Angst in Gaza
20. November 2012Gaza ist eine Geisterstadt. In der sonst so lebendigen Metropole am Mittelmeer steht das Leben seit einer Woche still. Der Omar Al-Mukthar-Boulevard, sonst die Flaniermeile, ist wie ausgestorben. Die meisten Geschäfte sind geschlossen. Wer nicht auf die Straße muss, bleibt zuhause, denn nie ist sicher, wo und wann der nächste Angriff aus der Luft kommt. Immer wieder wird die gespenstige Ruhe von einem lauten Knall unterbrochen. Meist heulen danach die Krankenwagen.
Auch Familie Galadja bleibt nichts anderes als abzuwarten. Im Wohnzimmer sitzt die Familie zusammen. Der 16-jährige Sohn Mohammed hat Ringe unter den Augen. "Man kann nicht schlafen, man fühlt sich nirgends sicher. Ich habe die ganze Zeit nur Angst." Mohammed will nächstes Jahr Abitur machen. Das scheint nun in weite Ferne gerückt. "Wie soll ich denn hier lernen, in dieser Situation?", sagt er traurig.
"Nachts ist es besonders schlimm"
Die Erwachsenen können nur versuchen, Sicherheit zu vermitteln. Aber die gibt es eigentlich gar nicht, meint Rana Galadja, im siebten Monat schwanger. "Natürlich habe ich Angst, aber ich muss sehr stark sein, damit meine Kinder das nicht merken. Wenn sie nachts angreifen, dann ist es besonders schlimm. Es ist einfach schrecklich.“
Die Zerstörungen in der Stadt, die sich gerade erst etwas vom letzten Krieg Ende 2008 erholt hatte, sind überall zu sehen. Polizeistationen, das Innenministerium, das Fussballstadion und viele andere Orte liegen in Trümmern. Das israelische Militär greift Strukturen der Hamas an und will damit dessen militärische Stärke ausschalten. Doch in dem kleinen, eng besiedelten Gazastreifen mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern ist es fast unmöglich, nicht auch unbeteiligte Zivilisten zu treffen.
Keine Schutzkeller und Bunker
Asmaa Alghoul ist gerade von einer Preisverleihung in den USA zurückgekehrt. Die zweifache Mutter ist Bloggerin und Aktivistin. Vor einem Jahr haben die Aktionen der Gruppe "Gaza Youth Breaks Out" für Schlagzeilen gesorgt. Darin hatten die jungen Leute die Hamas-Regierung scharf kritisiert. "Wir sind wie Marionetten in diesem Konflikt. Es ist schlimm", sagt die junge Frau. Es sei ein sehr brutaler Krieg, meint Alghoul. Denn es gibt in Gaza keine Schutzkeller und Bunker. Politisch gesehen nutzt dieser Konflikt der Hamas: "Auch die Leute, die nicht hinter der Hamas stehen, spüren jetzt, dass sie zusammen stehen müssen. Israel kann Gaza nicht einfach jedes Mal angreifen und die gesamte Bevölkerung terrorisieren", sagt sie.
Dann kracht es wieder, auch die Hotelwände wackeln. Kurz darauf ein lautes, zischendes Geräusch. Militante schießen eine Rakete ab, mitten im dichtbesiedelten Wohngebiet. Auch sie nehmen keine Rücksicht auf die Bevölkerung, denn oft attackiert Israel die Abschussstellen.