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"War schon sensationell"

17. Juli 2019

Otto Deppe ist der letzte noch lebende ARD-Reporter, der von der Mondlandung 1969 berichtet hat. Im DW-Interview erinnert er sich an das einzigartige Medienereignis.

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SR-Korrespondent Otto Deppe
Otto Deppe in den 1960er Jahren vor einer Apollo Landekapsel. Bild: privat

Deutsche Welle: Herr Deppe, sie waren 1969 am 16. Juli beim Start der Mond-Rakete in Cape Canaveral dabei und haben danach auch von Houston aus die Mond-Landung und den Ausstieg der Astronauten auf den Mond verfolgt. Als damals junger Journalist des Saarländischen Rundfunks – was hat sie denn am meisten beeindruckt?

Der Start der Saturn V Rakete war schon sensationell, wenn man sehen kann, wie diese 110 Meter hohe Rakete da in den Himmel fliegt, mit einem Wahnsinnsgetöse, das man über 'zig Kilometer hören konnte, und mit einem riesigen Feuerschweif. Das war schon sehr beeindruckend.

Ich bin dann mit dem nächsten Flieger aus Florida nach Houston geflogen, um vor Ort beim Geschehen zu sein, denn alles spielte sich dann dort im Mission Control Center ab. Und dort werde ich die Landung der Mondfähre Eagle nicht vergessen, weil wir über den Funkverkehr alles mitbekommen haben – auch, wie schwierig die Landung gewesen war.

Man kann schon sagen: 'Es war eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen". Man kann von Glück sprechen, dass es alles erfolgreich über die Bühne ging. Dann kam natürlich der Moment, auf den die ganze Welt gewartet hatte. Man schätzt, dass mehr als 600 Millionen Menschen weltweit verfolgt haben, als Neil Armstrong den Fuß auf den Boden des Mondes setzte.

Die Rolle der Medien – die Live-Berichterstattung im Fernsehen – das war damals neu. Sie waren mittendrin. Sie hatten auch schon vorher für den Saarländischen Rundfunk und die ARD über Raumfahrt-Programme berichtet. Was war denn so neu an der Art- und Weise, wie die noch relativ junge NASA mit den Medien umging?

SR-Korrespondent Otto Deppe
Otto Deppe beschäftigt sich auch nach seiner Zeit als Rundfunk- und Fernsehreporter noch mit Luft- und Raumfahrtthemen. Bild: privat

Die NASA war immer sehr kooperativ. Ich selber hatte mich immer für alles was fliegt interessiert und war eingestiegen bei den Apollo-Flügen 7, 8 und 10. Dann war es auch natürlich, dass mich mein Sender auch für Apollo 11 in die USA schickte. Und die Kooperation der NASA war wirklich toll.

Man bekam als Radioreporter völlig selbstverständlich eine kleine Box, in der man sitzen konnte. Auf mehreren Monitoren war alles zu sehen: Die technischen Daten. Man hatte einen Blick ins Mission Control Center – dort wo die Musik spielte. Man hatte einen großen amerikanischen Fernsehsender auf einem Monitor, so dass man rund um die Uhr informiert war.

Leitungen direkt ins Studio waren damals etwas kompliziert, und so lief das meiste direkt über Telefon. Das war sehr einfach und in den sehr wichtigen Phasen des Fluges klingelte mein Telefon ununterbrochen. Bei der Mondlandung, das war bei uns mitten in der Nacht, da habe ich 24 Stunden ununterbrochen durchgearbeitet.

Es war ja auch die Zeit der Ost-West Konfrontation und ein Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA. Anders als die Sowjets, die immer erst hinterher ihre Öffentlichkeit informiert haben, hatten die Amerikaner entschieden, die ganze Welt von Anfang an live mitzunehmen. Das war aber auch riskant, denn es konnte ja auch etwas schiefgehen. Das wusste die NASA auch, denn bei einem Test am Boden für Apollo 1 waren schon drei Astronauten ums Leben gekommen. Und es waren zuvor einige unbemannte Raketen explodiert. Trotzdem hatte die NASA sich für den Weg in die Öffentlichkeit entschieden. Was bedeutete das für die Journalisten?

