Age-Management
13. Juli 2009Der Altersdurchschnitt der Gesellschaft wächst deutlich. Dieser demografische Wandel ist lange bekannt. Größere Wellen schlug das Thema 2004, als Frank Schirrmachers Buch "Das Methusalem-Komplott" Deutschland als eine vergreisende Gesellschaft mit ausgestorbenen Regionen darstellte. Spätestens nach dieser Diskussion machten sich viele Gedanken, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht. Die nötigen personalpolitischen Weichenstellungen werden seit einiger Zeit unter dem Schlagwort "Age Management" zusammengefasst.
Erfahrung statt Jugend
Der schwäbische Unternehmer Otmar Fahrion hat "Age Management" praktiziert, lange bevor der Begriff virulent wurde. Im Jahr 2000 suchte der Unternehmer acht Ingenieure. Zunächst ohne Erfolg. Auf seine erste Ausschreibung bewarben sich nur ungeeignete Kandidaten. Er legte nach und betonte "bis 65". Innerhalb von sechs Wochen erhielt er mehr als 500 Bewerbungen, 180 entsprachen sehr gut, 100 immer noch gut dem Anforderungsprofil. In den Jahren danach änderte sich Schritt für Schritt die Altersstruktur im Unternehmen: mehr Alte, weniger Junge.
"Nicht unbedingt eine Strategie, die von jedem Unternehmen nachzuahmen ist, aber man kann erkennen, dass der Arbeitsmarkt noch mehr hergibt als nur junge frische Nachwuchskräfte von der Uni.", betont der Sozialwissenschaftler Mirko Sporket vom Institut für Gerontologie an der Technischen Hochschule Dortmund. Er hat das "Age Management" für seine Dissertation unter die Lupe genommen.
Demografie-Kompetenz
Das Dortmunder Institut forscht praxisnah und gibt Unternehmen Empfehlungen. "Am Anfang steht eine Altersstrukturanalyse, um zu wissen, wo man steht" beschreibt Sozialwissenschaftler Sporket das Verfahren. Das Unternehmen braucht also Daten und muss die Fähigkeit entwickeln, damit umzugehen". "Demografie-Kompetenz" nennt das der Fachmann. Anders ausgedrückt, heißt das: was bedeutet der demografische Wandel für ein Unternehmen, wie muss es damit umgehen?
Bei einem produktionsorientierten Betrieb geht es zum Beispiel darum, die Krankheitsfälle in den Griff zu bekommen. Viele Krankenkassendaten zeigen, dass mit zunehmendem Alter nicht die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle steigt, wohl aber die Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Da werden unterschiedliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung angeboten, zur Schichtplangestaltung, also alles Maßnahmen, die in irgendeiner Weise die Gesundheit der Beschäftigten unterstützen." Auf der anderen Seite gibt es Betriebe, die gar nicht so belastungsintensiv arbeiten. Für die ist es wichtiger, wie das Wissen von den Älteren an die Jungen weitergegeben werden kann. Das Stichwort lautet Wissensmanagement. Sporket spricht von "Dialogorientierung", soll heißen, nicht alles kann man durch Leitlinien und Gebrauchsanweisungen vermitteln". Erfahrungsaustausch lebt vom Gespräch.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Das Thema "Demographischer Wandel und Arbeitswelt" ist nicht neu. Vieles aus dem Age-Management wurde also bereits vorher unter anderem Namen angewandt. Aber die Diskussion um den Begriff habe die personalpolitische Debatte um wichtige Punkte bereichert, betont Sporket. Zum Beispiel würde man sich heute mehr Gedanken um alternative Berufsbiografien machen. Früher war der einzige Weg: "vertikale Karriere und ab Mitte 40 auf einer Position bleiben." Das sei anders geworden. Zum Beispiel in Dänemark gäbe es das Projekt, in einer Schule mit einem großen Teil Lehrerinnen und Lehrern über 60 die Arbeit neu zu verteilen. "Dort sorgen ältere Lehrkräfte zum Beispiel für die Aktualität der Bibliothek, beraten die Schule in organisatorischen Fragen und ziehen sich dafür etwas aus der belastenden Lehrtätigkeit zurück." Umverteilung funktioniert auch im Handwerkerbetrieb. Dort könnte die Älteren vorwiegend in der Beratung arbeiten. Diese Service-Tätigkeit ist nicht geprägt von körperlicher Arbeit, sondern von sozialer Kompetenz und von tiefer Detailkenntnis.
Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Marcus Bösch