Angriff auf iranische Botschaft in Syrien: Fünf Fragen
2. April 2024Was genau ist in Damaskus passiert?
Am Montag kommt es zu einer Explosion in einem Haus an der vielbefahrenen Fayez-Mansour-Road im Westen von Damaskus. Es handelt sich um das Konsulargebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt. Das Gebäude wird völlig zerstört, mindestens 13 Menschen kommen dabei jüngsten Angaben zufolge ums Leben. Unter ihnen befinden sich auch zwei ranghohe Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden: Mohammed-Resa Sahedi, Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, sowie sein Stellvertreter Mohammed Hadi Hadschi Rahimi. Sahedi soll besonders intensive Verbindungen zu Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gepflegt haben.
In dem Haus befanden sich die Residenzräume des iranischen Botschafters Hossein Akbari. Dieser hatte sich jedoch zum Zeitpunkt des Anschlags im nebenan gelegenen Hauptgebäude der Botschaft aufgehalten und die Explosion deshalb überlebt. Akbari sprach von sechs Raketen, die von F-35-Kampfjets abgefeuert worden sein sollen und das Konsulargebäude in kurzen Abständen getroffen hätten. Das syrische Verteidigungsministerium sprach von einem Beschuss, der von den von Israel besetzten Golanhöhen ausgegangen sein soll.
Wer sind die Al-Kuds-Brigaden?
Für den Iran ist der mutmaßliche Angriff ein schwerer Schlag. Die Al-Kuds-Brigaden sind auf Auslandseinsätze spezialisierte Eliteeinheiten der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). Offiziell sind sie rund 5000 Mann stark und direkt dem Obersten Revolutionsführer, Ajatollah Ali Khamenei, unterstellt. Die Al-Kuds-Brigaden wurden im Zuge des Iran-Irak-Krieges Anfang der 1980er Jahre gegründet und sollen die Ziele der Islamischen Revolution von 1979 aktiv in der gesamten muslimischen Welt verbreiten.
"Al-Kuds" ist der arabische Name Jerusalems und durchaus programmatisch zu verstehen - die Eroberung der für Juden, Christen und Muslime gleichermaßen heiligen Stadt ist eines der langfristigen Hauptziele der Organisation. Die Al-Kuds-Brigaden arbeiten hierzu mit anderen radikal-islamistischen, israelfeindlichen Organisationen wie der palästinensischen Hamas oder der libanesischen Hisbollah zusammen und werden ebenso wie diese von den USA als Terrororganisation eingestuft. Auf der Terrorliste der EU stehen die Garden bislang jedoch nicht. Ranghohe Mitglieder der Al-Kuds-Brigaden sind unter anderem regelmäßig als "militärische Berater" im Irak, Syrien und dem Libanon aktiv, koordinieren dort militärische und paramilitärische Operationen und vergrößern somit den Einfluss Teherans auf diese Staaten.
Wie reagieren Syrien und der Iran?
Irans Oberster Revolutionsführer Khamenei und der iranische Präsident Raisi machten Israel für den Luftangriff verantwortlich und drohten mit Vergeltung. Das "feige Verbrechen" werde "nicht unbeantwortet bleiben", erklärte Raisi in einer von der Präsidentschaft veröffentlichten Stellungnahme, in der er den Angriff in Damaskus als "unmenschlichen, aggressiven und verachtenswerten Akt der Invasion" und als "eklatante Verletzung internationaler Regeln" verurteilte. Auch die syrische Regierung verurteilte die Attacke scharf. Die libanesische Hisbollah erklärte, der Luftangriff in Damaskus werde "nicht ohne Folgen bleiben".
Auch mehrere arabische Staaten sowie Russland und China verurteilten den Angriff mit dem Hinweis darauf, dass die Sicherheit diplomatischer Einrichtungen nicht verletzt werden dürfe. Auf Antrag Russlands befasst sich am Dienstag der UN-Sicherheitsrat in einer öffentlichen Sitzung mit dem Angriff.
Warum greift Israel vermehrt Ziele in Syrien an?
Die israelische Armee kommentiert in der Regel keine Angriffe in Syrien und äußerte sich auch dieses Mal bislang nicht zu dem Vorfall. Israels Luftwaffe bombardiert jedoch immer wieder Ziele in Syrien und dem Libanon. Damit will es den wachsenden militärischen Einfluss Teherans zurückdrängen. Seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund einem halben Jahr haben diese Angriffe zugenommen. Erst am Sonntag hatte die israelische Armee eine militärische Forschungseinrichtung in der Nähe von Damaskus mit vier Raketen angegriffen. Nur zwei Tage zuvor waren bei schweren Luftangriffen in der Provinz Aleppo im Nordwesten Syriens mehr als 50 Menschen getötet worden. Es soll sich dabei überwiegend um syrische Militärangehörige und Mitglieder der Hisbollah-Milizen gehandelt haben.
Auch gezielte Tötungen ranghoher Mitglieder der Al-Kuds-Brigaden seitens Israels oder seiner Verbündeter hat es bereits mehrfach gegeben. Besonderes Aufsehen erregte vor vier Jahren ein Drohnenangriff der US-Armee, bei dem einer der mächtigsten Generale der Organisation, Ghassem Soleimani, getötet worden war. Besondere Brisanz erhält der jüngste mutmaßliche Luftangriff in Damaskus jedoch vor allem dadurch, dass er auf ein Gebäude der iranischen Botschaft - und damit staatsrechtlich auf iranischem Territorium - durchgeführt wurde.
Wie groß ist die Gefahr einer weiteren Eskalation?
Unter die Reaktionen aus Teheran mischen sich mittlerweile vermehrt Stimmen, die eine militärische Antwort nicht ausschließen. "Der Iran behält sich sein legitimes und inhärentes Recht nach internationalem Recht und der Charta der Vereinten Nationen vor, auf solche verwerflichen Handlungen entschieden zu reagieren", schrieb Zahra Ershadi, Irans UN-Botschafterin nur wenige Stunden nach dem Angriff in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres.
Von einer "neuen Qualität" israelischer Angriffe auf iranische Ziele und einer signifikanten Erhöhung der Spannungen" zwischen Iran und Israel spricht Hamidreza Azizi, Gastwissenschaftler an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), in einem Thread auf der Kurznachrichtenplattform X.
Ihm zufolge werde die jüngste Attacke in Damaskus von einigen Hardlinern im Iran als "direkte Kriegserklärung" aufgefasst. Tatsächlich beobachtet Azizi eine Verschiebung militärischer Ziele seitens der israelischen Armee. Diese habe in der Vergangenheit eine direkte Konfrontation mit iranischen Zielen gemieden. Erst seit Beginn des jüngsten Gaza-Krieges habe Israel vermehrt auch hochrangige iranische Kommandeure in seinen Nachbarstaaten ins Visier genommen.
Teheran wiederum befinde sich nun in einer Zwickmühle, so der iranisch-stämmige Politologe weiter. Das Ausbleiben einer Reaktion, meint Azizi, könnte Irans Position bei seinen Verbündeten erheblich schwächen und seine Streitkräfte und Kommandeure weiteren Angriffen aussetzen. Deshalb dürfte sich Teheran zu einer militärischen Antwort gezwungen sehen. Wie groß diese ausfallen werde, sei jedoch ungewiss.