Das war für uns natürlich äußerst positiv. Ich wäre durchaus gerne nach Baikonur geflogen, aber das war damals absolut unmöglich. Für uns war es sehr gut, dass wir völlig offen informiert wurden. Während der Flugphase von Apollo 11 gab es jeden Tag mehrere Pressekonferenzen, bei denen der Stand der Dinge mitgeteilt wurde. Es wurden Fragen erlaubt, es war eine offene Diskussion und es wurde nichts unter dem Deckel gehalten.

Da wir den Blick ins Mission Control Center hatten und den Sprechfunkverkehr auf dem Kopfhörer hörten, konnten wir alles mitverfolgen. Da hat die NASA wirklich mit offenen Karten gespielt. Und auch die Zusatzinformationen waren sehr gut. Besser kann man es sich gar nicht vorstellen.

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Mehr als 2000 Reporter aus aller Welt waren bei der NASA für die Berichterstattung über die Mondlandung akkreditiert. Bild: NASA

Möglicherweise war die Mondlandung ja so etwas wie ein Startschuss für die sehr offene Art- und Weise, wie Weltraumagenturen auch heute mit der Öffentlichkeit umgehen. Denn das hilft natürlich auch, der Öffentlichkeit den Sinn der Raumfahrt zu vermitteln.

Gegenüber der Öffentlichkeit musste man ja auch Erfolge vorweisen. Bei heutigen Preisen entsprechen die damaligen Kosten der Apollo Mission rund 150 Milliarden Dollar. Natürlich gab es schon damals die Fragen: 'Ist das sinnvoll ausgegebenes Geld?' Zumindest in der Anfangsphase von Apollo waren diese Frage nur zaghaft gestellt worden. Aber die NASA musste immer wieder nachlegen, um zu zeigen: 'Wir sind erfolgreich. Wir haben die beste Technik, wir haben die besten Wissenschaftler'.

Rund 400.000 Menschen haben an diesem Programm gearbeitet und ich habe viel später die Gelegenheit gehabt, mit Prof. Ernst Stuhlinger, dem Vertreter von Wernher von Braun in Huntsville, Alabama zu sprechen. Er sagte: 'Wir waren unglaublich stolz auf unsere Leistung' und er legte Wert darauf, dass die Saturn V Rakete bei keinem Flug irgendwelche Probleme gemacht hatte. Das hat man der amerikanischen Öffentlichkeit voller Stolz mitgeteilt.

Wernher von Braun hatte ja auch schon für Nazi-Deutschland Raketen gebaut, die vielen Tausend Menschen in Großbritannien den Tod brachten und er produzierte seine Raketen zum Kriegsende in einem Konzentrationslager, dem Mittelbau Dora. Dort ermordete die SS, der auch von Braun angehörte, zehntausende von Menschen durch Zwangsarbeit, Unterernährung oder direkt. Wie nahm die amerikanische Öffentlichkeit diesen schillernden Ingenieur 1969 war?

Während der Apollo-Phase bis hin zum letzten Apollo 17 Flug 1972 war Wernher von Braun so etwas wie ein technischer Held in Amerika. Er trat auch sehr überzeugend auf und strahlte eine natürliche Autorität aus. Es war das, was die Amerikaner haben wollten. In dieser Zeit wurden keine Fragen gestellt – er galt einfach als "American hero", weil er das ganze geschafft hatte.

Die Fragen kamen dann zuerst von der wirtschaftlichen Seite. Die Kosten waren nicht mehr vermittelbar und daher kam die Entscheidung, mit Apollo 17 Schluss zu machen. Dann kamen auch die ersten Fragen zu seiner Vergangenheit auf.

Aber Wernher von Braun blieb da Zeit seines Lebens außen vor und wurde in den USA nie wirklich attackiert. Die kritischen Stimmen kamen dann noch viel später aus Deutschland. Und es gab dann auch sehr kritische Fragen und auch Aktionen gegen einige Mitarbeiter von Wernher von Braun, zum Beispiel zu Arthur Rudolph.

