahren.
Die Österreicher machen das Rennen
In der deutschen Filmbranche gibt es das geflügelte Wort, dass die besseren deutschen Filmemacher eigentlich die Österreicher seien. Diese Ansicht bewahrheitete sich mal wieder an diesem Abend. Denn "Das finstere Tal", ein wunderbar sperriger Western, ist fast ausschließlich ein österreichischer Film: Für Regie, Drehbuch, Kamera und Schnitt waren Österreicher verantwortlich. Von dort stammen ebenfalls die meisten Schauspieler, und gedreht wurde ebenfalls in der Alpenrepublik. Nur der Produzent Stefan Arndt (X-Filme) machte das Werk zu einer Deutsch-Österreichischen Produktion, weshalb es für den Deutschen Filmpreis eingereicht werden konnte. Insgesamt in acht Kategorien gewannen die Filmschaffenden die Lola: Für die Beste Kamera (Thomas Kiennast), den Besten Ton (Dietmar Zuson, Christof Ebhardt, Tschangis Chahrokh), das Beste Kostümbild (Natasha Curtius-Noss), die Beste Maske (Helene Lang und Roman Braunhofer), das Bestes Szenenbild (Claus Rudolf Amler). Und Tobias Moretti wurde als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Auch für die „Beste Musik“ (Matthias Weber) wurde "Das finstere Tal“ prämiert. Allerdings stammt Weber aus Deutschland. Und schließlich ging auch die Lola in Silber in der Kategorie Bester Film an das Werk.
Exodus brachte die Hauptpreise
Ein riesiger Erfolg, der nur ein klein wenig überstrahlt wurde durch "Die andere Heimat“. Das Auswanderer-Epos von Regie-Altmeister Edgar Reitz schildert den Exodus der verarmten Deutschen in Richtung Brasilien in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein in jeder Hinsicht grandioses Werk. So räumte der Film gleich drei der Hauptpreise ab: Die Lola in Gold für den Besten Film (Produzent Christian Reitz), die Beste Regie (Edgar Reitz) und das Beste Drehbuch (Gert Heidenreich, Edgar Reitz). Für das Drama "Zwei Lebe" von Georg Maas gab es in der Kategorie Bester Film immerhin die Lola in Bronze.
Kinobesucherkönig
Dass der größte Kinoerfolg des Jahres "Fack ju Göthe“ von Regisseur Boran Dagtekin (über sieben Millionen Besucher) als besucherstärkster Film ausgezeichnet würde, war von vornherein klar. Zu mehr reichte es aber für die Schulcomedy nicht. Als "Beste Hauptdarstellerin“ gewann Jördis Triebel die Lola für ihre Rolle in "Westen“, die Geschichte einer Frau, die aus der DDR ausreist und im Westen der Spionage verdächtigt wird. Und den Preis für den "Besten Hauptdarsteller“ holte sich Dieter Hallervorden, der als fast 80jähriger Marathon-Läufer in "Sein letztes Rennen“ brillierte.
Tränen für Helmut Dietl
Zwei Preisträger waren bereits vorab bekannt: Der schwer erkrankte Regisseur Helmut Dietl wurde mit dem Ehrenpreis der Filmakademie ausgezeichnet. Er, der Kultfilme wie die Oscar-nominierte Komödie "Schtonk“ (über die vermeintlichen Hitler-Tagebücher) drehte oder "Rossini", eine geniale Persiflage auf die Filmbranche, kam mit wackligen Beinen und von seiner Krankheit gezeichnet auf die Bühne. Als er eine versöhnliche Danksagung an die von ihm einst heftig kritisierte Deutsche Filmakademie hielt, flossen nicht nur bei Akademiepräsidentin Iris Berben die Tränen.
Perspektive wichtiger als Preise
Das Schönste an der Preisverleihung aber war der Blick auf die nominierten Filme in Gänze. Dabei nämlich fiel auf, dass ganz unterschiedliche Genres bedient werden: Komödien und Liebesfilme, Gesellschaftsdramen und Auswanderergeschichten, Kinderfilme und Western. Und wenn ein Werk wie "Die andere Heimat“ gewinnt, ein fast vierstündiger Schwarz-Weiß-Film mit wenig bekannten Schauspielern, zeigt das auch die Bereitschaft, sich an ungewöhnliche Werke zu machen. Da passt es auch gut, dass der Bernd-Eichinger-Preis für besonders wagemutige Produzenten an Roman Paul und Gerhard Meixner von der Berliner Firma Razor Film ging. Sie haben unter anderem den Kriegsanimationsfilm "Waltz with Bashir“ oder "Das Mädchen Wadjda“ produziert. Letzterer schildert die Geschichte eines heranwachsenden Mädchens in Saudi-Arabien, das sich seinen Weg durch das rigide System bahnt. Es war der erste Spielfilm, der je in Saudi-Arabien gedreht wurde.