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Islam Anerkennung

Andreas Gorzewski28. Januar 2013

Bremen hat als drittes Bundesland islamische Verbände als Religionsgemeinschaften anerkannt. Feiertage, Bestattungen und Seelsorge werden mit Staatsverträgen geregelt. Andere Bundesländer sollen folgen.

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Finger einer Hand deutet auf Schrift in einem Koran (Foto: Ulrike Hummel)
Bild: Ulrike Hummel

Für den Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Erol Pürlü, war die Unterzeichnung des Staatsvertrags über den Islam in Bremen ein "Tag der Freude". In der Hansestadt wurden Mitte Januar drei Moscheeverbände offiziell als Religionsgemeinschaften anerkannt. "Damit wird deutlich gesagt, dass der Islam zu Deutschland gehört", so Pürlü. Bremen ist bereits das dritte Bundesland, das islamischen Organisationen diesen Status zuerkennt. Im vergangenen November hatte Hamburg einen ähnlichen Staatsvertrag geschlossen. Hessen sprach im Dezember zwei Islam-Verbänden einen eigenen Religionsunterricht zu und erkannte sie als Religionsgemeinschaften an.

In die jahrzehntelang festgefahrenen Beziehungen zwischen Bundesländern und Moscheeverbänden ist seit 2010 Bewegung gekommen. Seit langem wollen die großen islamischen Organisationen wie die Türkisch-Islamische Union (DITIB) oder der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Daran hängt unter anderem das Recht, einen eigenen Religionsunterricht an Schulen erteilen zu dürfen. Doch die Bundesländer wehrten alle Anträge ab, weil die Moscheeverbände nach deren Auffassung nicht die rechtlichen und strukturellen Voraussetzungen erfüllt hätten. Um dennoch Islamunterricht anzubieten und an Universitäten islamisch-theologische Lehrstühle einzurichten, entstand das Beiratsmodell. Neben den muslimischen Organisationen entsenden auch die Länder Vertreter in die Beiräte. Diese Gremien müssen anstelle einer anerkannten Religionsgemeinschaft Lehrinhalte und die Einstellung von Lehrpersonal absegnen.

Porträt von Erol Pürlü, Dialogbeauftragter des Verbands der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ) (Foto:Ulrike Hummel)
Erol Pürlü freut sich über den Staatsvertrag über den Islam in BremenBild: Ulrike Hummel

Islamische Feste als Feiertage anerkannt

Hamburg, Bremen und Hessen gingen auf unterschiedliche Weise einen Schritt weiter. In den beiden Hansestädten sind drei islamische Feste künftig religiöse Feiertage. Schüler können dann frei nehmen und Arbeitnehmer Urlaub beantragen. Außerdem dürfen die Religionsgemeinschaften Muslime in Gefängnissen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen betreuen. Die Muslime dürfen - im Rahmen der geltenden Vorschriften - Moscheen bauen und ihre Toten auf islamische Weise bestatten, also ohne Sarg.

Beim gemeinsamen Ramadan-Fastenbrechen essen am Donnerstagabend (12.10.2006) Menschen unterschiedlichen Glaubens miteinander. (Foto: dpa)
Ramadan-FastenbrechenBild: picture-alliance/dpa

Die Staatsverträge fassen im Wesentlichen Regelungen zusammen, die schon seit Jahren gängige Praxis sind. Im Alltagsleben der etwa 130.000 Muslime in Hamburg und 40.000 Muslime in Bremen dürfte sich zunächst wenig ändern. Für Pürlü sind die Verträge dennoch mehr als nur ein Symbol. So habe etwa die Feiertagsregelung eine neue Qualität. "Das steht nicht mehr im Ermessen der Behörden oder der Schulen oder der Arbeitgeber, sondern Muslime haben einen Rechtsanspruch darauf“, sagt Pürlü, der auch Dialogreferent des VIKZ ist.

