Angst um den Frauenfußball in Afghanistan
22. August 2021Das Interesse an der Qualifikationsgruppe B für den Asien-Pokal der Frauen 2022, der am 23. September beginnen soll, wird größer sein als sonst.
Afghanistan wurde Vietnam, den Malediven und dem Gastgeberland Tadschikistan zugelost. Doch ob das afghanische Team nach Duschanbe reisen darf, ja ob es dann überhaupt noch existiert, wird ein Hinweis für die Haltung der Taliban gegenüber Frauen sein, wenn sie komplett an die Macht zurückkehren.
Die rasche Eroberung Kabuls durch die Islamisten hat die Welt überrascht - zwei Jahrzehnte, nachdem eine von den USA angeführte Invasion im Jahr 2001 ihre ersten fünf Jahre an der Macht beendet hatte. Damals wurde das Ghazi-Stadion in Kabul weltweit bekannt, nicht durch Fußball, sondern wegen der Hinrichtungen von Menschen, die gegen die strengen Gesetze der Taliban verstoßen hatten.
Frauen durften das Haus nur in Begleitung eines männlichen Vormunds verlassen und mussten sich vollständig mit der Burka verhüllen. Sie durften nicht arbeiten und Mädchen durften nicht zur Schule gehen - geschweige denn Fußball spielen. Und es steht zu befürchten, dass das zweite Islamische Emirat in Afghanistan ähnlich regieren wird wie das vorherige ultrakonservative Regime.
Die Gründerin und ehemalige Kapitänin der afghanischen Frauen-Nationalmannschaft, Shamila Kohestani, war während der ersten Regierungszeit der Taliban ein Kind, dennoch kann sie sich noch gut daran erinnern. Die heute 33-Jährige verfolgte am 17. August, wie Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid auf einer Pressekonferenz in Kabul erklärte, dass Frauen dieses Mal arbeiten und studieren dürften und "sehr aktiv in der Gesellschaft sein werden, aber im Rahmen des Islam".
Kohestani glaubt, dass dies die Befürchtung bestätige, dass es keinen Fußball für Frauen geben werde. "Sie sagen, dass sie Frauen erlauben werden, unter der Scharia zu arbeiten, aber die Scharia, die sie kennen, erlaubt es Frauen nicht, Sport zu treiben", sagte sie der DW.
Frauenfußball in Afghanistan
Afghanistans Fußballerinnen gaben im Jahr 2010 das erste Lebenszeichen von sich, als die Frauen ihr erstes Länderspiel bestritten - ein Freundschaftsspiel gegen Nepal.
"Wir wollten nicht zur Weltmeisterschaft fahren oder so, das war nicht wichtig", sagt Kohestani. "Es war ein erster Schritt in Richtung Chancenfreiheit, für die nächste Generation, die in der Lage sein wird, sich international zu messen und die afghanischen Frauen der Welt zu zeigen."
Für die Spielerinnen, die den Hidschab tragen, ging es um mehr als Fußball. "Wir haben in einem von Männern dominierten Sport gespielt und für dieses Recht gekämpft. Es wurde uns nicht in die Wiege gelegt. Es hat mein Leben völlig verändert und mir das Selbstvertrauen gegeben, aus dem Schneckenhaus herauszukommen, in das mich die Taliban als Kind gesteckt hatten. Für uns alle war es dasselbe. Es war ein Afghanistan, wie ich es mir nie erträumt hatte."
Durch die sowjetische Besatzung von 1979 bis 1989, den Bürgerkrieg in den Jahren 1992 bis 1996 und die anschließende Taliban-Herrschaft war der Sport in dem Land komplett in den Hintergrund geraten.
Die Fußball-Nationalmannschaft der Männer kehrte im Januar 2003 auf die internationale Bühne zurück und gewann ein Jahrzehnt später die Südasien-Meisterschaft. Die Schießereien in Kabul waren da eher Freudenschüsse, denn die Nation war im Jubel vereint. Hamid Karsai, der von 2001 bis 2014 Präsident war, wurde dabei fotografiert, als er die Feierlichkeiten im Fernsehen verfolgte.
