Angela Merkel verabschiedet sich von Afrika
27. August 2021Offiziell heißt der Termin schlicht Compact-with-Africa-Konferenz. In Wirklichkeit geht eine Ära zu Ende. Zum vierten und letzten Mal hat Bundeskanzlerin Merkel afrikanische Staatschefs nach Berlin eingeladen, auch wenn pandemiebedingt einige nur zugeschaltet sind.
"Der Compact with Africa wirkt", sagt die Kanzlerin zum Auftakt über die gleichnamige Initiative, die Deutschland während seiner G20-Präsidentschaft gestartet hat. Privatinvestitionen in ganz neuer Höhe sollten dadurch nach Afrika fließen.
Eine zufriedene Kanzlerin
Vor allem deutsche Firmen wollte die Bundesregierung mit einem ganzen Bündel an Fördermaßnahmen für Afrika begeistern. Was aus Sicht der Kanzlerin gelungen ist: "Es gibt gute Grunde, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Besonderes Augenmerk gilt Investitionen in erneuerbaren Energien. Ihr Ausbau ist von enormer Bedeutung dafür, dass wir unsere globalen Klimaziele auch erreichen."
Auch die afrikanischen Staatschefs dürften zum Abschied freundliche Worte finden. "Es ist eine wichtige Initiative. Denn Afrika braucht Investitionen für seine Entwicklung. Man muss diese Partnerschaft zwischen Afrika und Europa, zwischen Afrika und Deutschland stärken", sagte der Kommissionschef, Moussa Faki, im Gespräch mit der DW.
Der kongolesische Finanzminister Nicolas Kazadi schlägt eine engere Zusammenarbeit bei der Energiewende vor. "Afrika wünscht sich also eine strategische Partnerschaft mit Deutschland in diesem Bereich, aber nicht nur als Rohstofflieferant, sondern wirklich als strategischer Partner, als vollwertiger Partner mit Deutschland", sagt er zum Auftakt.
Investitionen steigen moderat
Vom Enthusiasmus über den "Merkel-Plan" - wie ihn der ivorische Präsident Alassane Ouattara zum Start 2017 titulierte - ist aber nicht viel übrig. "Wenn ich mir die afrikanischen Länder heute im Vergleich zu der Zeit ansehe, in der die Kanzlerin diese Statements gemacht hat, dann bin ich mir nicht sicher, dass sich die deutschen Wirtschaftsaktivitäten signifikant erhöht haben", so die Einschätzung von Olumide Abimbola, Direktor der afrikanischen Denkfabrik APRI in Berlin.
In gewissem Sinne haben beide Seiten recht. Von 2017 bis 2019 sind die deutschen Investitionen in Afrika um rund 1,57 Milliarden Euro gewachsen. Ein eher moderater Anstieg. Noch immer bekommt der Kontinent nur gut ein Prozent aller deutschen Investitionen weltweit. Für 2020 liegen noch keine Zahlen vor, wegen der Pandemie dürfte sie aber stagnieren oder allenfalls leicht wachsen. Die Mehrheit der deutschen Firmen findet Afrika noch immer nicht attraktiv, 2019 investierten dort gerade mal 884 Firmen - 42 mehr als 2017.
Und das trotz zahlreicher Förderprogramme, die Merkels Regierung auf den Weg brachte. Darunter ein milliardenschwerer Investitionsfonds, mehr Beratungsangebote für Firmen und bessere Absicherungen und Garantien. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft ist der Ansicht, dass die Instrumente weiter ausgebaut werden müssen: "Dabei geht es insbesondere um die Reduzierung von Risiken und die Erleichterung der Finanzierung. Es geht aber auch darum, die Präsenz deutscher Politik auf dem afrikanischen Kontinent noch einmal deutlich zu verstärken", sagt der Hauptgeschäftsführer des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft, Christoph Kannengießer, zur DW.
Teures 'Made in Germany'
Auf afrikanischer Seite gibt es andere Meinungen, die nicht immer schmeichelhaft sind. Hinter vorgehaltener Hand klagen afrikanische Diplomaten, dass deutsche Firmen zu ängstlich seien, obwohl die Konkurrenz doch gute Geschäfte in Afrika mache. Zur Wahrheit gehört aber auch: Für die qualitativ hochwertigen, aber teuren deutschen Produkte gibt es in vielen Ländern nicht genug Kunden. Etwa zwei Drittel aller deutschen Umsätze und ein Großteil der Investitionen entfallen daher auf Südafrika, das vergleichsweise wohlhabend ist.
Unklar ist auch, wer am Ende profitieren wird. "Wir müssen sicherstellen, dass Investitionen in Afrika auch ihr Versprechen einlösen: dass Jobs entstehen, dass die Wirtschaft wächst, dass es nachhaltige Entwicklung gibt”, so Experte Abimbola im DW-Interview. Das verspricht auch die deutsche Bundesregierung.
Kritiker sagen dagegen, dass die vielen Förderprogramme Firmen nicht auf klare Sozialstandards festlegen. Auch die Auswahl der Compact-Länder ist umstritten: Obwohl nur sogenannte reformorientierte Länder mitmachen sollen, sind auch autoritäre Staaten wie Ruanda und Ägypten dabei. Auch Äthiopien gehört weiter dazu, trotz des blutigen Konflikts in der Tigray-Region.
Wie geht es nach der Wahl weiter?
Beim Treffen am Freitag dürften die afrikanischen Staatschefs der Noch-Kanzlerin eine wichtige Frage stellen: Wie geht es nach der Bundestagswahl weiter? Neben Angela Merkel wird auch Entwicklungsminister Gerd Müller der neuen Regierung nicht mehr anhören. Damit gehen die beiden wichtigsten Architekten der neuen deutschen Afrikapolitik von Bord.
Merkel habe sich in Afrika sehr engagiert, so die Bilanz von Wirtschaftsvertreter Kannengießer: "Wir hoffen, dass sich zukünftige Wirtschafts- und Außenminister wieder verstärkt mit Wirtschaftsdelegationen nach Afrika begeben, aber konkrete Projekte auch mit entsprechender politischer Flankierung unterstützen."
Noch aber ist nicht klar, wer die Regierungsämter im Herbst in Berlin übernimmt - und wie viel Aufmerksamkeit eine neue deutsche Regierung in Zeiten von Klimawandel und Corona-Pandemie Afrika überhaupt schenken wird.
Dieser Artikel wurde nach dem Auftakt der Konferenz am 27.08.21 aktualisiert.