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Fußball & Klimawandel

8. Mai 2012

Gegen den Klimawandel setzen Sportverbände und Vereine auf Solaranlagen oder Energiesparlampen. Doch das eigentliche Klima-Problem ist die steigende Zahl von Flügen zu internationalen Turnieren.

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Der Fussballspieler Xavi Alonso steigt aus einem Flugzeug (Foto: ddp images/AP Photo/Hektor Pustina)
Fußballer fliegen für Spiele rund um den Globus - die Anzahl der Spiele steigt und damit auch die Klima-BelastungBild: ddp images/AP Photo/Hektor Pustina

Ein bisschen ironisch ist es schon: Für ein Gespräch über Klimaschutz im Sport erreicht man Lutz Pfannenstiel irgendwo in Sao Paulo. Pfannenstiel arbeitet als Talent-Scout und Beauftragter für internationale Beziehungen beim deutschen Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim, er reist auf der Suche nach unentdeckten Talenten nach Südamerika oder Afrika, ist zum “Kontakte pflegen” in Sao Paolo.

Das wirkt widersprüchlich, angesichts Pfannenstiels Anliegen. Denn nach dem Ende seiner Karriere als Profi-Torwart gründete er Global United, einen Verein, der mit Fußballspielen und spektakulären Events auf den Klimawandel aufmerksam machen will. Um wirklich die Aufmerksamkeit der Menschen zu erreichen, braucht es mindestens eine extreme Medien-Aktion pro Jahr, glaubt der Ex-Profi. Deswegen plant er für 2014, vor der Fußball-WM in Brasilien, ein Spiel mit Stars in der Antarktis: „So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch nicht mehr geben“, sagt er. „Natürlich gibt's dort kein Stadion mit allem Drum und Dran – das wird ein ganz einfaches Spiel auf einem Flugfeld.“

Lutz Pfannenstiel und Mitspieler laufen auf einen Fußballplatz in Namibia (Foto: Global United)
Der Ex-Profi Lutz Pfannenstiel, im weißen Trikot, hat ein Team hochkarätiger Kollegen davon überzeugt, sich für den Klimaschutz stark zu machenBild: Global United

Es fehlt nicht an guten und gutgemeinten Events im Sport, etwas gegen den Klimawandel und für die Umwelt zu tun. Immer mehr Stadien erhalten Solardächer, bei Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen gehören grüne Aktionen inzwischen zum Standard. So sollen etwa bei den Olympischen Spielen in London neun Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen – geplant waren allerdings 20 Prozent.

Außerdem gibt es symbolische Aktionen wie die Beteiligung des europäischen Fußballverbands UEFA an der Earth Hour der Umweltorganisation WWF. Eine Stunde lang schaltete die Zentrale am Genfer See als Zeichen gegen den Klimawandel das Licht aus, an einem Samstagabend.

Peter Gilliéron, Chef der UEFA-Kommission für Fairplay und soziale Verantwortung, rief damals dazu auf, „Freunde, Familie und Kollegen davon zu überzeugen, mit einer einzigen Tat einen positiven Beitrag für unsere Erde zu leisten. Ein Beispiel wäre es, zu Fuß zur Arbeit zu gehen, anstatt das Auto zu benutzen.“ Aber von der Möglichkeit, ein paar Spiele weniger austragen zu lassen, sprach er nicht.

Tatsächlich entwickelt sich der Sportalltag in die entgegengesetzte Richtung: Die Wettbewerbe wurden mit Gruppenspielen und immer mehr Teilnehmern endlos aufgebläht. Noch 1991 waren es im Europapokal der Landesmeister 58 Spiele bis zum Finale, im Nachfolgewettbewerb Champions League sind es in der laufenden Saison 212. Dazu kommen immer mehr Jugendturniere – und natürlich auch immer größere Frauenfußball-Wettbewerbe. Pro Woche fliegen hunderte Flugzeuge Mannschaften samt Fananhang kreuz und quer durch Europa, um sie zu den Spielen zu bringen.

Fußballfans bei der WM 2010 im Stadion
Viele Fans reisen ihren Clubs hinterher, das belastet das Klima zusätzlichBild: Ryan Chapman

Den wirtschaftlichen Faktor darf man dabei nicht unterschätzen: Mehr Spiele bedeuten höhere Einnahmen beim Verkauf der TV-Übertragungsrechte, das war in den letzten 20 Jahren die Devise.

Vielleicht ein Grund, weshalb Verbände und Vereine das tatsächliche Problem nicht angehen wollen: Denn die Anzahl der Wettbewerbe zu reduzieren wäre doch eigentlich eine gute Möglichkeit, gegen den Klimawandel vorzugehen.

Auf eine entsprechende Anfrage schiebt die UEFA in einer offiziellen Stellungnahme den Schwarzen Peter den Fans zu. Sie seien selbst dafür verantwortlich, die CO2-Emissionen zu kompensieren, die sie bei Reisen zu weit entfernten Spielen verursachen. “Wir ermutigen die Fans aber, wo es geht, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen,” heißt es von der UEFA weiter. Auch Hoffenheim-Vertreter Pfannenstiel hält sich bedeckt: „Das wäre natürlich ein Eingriff in die Wettbewerbe“, sagt er und verweist lieber auf die kleinen Öko-Erfolge der Bundesliga-Vereine beim Wassersparen oder ihren Fahrgemeinschaften im Jugendbereich.

UEFA Präsident Michel Platini (Foto: ddp)
Die Fans sind für ihre CO2-Kompensation selbst zuständig, sagt die UEFABild: ddp images/AP Photo/Mindaugas Kulbis

Dass in der Sportbranche noch kein wirkliches Umdenken stattgefunden hat, weiß James Atkins, Gründer des Emissionshandelsunternehmens Vertis. „Es gibt eine Menge blöder Ideen, die nicht gut für das Klima sind“, sagt er und verweist auf die zwischenzeitlichen Pläne der englischen Premier League, einen Spieltag aus Werbegründen auf anderen Kontinenten auszutragen. Die Idee stieß allerdings auf den Einspruch des Weltfußballverbands FIFA und wurde fallengelassen. Atkins hat 2010 das Buch „Climate Change for Football Fans“ veröffentlicht: Fußball dient darin als Metapher für den Kampf gegen den Klimawandel: wie man mit großer Leidenschaft den Kampf gegen scheinbar übermächtige Gegner gewinnt.

Aber ob Fußballer selbst eine gute Vorbildfunktion abgeben? Atkins ist da skeptisch: „Wenn sie jung sind, machen sie gerne Dummheiten oder haben in der Garage einen Haufen Ferraris stehen.“ Auch das Verhalten der Funktionäre erinnert allzu oft an einen Ablasshandel für´s schlechte Gewissen: Aufforderungen an andere, zu Fuß zu gehen oder das Verhalten zu ändern, aber das eigene lukrative Geschäft auch auf Klimakosten immer weiter auszudehnen, wirken nicht allzu überzeugend. Der übermächtige Gegner, gegen den sie gewinnen müssten, sind sie selbst.

Autor: Martin Reeh

Redaktion: Gianna Grün