Männer und Frauen kamen zusammen, um sich die Spiele anzusehen. "Einige der Bilder von Frauen auf der Tribüne, die sich die Seele aus dem Leib schreien, gehören zu den freudigsten Bildern, die ich je aus Afghanistan gesehen habe", sagt Heather Barr von Human Rights Watch.
Der Skandal um sexuellen Missbrauch in Afghanistan
Es gab aber nicht nur Feiern und Tore.
Im Jahr 2018 beschuldigten einige Spielerinnen des Frauenteams Funktionäre des afghanischen Fußballverbands, darunter den Präsidenten Keramuddin Karim, des sexuellen Missbrauchs. Im Juni 2019 wurde Karim mit einer lebenslangen Sperre für den Fußball und einer Geldstrafe von einer Million Schweizer Franken belegt. Kohestani erinnert sich an einen schwierigen, aber bedeutenden Moment für die Frauen im Land.
"Wenn man als Frau in einem zutiefst patriarchalischen Land lebt, wird man für alles verantwortlich gemacht, und es ist schwer, sich zu outen und zu sagen: 'Das ist passiert'", sagt Kohestani. "So etwas hatte es in Afghanistan noch nie gegeben, und niemand hatte sich zuvor getraut, dies anzusprechen. Wir mussten hart kämpfen, aber wir haben den Frauen in Afghanistan gezeigt, was wir tun können."
Kohestani befürchtet, dass dieser Erfolg den Frauen unter dem neuen Regime nicht helfen wird. "Die Taliban werden das gegen uns verwenden und sagen: 'Deshalb müssen wir euch schützen, ihr könnt vielleicht in einem Büro arbeiten, aber ihr könnt nicht Fußball spielen'".
"Die Zulassung von Frauen zum Fußball wäre ein Schritt zu weit"
Ein Offizieller der Asiatischen Fußball-Föderation erklärte gegenüber der DW, dass es keine Mitteilung des afghanischen Fußballverbands zu den bevorstehenden Spielen der Qualifikation für den Asien-Pokal der Frauen 2022 gegeben habe.
Während sich die Welt fragt, was in dem Land geschehen wird, wäre der Auftritt des Teams in Tadschikistan ein deutliches Zeichen dafür, dass die neuen Taliban eine andere Einstellung zu Frauen haben als in der Vergangenheit.
Das zumindest scheint die Botschaft zu sein, die die neuen Machthaber vermitteln wollen. Am Dienstag, 17. August 2021, wurde ein Taliban-Vertreter live im afghanischen 24/7-Nachrichtensender TOLOnews von einer Moderatorin interviewt.
Saad Mohseni, Direktor der MOBY-Gruppe, zu der TOLOnews gehört, twitterte:
"TOLOnews und die Taliban schreiben wieder Geschichte: Abdul Haq Hammad, ranghoher Taliban-Vertreter, im Gespräch mit unserer (weiblichen) Moderatorin Beheshta heute Morgen. Undenkbar vor zwei Jahrzehnten, als sie das letzte Mal an der Macht waren."
In einem anschließenden Interview sagte Mohseni, die nächsten Wochen würden Aufschluss über die Absichten der Taliban geben. Die Menschenrechtsaktivistin Barr bezweifelt jedoch, dass es einen wirklichen Wandel gegenüber dem vorherigen Regime geben werde. "Wir hoffen natürlich, dass es im Vergleich zum letzten Mal einige Unterschiede geben wird, zum Beispiel dass einige Mädchen die Grundschule besuchen dürfen, aber Frauen das Fußballspielen zu erlauben, wäre ein Schritt zu weit und würde sie in den Augen ihrer Anhänger untergraben."
Für Kohestani geben die Taliban versöhnliche Zeichen von sich, solange noch US-amerikanische und europäische Truppen in Kabul seien und die Welt aufmerksam sei. "Jeder, der glaubt, dass sie sich geändert haben, irrt sich", sagt sie. "Ich habe nichts gesehen, was mich glauben ließ, dass das, was vorher passiert ist, nicht wieder passieren wird. Fußball zu spielen und Mädchen aus ganz Afghanistan zu rekrutieren, das war eine Freiheit, die wir zuvor nicht gespürt hatten, und es war wunderschön." Und Kohestani fügt hinzu: "Aber jetzt ist es vorbei."
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Calle Kops.