Winnie Mandela ist tot
2. April 2018Wie ihre Familie mitteilte, starb Winnie Madikizela-Mandela in einem Krankenhaus in Johannesburg. Die Ex-Frau von Nelson Mandela war im Januar mit Nierenproblemen in die Klinik eingewiesen worden. "Sie widmete den größten Teil ihres Erwachsenenlebens dem Volk und war deshalb auch weithin als "Mutter der Nation" bekannt", heißt es in der Mitteilung der Familie.
Die Welt kennt Winnie Madikizela-Mandela vor allem durch dieses Bild: Nach Nelson Mandelas Freilassung aus dem Gefängnis am 11. Februar 1990 schreitet das Ehepaar gemeinsam auf eine Kundgebung. Ihre rechte Hand liegt in der ihres Mannes, die linke hält sie zur Faust geballt triumphierend in die Luft. Ein Lächeln spielt um ihren Mund. Doch die Frau von Nelson Mandela, Südafrikas erstem schwarzen Präsidenten, war sie über weite Strecken ihres Lebens nur auf dem Papier.
"Ich wusste nicht, wie schwer der Weg sein würde"
1958 heiratet die Sozialarbeiterin und Frauenaktivistin den von der schwarzen Bevölkerung Südafrikas gefeierten Bürgerrechtler Nelson Mandela. Da ist sie 24 Jahre alt und Mandelas zweite Frau. "Neben ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin war sie bereits eine politische Aktivistin gewesen. Ihr Engagement wurde natürlich noch stärker, nachdem sie Mandela getroffen hatte", sagt ihre Biografin, die Südafrikanerin Anné Mariè du Preez Bezdrob.
"Ich wusste nicht, wie schwer der Weg sein würde, der vor mir lag. Im Juni 1958 haben wir geheiratet, und im September saß ich schon im Gefängnis", erzählt Winnie Mandela später in einem Interview. Einen Großteil ihres Lebens wird sie ohne ihren Mann verbringen: 1962 lässt das Apartheid-Regime Nelson Mandela festnehmen, 1964 verurteilt ihn ein Gericht zu lebenslanger Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island.
Aufrufe zur Gewalt
Auch Winnie Madikizela-Mandela bekommt den Druck der Apartheid-Regierung zu spüren. Nicht nur, weil sie die beiden gemeinsamen Töchter Zenani und Zindziwa allein großziehen und die kleine Familie finanziell über Wasser halten muss. Die Polizei nimmt sie immer wieder fest, zeitweise sitzt sie sogar in Isolationshaft. 1977 wird sie aufs Land verbannt, erst 1985 darf sie in ihren Heimatbezirk Soweto bei Johannesburg zurückkehren. "Mama Wetu" - "Mutter der Nation", nennen die Menschen Winnie Mandikizela-Mandela respektvoll - und das nicht nur in Südafrika.
Doch der Ruf der Freiheitskämpferin bekommt Ende der achtziger Jahre erste Kratzer. Die britische Tageszeitung "The Guardian" zitiert sie in den achtziger Jahren mit den Worten: "Wir werden dieses Land mit unseren Streichholzschachteln und Halskrausen befreien." Damit befürwortete sie offen die grausame Lynchjustiz in den Townships, das sogenannte "necklacing": Vermeintliche Spitzel des Apartheid-Regimes wurden damals mit brennenden Reifen um den Hals hingerichtet. Ihr Mann Nelson und dessen Partei, der Afrikanische Nationalkongress ANC, hatten diese qualvolle Art der Vergeltung von Anfang an abgelehnt.
Auch der von Madikizela-Mandela gegründete Fußballclub "Mandela United Football Team", der ihr gleichzeitig als eine Art Leibgarde dient, macht Schlagzeilen: Einzelne Vereinsmitglieder werden beschuldigt, in Folter, Vergewaltigungen und Mord verwickelt zu sein. Unter den Opfern soll auch der 14-jährige James Seipei sein, der im Januar 1988 verschwunden war. Verschiedene Zeitzeugen werfen den Leibwächtern vor, den jungen ANC-Anhänger getötet zu haben, weil sie vermuteten, dass er ein Informant der Polizei war. Manche behaupten sogar, Winnie Mandikizela-Mandela selbst habe den Jungen umgebracht. Auch eine Untersuchung der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission wird Madikizela-Mandelas Verantwortung für die Gewalttat Jahre später nicht aufklären können.
Ehe nur auf dem Papier
Als Nelson Mandela 1990 aus dem Gefängnis kommt, feiert auch Winnie ein Comeback. Jetzt ist sie wieder die Frau an der Seite des Freiheitskämpfers - ihre Beliebtheitswerte steigen. Doch die Ehe selbst ist längst zerbrochen. 1992 gibt Nelson Mandela die Trennung bekannt - aus politischen Gründen, wie es heißt. "Ich hoffe, sie können den Schmerz verstehen, den ich jetzt fühle", sagt er mit zitternder Stimme auf einer Pressekonferenz in Johannesburg. 1996 wird die Ehe nach 38 Jahren geschieden. Winnie Mandela macht trotzdem Karriere im ANC: 1993 wird sie Präsidentin der ANC-Frauenliga, 1994 stellvertretende Ministerin für Kunst, Kultur und Wissenschaft.
Doch immer steht Winnie Mandikizela-Mandela in diesen Jahren in der Kritik: Wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern muss sie sich vor Gericht verantworten. Ein Scheck der pakistanischen Politikerin Benazir Bhutto über 100.000 US-Dollar verschwindet offenbar in Winnies Stiftung. Auch steht sie im Verdacht, für die Vermittlung von Bauaufträgen Geld verlangt zu haben. 1995 schließlich entlässt Nelson Mandela seine Ex-Frau aus ihrem Amt als Vizeministerin.
Idol der Armen
Rückhalt bei den Menschen hat Winnie Mandikizela-Mandela trotzdem. "Sie war in der ANC-Frauenliga aktiv, sie war in ihrer Gemeinschaft aktiv. Sie hat sich immer für Menschen eingesetzt, die Hilfe brauchten", sagt ihre Biografin Anné Mariè du Preez Bezdrob. Selbst in ihrer Zeit als Vizeministerin kritisiert Winnie öffentlich die aus ihrer Sicht unsoziale Politik des ANC. Dafür bewundern sie viele Südafrikaner. Der politischen Bühne bleibt sie erhalten und steht von 1997 bis 2003 erneut an der Spitze der ANC-Frauenliga. 2009 und 2014 wird sie in die Nationalversammlung gewählt.
Mit ihrem Ex-Mann Nelson Mandela hat Winnie sich vor dessen Tod versöhnt. 2008 erscheint sie zu seinem 90. Geburtstag bei der öffentlichen Feier in einem Fußballstadion in Pretoria mit ihm und seiner dritten Frau Graça Machel auf der Bühne. Beide Frauen sind an seiner Seite, als der Ex-Präsident 2013 im Alter von 95 Jahren seine letzten Tage im Krankenhaus verbringt. Nach seinem Tod wird er im Ort Qunu beigesetzt, in dessen Nähe er geboren wurde. Winnie Mandikizela-Mandela zieht vor Gericht, um das Grundstück zu bekommen, auf dem er seine letzte Ruhestätte findet – und verliert. Nelson Mandela hatte seine ehemalige Ehefrau in seinem Testament nicht bedacht.
Mitarbeit: Martina Schwikowski