Sorgen in Berlin
29. April 2010Die Würfel sind gefallen. Auch Deutschland ist bereit, dem angeschlagenen EU-Partner Griechenland finanziell unter die Arme zu greifen. Dass diese Rettung den deutschen Steuerzahler teuer zu stehen kommen wird, ist bereits absehbar. Und was wird passieren, wenn auch in Portugal oder Spanien Hilfe brauchen? In die Angst vor einem Flächenbrand mischt sich die Wut auch vieler Politiker, dass es bislang noch nicht gelungen ist, die Finanzmärkte so zu regulieren, dass niemand mehr den Spekulanten zum Opfer fallen kann.
Es führt kein Weg daran vorbei, die Griechen brauchen finanzielle Hilfe. Nach langem Zögern hat das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesehen, allerdings beharrt sie darauf, dass diese Hilfe an Bedingungen geknüpft wird und nachhaltig sein muss.
"Glaubwürdig und schonungslos"
"Deutschland wird helfen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind", wiederholte Merkel am Donnerstag (29.04.2010). "Wir müssen darauf bestehen, dass die Überwindung der Krise durch ein nachvollziehbares, glaubwürdiges und auch schonungsloses Programm und die dazugehörige Analyse in Griechenland durchgesetzt wird." Zu oft hätte man genau das nicht erlebt – beispielsweise im Jahr 2000, als Griechenland dem Eurobereich beitrat.
Hilfe zur Selbsthilfe, so lautet das Credo, die Griechen sollen im Zeitraffer nachholen, was sie seit der Einführung des Euro versäumt haben. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, derzeit im fernen Brasilien unterwegs, listet die Bedingungen auf: "Der Kern der Lösung liegt in Griechenland", sagte Brüderle. "Sie müssen einen anderen Weg einschlagen, ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, aufhören, über ihre Verhältnisse zu leben."
Erst wenn der Internationale Währungsfond, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission das Sanierungsprogramm abgenickt haben, will die Bundesregierung die Bürgschaften für ihren Anteil an den Kredithilfen übernehmen. Über deren Höhe herrscht offiziell noch Unklarheit, im Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums, der in der kommenden Woche im Bundestag und im Bundesrat beschlossen werden soll, sind die zunächst genannten 8,4 Milliarden Euro für das erste Jahr in Klammern gesetzt worden. Bei den Summen für die folgenden zwei Jahre steht nur noch ein x als Platzhalter.
Lötzsch: "Pervers"
Derweil macht die Opposition Vorschläge, wie das selbst hoch verschuldete Deutschland die Milliardenhilfe finanzieren kann. Die SPD fordert eine Steuer auf Finanzgeschäfte, die Linke will die Banken an der Griechenland-Hilfe beteiligen. Die privaten Gläubiger dürften nicht außen vor bleiben, sagte die designierte Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Man müsse eben retten und regulieren. "Wir brauchen endlich eine wirksame Bankenabgabe, wir brauchen endlich eine Finanztransaktionssteuer und eine Millionärsabgabe", sagte Lötzsch. Sie fände es "geradezu pervers", dass auf den Bankrott von Staaten wetten könne. "Wir sind der Auffassung, man muss diese Wetten verbieten und wenn man sie nicht verboten bekommt, dann muss man sie wenigstens zu 99 Prozent besteuern."
Köhler: "Verbieten"
Bundespräsident Horst Köhler warf auf dem World Economic Summit in München der internationalen Finanzindustrie vor, mit unverantwortlichem Treiben zwar ihre eigenen Gewinne in die Höhe getrieben zu haben, aber Risiken für alle anderen zu produzieren. Dem entgegenzutreten, müsse für Demokratien ein zwingender Auftrag sein. "Ich glaube, dass die Euro-Gruppe gut daran täte, kraftvolle Vorschläge für ein neues Regelwerk vorzulegen", sagte der Bundespräsident. "Sie sollte dabei nicht davor zurückschrecken, einige Geschäftsarten schlicht zu verbieten."
Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, forderte in München mehr Regulierung. Die Finanzindustrie müsse zu einer dienenden Funktion für die Realwirtschaft zurückkehren.
Autor: Sabine Kinkartz
Redaktion: Oliver Samson