Angst vorm Absturz
16. März 2009Angola war einmal eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Erde. Um jeweils mehr als 20 Prozent wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2005 und 2006. 2007 erreichte Angola ein Plus von fast 17 Prozent und im vergangenen Jahr immerhin noch mehr als 13 Prozent. Damit hat sich die Wirtschaftsleistung seit dem Ende des Bürgerkriegs vor sieben Jahren mehr als verdreifacht.
Das Geheimnis des Aufschwungs: Ölexporte. Dieser immense Boom könnte durch die internationale Finanzkrise nun aber abrupt beendet werden. Noch ist allerdings in Luanda, der Hauptstadt Angolas, noch nicht viel von einem Ende des Wirtschaftswachstums zu spüren. Hotelpreise und Mieten schweben weiter in astronomischen Höhen - die Stadt gilt als teuerste Metropole der Welt. Selbst für einfache Zweizimmer-Wohnungen müssen etwa 4.000 US-Dollar Monatsmiete bezahlt werden - bar auf die Hand und ein Jahr im Voraus.
Doch das könnte sich bald ändern, sollte die Wirtschaft Angolas nicht mehr wie in den vergangenen Jahren weiter wachsen. Mit einer solchen Entwicklung rechnet die Londoner Analysefirma Economist Intelligence Unit (EIU). "Aufgrund des gesunkenen Ölpreises und der sinkenden Öl-Produktionsmenge wird die Wirtschaft in diesem Jahr um etwa 2 Prozent schrumpfen. Das wird für die Angolaner gravierende Konsequenzen haben", sagt Edward George, der für die EIU arbeitet.
Optimismus von politischer Seite
Anders die Regierung des Landes: Sie hält unbeirrt an ihrer Wachstumsprognose fest: "Wir sagen ein Wachstum von acht bis neun Prozent voraus", erklärt der angolanische Finanzminister Eduardo Leopoldo Severim de Morais. Auf dem zweiten deutsch-angolanischen Wirtschaftsforum Ende Februar in Berlin gab es für ihn nur eine Devise: Optimismus verbreiten! "Es gibt keine Wachstumskrise in Angola, es gibt keine Stagnation und schon gar keine Rezession. Wir werden weiter wachsen. Nicht mehr ganz so schnell wie in der Vergangenheit, aber es wird weiter Wachstum geben."
Die Economist Intelligence Unit schätzt allerdings, dass Angola aus dem Erdölexport in diesem Jahr nur noch 21 Milliarden Dollar einnehmen wird - 2008 waren es noch 65 Milliarden US-Dollar. Das wäre ein Rückgang von mehr als zwei Drittel. Trotzdem gibt sich auch der Ölminister des Landes, José Maria Botelho de Vasconcelos, optimistisch. "Wie wir alle sehen, gibt es einen bedeutenden Rückgang beim Ölpreis. In fast sechs Monaten ist der Preis stark gefallen. Das wirkt sich auch auf unsere internen Einnahmen aus. Wir sind aber optimistisch, den Preisrückgang beim Erdöl umdrehen zu können."
Mehr Erdöl darf nicht gefördert werden
Höhere Preise pro Barrel bräuchte die Regierung in Luanda dringend. Sie hat ihren Haushalt mit 55 US-Dollar pro Barrel berechnet. Im vergangenen Jahr noch ein sehr konservativer Wert, in diesem Jahr bisher aber meist weit von der Realität entfernt. Aktuell notiert das Barrel um 45 Dollar.
Um mehr Einfluss auf die internationalen Ölpreise zu bekommen, ist Angola 2008 als Vollmitglied der Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) beigetreten. Derzeit hat das Land sogar die OPEC-Präsidentschaft inne. Doch Kehrseite der Mitgliedschaft sind heftige Produktionskürzungen. So darf Angola statt knapp zwei Millionen Barrel am Tag nur noch 1,5 Millionen Barrel produzieren.
Keine Vorsorge in guten Zeiten
Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, sagt EIU-Analyst Edward George: "Das Erdöl stellt etwa 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Angolas. Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft werden nun sinken, was vor sich allem auf den Staatshaushalt auswirkt. Die öffentlichen Investitionen müssen also im Jahr 2009 sinken. Diese beiden Dinge – der Rückgang der Fördermenge und der brüske Rückgang der öffentlichen Investitionen – bedeuten, dass das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen wird. Es ist unmöglich unter diesen Bedingungen zu wachsen!"
Edward George nimmt an, dass die Regierung zahlreiche Investitionen im Bereich Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau aufschieben muss. Dazu fehle ihr schlichtweg das Geld, denn es ist kein Sektor in Sicht, der das kriselnde Ölgeschäft auffangen könnte. Auch im traditionell zweitstärksten Exportzweig, der Diamantenwirtschaft lässt die Weltwirtschaftskrise Preise und Nachfrage purzeln.
Angola hat es aber in den Zeiten des Wunderwachstums versäumt, neben Diamanten und Öl zu diversifizieren. Und so erinnert sich erst jetzt die Regierung an einen Sektor, den sie in den Zeiten des Ölbooms fast komplett vergessen hatte: die Landwirtschaft.
Autor: Johannes Beck / Insa Wrede
Redaktion: Henrik Böhme