Anspruch und Wirklichkeit
28. August 2002Die, die dabei waren auf dem Erdgipfel von Rio 1992, berichten manchmal fast verträumt von der Aufbruchstimmung, die dort herrschte. Von der Hoffnung, die Staatengemeinschaft könne sich auf den Weg machen zu einer globalen Umwelt - und Entwicklungspolitik.
Ernüchternde Bilanz
Kaum ein Industrieland gibt derzeit - wie in Rio versprochen - 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe aus. Noch am weitesten vorangekommen sind die Staaten beim Klimaschutz, dem Kyoto-Protokoll also. Allerdings ohne die USA, die sich auch auf anderen Gebieten als Bremser hervortat.
Der Klimaschutz ist das Flaggschiff des Rio-Prozesses, die Lösung vieler anderer Probleme steht erst am Anfang. Seit 1992 hat die Verschuldung der Entwicklungs- und Schwellenländer um 34 Prozent zugenommen. Die Theorie schreitet voran: Längst wird anerkannt, dass Umweltzerstörung und Armut zusammenhängen, dass Umwelt- und Entwicklungspolitik gemeinsam handeln müssen.
Die Rolle der USA
Über 100 Staats- und Regierungschef wollen nach Johannesburg kommen - doch US-Präsident George Bush allerdings lässt sich von Außenminister Colin Powell vertreten. Bereits als der Präsident im Mai 2002 in Berlin war, nahm Bundestagspräsident Wolfgang Thierse kein Blatt vor den Mund: "Wir benötigen dringend gemeinsame Maßnahmen gegen eine entfesselte Ökonomie, die sich der Globalisierung zur Vermeidung ihrer sozialen Verpflichtungen bedient", appellierte Thierse.
Das Hemd ist näher als der Rock ...
Im praktischen Handeln konzentrieren sich aber vor allem die USA gerade nach den Anschlägen des 11. September auf sich selbst - und die Sicherheitslage. Unterstützt wird, wer in die Strategie des Anti-Terror-Kampfes passt. Und hinter den Unilateralismus der Amerikaner verstecken sich zahlreiche andere wichtige Länder - Kanada etwa, Russland oder Japan.
Nicht zufällig geht mit dieser Perspektiv-Verengung auch der Ausstieg aus dem Kyoto-Prozess einher - oder ein starkes Streichen der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und für erneuerbare Energieträger. "Sehen wir denn nicht, dass wir uns hier in eine Spirale der Entmenschlichung hineinbewegen", fragt Christoph Bals von der Umweltgruppe German Watch angesichts dieser Tendenzen.
Die Millenniums-Ziele der UNO
Im Jahre 2000 immerhin vereinbarten die Vereinten Nationen in New York die sogenannten Milleniums-Ziele: Halbierung der Armut bis 2015, Halbierung der Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu Wasser haben, ebenfalls bis 2015, Stopp der Ausbreitung von Aids bis zu diesem Zeitpunkt. Diese Ziele sollen in Johannesburg konkretisiert werden.
Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul fordert mehr wirtschaftliches Wachstum - und gleichzeitig mehr Ressourcenbewusstsein. "Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, durch Energieeffizienz dazu beizutragen, dass es ein Entkoppeln von Wachstum einerseits und Energieverbrauch andererseits gibt", erklärt sie.
Was nun?
Die Ernüchterung vor allem der Entwicklungsländer über den Prozess seit dem Umweltgipfel in Rio ist groß. Sie wollen nun vor allem Geld. Die Europäer versuchen zu vermitteln, die USA bremsen, wo es geht. Eine Erklärung soll verabschiedet werden in Johannesburg, die konkrete Maßnahmen, Zeitvorgaben und Ziele definieren soll. Es sei zu wenig, noch einmal nur feierlich eine bessere Zukunft zu beschwören wie in Rio, meint etwa Klaus Töpfer, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.
Um nicht am Ende ganz mit leeren Händen dazustehen, sollen neben der Erklärung in Südafrika bilaterale Abkommen - auch Projekte privater Art - aufgelistet und verabschiedet werden. Auch solche, die bereits angelaufen sind. Mit dieser Liste so genannter "Type II-Vereinbarungen", so argwöhnen Kritiker, werde allerdings nur Kosmetik an der beschämenden Bestandsaufnahme zehn Jahre nach Rio betrieben.