Ein Mann hält ein Buch mit der Aufschrift "Koran" in den Händen (Foto: Arno Burgi)
Koran-Lektüre in deutscher SpracheBild: picture-alliance/ZB

Islam-Verbände wollen vor allem Religionsunterricht

Besonders wichtig ist den Islam-Verbänden der Religionsunterricht. Die Staatsverträge in Hamburg und Bremen sind an diesem Punkt jedoch nicht richtungweisend. In Bremen ist Religion kein ordentliches Unterrichtsfach. Im Hamburg gibt es einen gemischt konfessionellen Religionsunterricht. Muslime setzen deshalb auf die Entwicklung in Hessen, wo mehr als 10 Prozent der Muslime in Deutschland leben. Dort dürfen der DITIB-Landesverband Hessen und eine weitere Organisation nun jeweils einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht einführen.

Von Hessen erhoffen sich die Muslime laut Pürlü Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen. An Rhein und Ruhr leben etwa 1,3 Millionen Muslime. In NRW begann 2012 zwar ein bekenntnisorientierter Islam-Unterricht. Für das Fach ist jedoch ein Beirat verantwortlich. DITIB, VIKZ und die anderen Islam-Verbände sehen darin nur eine Übergangslösung, wie Pürlü betont. Sie wollen auch von der Landesregierung in Düsseldorf als Religionsgemeinschaften anerkannt werden und den Islam-Unterricht dann als Verbände gemeinsam, aber ohne Einmischung des Landes regeln. Der Erlanger Rechtswissenschaftler Heinrich de Wall meint dazu: "Wenn die Bremer und die Hamburger sagen, die DITIB ist Religionsgemeinschaft, dann wird es für die nordrhein-westfälische Landesregierung jedenfalls schwieriger zu sagen, sie sind keine Religionsgemeinschaft."

Mehr Förderung für Vereinsarbeit erhofft

Die Regelungen in den drei Bundesländern bedeuten keine Gleichstellung mit den Kirchen. Privilegien wie Kirchensteuern oder ein eigenes Beamtenrecht bleiben den Muslimen weiter vorenthalten. Dennoch verspricht sich der Sprecher des DITIB-Bundesvorstandes, Bekir Alboga, von der Anerkennung mehr öffentliche Förderung für die meist ehrenamtliche Arbeit der Verbände. Schon jetzt werden Integrations- und Fortbildungsangebote sowie die Qualifizierung von interreligiösen Dialogbeauftragten öffentlich unterstützt. "Wir machen wirklich eine sehr gute Arbeit. Die muss aber garantiert und gefördert werden, nicht nur durch Mitgliedsbeiträge, die nicht ausreichen, um diese Arbeiten zeitgemäß auszudehnen und vielfältiger zu gestalten", sagt Alboga.

Der Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime (KRM), Bekir Alboga (Foto: Oliver Berg dpa/lnw pixel)
Hofft auf mehr öffentliche Förderung: Bekir AlbogaBild: picture-alliance/dpa

Von staatlicher Förderung für Kindergärten und soziale Dienst können die Moschee-Verbände noch nicht nennenswert profitieren. "Natürlich kommt eine Gleichbehandlung der islamischen Gemeinschaften mit den kirchlichen Einrichtungen in Bezug auf Diakonie und Caritas nur dann in Betracht, wenn die Muslime in größerer Zahl karitative, diakonische Einrichtungen betreiben", sagt Professor de Wall. Das ist jedoch nicht der Fall.

Muslimische Kinder nehmen im Gebetsraum der Eyuep-Sultan-Moschee in Nürnberg an einem Koran-Unterricht teil (Foto: Joerg Koch/dapd)
Koran-Unterricht für KinderBild: dapd

Nach den Hansestädten und Hessen werden auf Dauer vermutlich noch weitere Länder einzelne Islam-Verbände als Religionsgemeinschaften anerkennen. Alboga hält ähnliche Regelungen auch in Reinland-Pfalz, dem Saarland, Baden-Württemberg und Niedersachsen für denkbar. Pürlü zufolge laufen die Gespräche mit einigen Landesregierungen bereits. Welche Länder das sind, möchte er jedoch noch nicht sagen.