AQIM: Rivale für den Islamischen Staat?
14. März 2016Ursprünge und Ziele
Die Terrorgruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM, auch AQMI genannt) sei "der jüngste Spross der islamistischen Auflehnung in Nordafrika", sagt der Konfliktforscher William Assanvo vom afrikanischen Zentrum für Sicherheitsstudien. Bereits in den 1980er Jahren waren dort islamistische Gewaltgruppen aktiv. Die Attentate nahmen in den 1990ern zu, als Dschihadisten vermehrt gegen "unislamische Unrechtsregime" Anschläge verübten, vor allem in Algerien, schreibt Hanspeter Mattes vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in einer Analyse.
2007 ging AQIM aus der algerischen salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat, kurz GSPC) hervor. Zu dem Zeitpunkt hatte sich bereits eine länderübergreifende Ideologie entwickelt, die Basis für ein gemeinsames Ziel: einen islamischen Staat im Maghreb zu errichten und alle "islamfeindlichen" Regierungen zu beseitigen.
Allianzen und Netzwerke
Den algerischen Sicherheitskräften gelang es, die AQIM-Miliz im Land stark zurückzudrängen. Die Kämpfer wichen nach Süden aus und fanden im Norden Malis einen sicheren Hafen für ihre Operationen. Von dort haben sie seither ein Netzwerk lokaler Allianzen aufbauen können. "AQIM hatte viele verschiedene Terrorzellen", sagt Konfliktforscher Assanvo. Der AQIM-Ableger im Norden Mali sei die wichtigste. Die Gruppierung soll Anfang 2012 in Mali über mehrere hundert Kämpfer in vier Brigaden verfügt haben.
AQIM profitiert aber auch von den Kontakten zu anderen Terrorgruppen wie Al-Murabitun, und Ansar Dine, eine malische Tuareg-Miliz, die nach dem Sturz des libyschen Regimes in der Region auftauchte. Obwohl die Gruppen unterschiedliche ethnische Strukturen aufweisen und unterschiedliche Ideologien vertreten, verfolgen alle drei Gruppen ähnliche Ziele und führen gemeinsame Operationen durch.
Strategie und Finanzierung
AQIM-Kämpfer entführen Europäer, schmuggeln Menschen, Zigaretten und Drogen und verüben Anschläge. Dem Terrorism Research and Analysis Consortium (TRAC) zufolge soll AQIM in den vergangenen zehn Jahren mehr als 50 Millionen Dollar durch Geiselnahmen eingenommen haben. Dass AQIM und verbündete Gruppen derzeit wieder stärker werden, sei auch dem Ausnahmezustand in Libyen geschuldet, meint der tunesische Maghreb-Experte Kamal Ben Younes im DW-Interview: "Diese Gruppen operieren in 23 Ländern in ganz Nordafrika. In diesen Ländern kursieren viele schwere Waffen, die vom Gaddafi-Regime in Libyen übrig geblieben sind." Schwere Waffen würden nun durch die Hände der verschiedenen Terrormilizen im ganzen Sahel gehen - bis nach Burkina Faso.
IS: Rivale oder Partner?
Der Libyen-Beauftragte der Vereinten Nationen, Martin Kobler, warnte kürzlich vor einem Islamisten-Bündnis in Nordafrika. Er befürchtet einen Schulterschluss des Islamischen Staats (IS) mit Gruppen wie Boko Haram oder AQIM. Konfliktforscher Assanvo spricht hingegen von einem Konkurrenzkampf beider Gruppen: "Derzeit ist der IS der Vorreiter im globalen Dschihad. Deshalb müssen wir die Anschläge in Ouagadougou im Januar und in Bamako im November 2015 als einen Versuch von AQIM interpretieren, mehr Aufmerksamkeit zurückzugewinnen." Auch zwischen den verschiedenen AQIM-Brigaden löste die internationale Vormachtstellung des IS bereits Konflikte aus. Laut GIGA-Analyse haben sich in den vergangenen zwei Jahren mehrere nicht-algerische AQIM-Brigaden in Nordafrika abgespalten und sich dem IS angeschlossen. Seit der Ausrufung des IS-Kalifats im Juni 2014 in Irak und Syrien stünden nun bestehende nordafrikanische Terrorgruppen vor einer "Zerreißprobe", schreibt GIGA-Autor Mattes.