Ann-Katrin Berger: "Ich will zur WM"
28. Februar 2019Schwache Form, seltsame Anforderungen eines neuen Trainers, ein abgelehnter Wechselwunsch, das sind Karrierehindernisse, denen sich Fußballprofis normalerweise gegenüber sehen. Doch für Ann-Katrin Berger verlagerte sich der Kampf im November 2017 weg von den Stadien und Trainingsplätzen, hin zu Krankenstationen und Operationstischen. Nur ein halbes Jahr, nachdem sie für Birmingham City im Finale des englischen Frauen-FA-Cups in Wembley vor über 35.000 Fans zwischen den Pfosten gestanden hatte, spürte die deutsche Torhüterin einen Knoten am Hals. Die Diagnose: Schilddrüsenkrebs.
"Es war ein Schock", sagt Berger der DW im weitläufigen Trainingskomplex ihres neuen Klubs FC Chelsea. "Als Fußballerin denkt man nicht über so etwas nach. Man muss ein gesundes Leben führen, man treibt jeden Tag Sport." Sie sei, so die Torfrau, "ein Mensch, der die Dinge so schnell wie möglich erledigen muss. Sofort nach der Diagnose habe ich mich also gefragt: Was soll ich jetzt, was muss ich jetzt tun?"
Aus der mentalen Stärke schöpfen
Im Dezember 2017 musste sie sich einer schweren Operation unterziehen. Der heute 28-Jährigen fehlte in dieser schwierigen Situation besonders ihre Familie, die im Südwesten Deutschlands lebt. Kraft schöpfte Berger aus ihrem Beruf. "Für mich war es keine Lösung, krank zu sein", sagt sie. "Als Sportler muss man jeden Tag kämpfen. Selbst auf meiner Position im Tor muss ich bei jeder Trainingseinheit kämpfen, um am nächsten Sonntag wieder auf dem Platz stehen zu dürfen. Torhüter genießen den schlechten Ruf, verrückte Leute zu sein. Ich weiß nicht warum. Ich würde mich selbst nicht als verrückt bezeichnen. Aber ich denke schon, dass die Mentalität einer Torhüterin mir auch in dieser Situation geholfen hat."
Sie sei nur bereit gewesen, das schlimmste Szenario zu akzeptieren, "wenn es denn auch wirklich passiert". Die Rückkehr in den Sport, den sie liebe, seit sie sich erinnern könne, sei die treibende Kraft für ihre schnelle Genesung gewesen. Nur 61 Tage nach ihrer Operation, nachdem sie in Sachen Fitness "wieder bei Null angefangen hatte", stand Berger wieder für Birmingham zwischen den Pfosten und hielt beim Sieg ihrer Mannschaft in der vierten Runde des FA-Cups gegen Reading FC ihren Kasten sauber. Dies sei ein unvergesslicher Moment gewesen, räumt Berger ein, die sonst eigentlich dazu neigt, ihre bemerkenswerte Genesung herunterzuspielen und lieber über Tugenden wie Teamwork, Professionalität und Mentalität zu sprechen. "Schritt für Schritt habe ich an diesem Tag meinen Job erledigt. Ich hatte etwas, wofür ich kämpfen konnte", sagt sie. "Wir haben das Spiel zu Null gewonnen, und es war eine gute Teamleistung. Ich denke, an diesem Tag haben sie tatsächlich für mich gespielt. Das war ein gutes Gefühl."
Jetzt beim englischen Meister
Weitere gute Gefühle folgten bald: Mit beeindruckenden Leistungen verhalf Berger Birmingham zu einem überraschenden vierten Platz in der Women's Super League, der obersten Frauenfußball-Liga Englands. Ende der vergangenen Saison wurde Berger von der englischen Profifußballer-Gewerkschaft ins "PFA-Team des Jahres" gewählt. Dann, nur 12 Monate nach ihrer Krebs-Diagnose, wurde sie für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nominiert. Im Januar schloss sie sich schließlich dem amtierenden Meister Chelsea an und hielt bei ihrem Heimdebüt, wieder ein wichtiger FA-Cup-Sieg, diesmal gegen Arsenal, erneut ihren Kasten sauber.
Die frühere Torfrau von Paris St. Germain und Turbine Potsdam muss sich nicht nur in England, sondern auch mit Blick auf die Nationalmannschaft einem harten Wettbewerb stellen. Ihr Ziel ist klar. Berger will in den Kader von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg für die WM im Sommer in Frankreich: "Es wäre schon ein Erfolg, überhaupt bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein. Aber wenn man eingeladen wird, will man natürlich auch spielen. Doch wir haben wirklich gute Torhüterinnen. Es wird also schwer. Aber nichts ist unmöglich." Das hat Berger schon mehr als einmal bewiesen.