Das war ein genialer Konstrukteur, der maßgeblich am Bau der Saturn V Rakete mitgearbeitet hat. Er war zuvor Betriebsdirektor im Mittelbau Dora und war sicherlich schwer belastet und auch sicherlich Schuld am Tod von Menschen. Er wurde dann viel später von den Amerikanern ausgewiesen und hat auch keine Einreisegenehmigung mehr bekommen. Aber diese Diskussion kam später. Bis in die Mitte der 70er Jahre stellte sich die Frage in Amerika eher nicht.

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Reporter verfolgten, was im Kontrollzentrum in Houston passiert. Eine Panne wäre nicht zu verheimlichen gewesen. Bild: NASA

Der Wettlauf um die Raumfahrt ist historisch auch nicht zu trennen vom nuklearen Wettrüsten. Die Kuba-Krise von 1962, bei der die Sowjetunion versuchte, dort atomare Mittelstreckenraketen zu stationieren, die die USA erreichen konnten, war noch frisch im Gedächtnis. Die Entwicklung von Weltraumraketen lief bei allen Atommächten immer Hand in Hand mit der von Interkontinentalraketen. Wie hat die Öffentlichkeit das damals wahrgenommen?

Das Mondprogramm hat die Öffentlichkeit in den USA nicht so sehr mit der militärischen Entwicklung verbunden. Es war selbstverständlich, dass die zivile und militärische Raketenentwicklung parallel verlief. Beide wurden in Huntsville, Alabama gebaut. Die Saturn V ist bis heute die größte Rakete und natürlich gibt es viele Parallelen zu nicht ganz so großen militärischen Raketen. Das lag auf der Hand und darüber wurde eigentlich gar nicht diskutiert. Jedenfalls kann ich mich daran nicht erinnern.

Der Mond stand also für die Menschen emotional im Vordergrund. Dazu gab es ja dann auch viele Verschwörungstheorien, etwa, dass es die Mondlandung nie gegeben habe. Haben Sie davon damals schon etwas mitbekommen?

Diese Verschwörungstheorien kamen schon nach der ersten Mondlandung auf. Da gab es ja auch verschiedene Argumente, etwa dass die Fahne, die die Astronauten auf dem Mond aufgestellt haben, den falschen Schatten geworfen hätte. Das schoss nach der Mondlandung so richtig ins Kraut.

Wenn aber 400.000 Menschen an einer solchen Operation beteiligt sind – auch im Detail, dann kann man das nicht in Hollywood nachstellen. Aber es gibt viele solche Hirngespinste und die Mondlandung ist dafür ein schönes Thema. Es war aber nur eine winzige Minderheit – nicht nur bei den Amerikanern –, die solche unsinnigen Verschwörungstheorien ausgab und bis heute ausgibt und teilt.

Sie sind der Raumfahrt als Journalist auch danach noch treu geblieben und haben etwa Shuttle-Starts begleitet. Was hat sich durch die Mondlandung in der Raumfahrt geändert? Worin bestand der große Schritt für die Menschheit im Umgang mit der Raumfahrt?

Auf jeden Fall hat die Raumfahrt die Technologie auf der Welt um einen Quantensprung nach vorne gebracht. Die ganze Kommunikationstechnologie und Satellitentechnik wurde mit einem Wahnsinnsschub nach vorne getrieben. Wenn man das in Geld umrechnet, kommen wahrscheinlich Billionen Dollar dabei heraus.

Das wäre vermutlich später auch gekommen. Aber das Raumfahrtprogramm war die Initialzündung und hat auch die Grundlagen dafür gelegt, so dass das alles sehr viel schneller gekommen ist, als man es je erwarten konnte.

Otto Deppe berichtete als Journalist ab 1963 für den Saarländischen Rundfunk und das deutsche öffentlich-rechtliche Sendernetzwerk ARD zu Luft- und Raumfahrtthemen. Er begleitete unter anderem die Apollo 11 Mission mit der ersten Mondlandung sowie weitere Apollo Missionen und auch die ersten zwei Starts der Space Shuttles. Später arbeitete Deppe als leitender Redakteur und u.a. als Moderator der ARD-Tagesthemen. 

Das Interview führte Fabian Schmidt