Anspannung vor der Wahl in Sierra Leone
5. März 2018Zwei Frauen und 14 Männer kandidieren für das höchste Staatsamt in Sierra Leone. Der amtierende Präsident, Ernest Bai Koroma ist nicht dabei. Zwei Amtszeiten lang hat er das Land regiert, mehr erlaubt die Verfassung nicht. Sein All People's Congress (APC) ist neben der Sierra Leone People's Party (SLPP) eine der beiden großen Parteien, die die Politik des westafrikanischen Staates seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1961 entscheidend geprägt haben. Die vielen weiteren Parteien sind klein und spielten bisher kaum eine Rolle.
Das könnte sich nun ändern, denn zwei neue Parteien sind bei der Wahl am 7. März mit dabei und machen das Rennen ums Präsidentenamt spannend. Sie könnten den etablierten Parteien etliche Stimmen wegschnappen: Kandeh Yumkella trennte sich von der SLPP und gründete vor drei Monaten die National Grand Coalition (NGC). In Sierra Leone kennt man Yumkella als früheren Handelsminister und ehemaligen UN-Mitarbeiter. Sein Versprechen: mehr Jobs für junge Menschen zu schaffen. Gerade in der Hauptstadt Freetown gewann Yumkella in kurzer Zeit viele Anhänger. "Er spricht viele Menschen an, die davon überzeugt sind, dass die alte Politik von APC und SLPP den Fortschritt im Land verhindert", sagte Analyst Lansana Gberie.
Veränderung verspricht auch Samuel Sam-Sumana, bis 2015 Vize-Präsident und in dieser Wahl Präsidentschaftskandidat der neuen Coalition for Change (C4C).
Ausschreitungen zwischen Anhängern der großen Parteien
Zwar sind viele Beobachter davon überzeugt, dass entweder der Schützling des scheidenden Präsidenten, Samura Kamara von der APC, oder SLPP-Kandidat Julius Maada Bio Sierra Leones nächster Präsident wird - aber vermutlich nicht im ersten Wahlgang. Sollten sie in einer Stichwahl erneut gegeneinander antreten, könnte entscheidend sein, welche Empfehlungen die Konkurrenten ihren Wählern für die Stichwahl mitgeben.
Sollten die neuen Parteien ins Parlament einziehen, könnte das zudem die gesamte politische Dynamik des Landes verändern, sagen Beobachter. Denn bisher galt das Parlament weitgehend als verlängerter Arm des Präsidenten.
Der Wahlkampf in den vergangenen Wochen verlief hitzig und wurde an mehreren Orten von Ausschreitungen auf den Straßen überschattet. In der Heimatstadt des APC-Kandidaten Kamara wurde die Autokolonne des SLPP-Kandidaten Bio angegriffen - Schüsse fielen, Steine flogen, mehrere Menschen wurden verletzt. Wer dahinter steckt, ist nicht klar. "Die Fronten sind abgesteckt, jetzt zeigen wir ihnen, mit wem sie es zu tun haben!", schrieb ein SLPP-Anhänger danach auf Facebook.
Streit gibt es hauptsächlich zwischen APC- und SLPP-Anhängern, auch in der Hauptstadt Freetown kam es zu Ausschreitungen zwischen ihnen. Die Lage ist so angespannt, dass Mediation von außen nötig scheint: Ghanas Ex-Präsident John Mahama vermittelt bei "Friedens-Gesprächen" zwischen den Spitzenkandidaten. Er ist zurzeit in Sierra Leone, als Vorsitzender der Wahlbeobachtungs-Mission des Commonwealth.
Top-Thema: Korruption
Ein Thema, das die Menschen in Sierra Leone besonders bewegt, ist die stark verbreitete Korruption. Die prangern die Herausforderer des amtierenden Präsidenten an - gerade im Zusammenhang mit der Ebola-Epidemie, die zwischen 2014 und 2016 fast 4000 Menschen im Land das Leben kostete. 5,7 Millionen US-Dollar seien nicht richtig verbucht worden, fiel 2015 bei einer Prüfung der Spenden und Ausgaben zum Kampf gegen Ebola auf.
Auch in Sierra Leones erster TV-Debatte vor einer Präsidentenwahl war die Korruption eines der Haupt-Themen. APC-Kandidat Kamara musste scharfe Kritik seiner Herausforderer einstecken - auch in Bezug auf die beiden Vorzeige-Projekte der APC: Mit chinesischer Finanzierung ließ sie einen neuen Flughafen und eine Maut-pflichtige Straße von Freetown ins Landesinnere bauen. Viel zu teuer, hieß es von den anderen Kandidaten.
Genitalverstümmelung als Wahlkampf-Veranstaltung
Ein weiteres heikles Thema bestimmt den Wahlkampf: die Beschneidung von jungen Mädchen. Sierra Leone ist eines der wenigen afrikanischen Länder, in denen es kein Gesetz gegen Genitalverstümmelung gibt. Die Tradition ist weit verbreitet und wird auch für politische Zwecke genutzt: Kandidaten oder Parteien würden die Zeremonien bezahlen und sich damit Stimmen kaufen, sagt die Polizei in Sierra Leone - und sprach ein Verbot der Zeremonien aus - bis zur Wahl.
Am Wahltag ist auch der Verkehr eingeschränkt: Nur offizielle Fahrzeuge dürfen fahren, für die Wähler sollen Busse bereitgestellt werden. Die SLPP sieht darin eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Der amtierende Präsident Koroma verteidigt das Fahrverbot: "Die Polizei hat bereits Hinweise erhalten, dass Leute den Wahlprozess stören und mit Macheten herumfahren wollen."
Die Menschen in Sierra Leone hoffen darauf, dass sich die Stimmung nicht weiter aufheizt. In der Vergangenheit hat das Land bereits bewiesen, dass friedliche Machtwechsel möglich sind.