Vermisste Studenten: Ex-Ermittler angeklagt
25. August 2022Alle drei Punkte der Anklage gegen Jesús Murillo Karam wurden nach Angaben der Justizbehörden zugelassen: Verschwindenlassen von Menschen, Folter und Vergehen gegen die Justizverwaltung. Der 74-Jährige war Ende vergangener Woche vor seinem Haus in Mexiko-Stadt festgenommen worden. Außerdem kamen 80 weitere Verdächtige Gewahrsam, darunter Militärs, Polizisten und Mitglieder von Drogenkartellen.
"Historische Wahrheit"
Murillo Karam gilt als Architekt der sogenannten "historischen Wahrheit" über das Verschwinden der 43 Studenten eines linksgerichteten Lehrerseminars in dem südmexikanischen Dorf Ayotzinapa im September 2014. So wird die 2015 unter dem damaligen Präsidenten Enrique Peña Nieto vorgelegte offizielle Erklärung zu den Hintergründen der Tat genannt.
Demnach waren die Studenten von korrupten Polizisten verschleppt und an die Drogenbande Guerreros Unidos ausgeliefert worden. Bandenmitglieder sollen die Studenten für Angehörige eines verfeindeten Kartells gehalten, ermordet und die Leichen auf einer Müllkippe verbrannt haben.
Das Verschwinden der Studenten und ihre mutmaßliche Ermordung ist eines der schlimmsten Verbrechen in dem nordamerikanischen Land, in dem es Statistiken zufolge mehr als 100.000 Vermisste wegen Drogenkriminalität gibt.
Hintergründe weiter unklar
Die Familien der Studenten und unabhängige Experten der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte zweifeln die offiziellen Ermittlungsergebnisse aber an. Die Hintergründe der Tat sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt.
Laut eines kürzlich veröffentlichten Berichts der von Peña Nietos Nachfolger Andrés Manuel López Obrador ins Leben gerufenen Wahrheitskommission sind wohl alle Studenten tot. Bislang wurden allerdings nur Knochenfragmente von drei der jungen Männer gefunden und identifiziert.
Fehler ja, Verfehlungen nein
Bei der Anhörung am Mittwoch räumte der ehemalige Generalstaatsanwalt zwar mögliche Fehler ein, verteidigte laut Medienberichten allerdings die Ergebnisse seiner Ermittlungen. Grundsätzlich habe nie jemand seine Version der Ereignisse widerlegt, so Murillo Karam.
Unabhängige Experten und zuletzt auch die Wahrheitskommission warfen ihm dagegen vor, Beweise gefälscht zu haben, um den Fall nach nur vier Monaten abschließen zu können. Der möglichen Verwicklung des Militärs und anderer Behörden in den Fall sei nicht nachgegangen worden. Zudem seien Zeugen gefoltert worden.
mak/AR (dpa, rtr, afp)