Argentinien: "Investoren sind vergesslich"
25. April 2016DW: Herr Dr. Mewes, 15 Jahre hat Argentinien keinen Kredit vom Ausland bekommen. Nun reißen sich die Investoren um die neue Tango-Bonds. Was ist da passiert?
Mewes: Das sind im Wesentlichen zwei Gründe, die ich dafür anführen möchte: Einmal hat Argentinien eine neue Regierung bekommen. Von dieser Regierung erhofft man sich, dass das Land wieder auf eine stabilere Basis kommt. Dafür gibt es auch Anzeichen. Die neue Regierung hat sehr schnell mit den Altgläubigern eine Regelung getroffen und sich mit denen geeinigt, mit den Hedge-Fonds. Es sind auch erste Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, die Abschaffung der Exportzölle, die Vereinheitlichung des Wechselkurses. Das sind alles positive Signale an die Märkte. Und dann muss man natürlich auch sehen, dass die Argentinier jetzt sehr attraktive Zinsen angeboten haben. Das hat natürlich auch die Nachfrage beflügelt.
Zinsen zwischen sechs und acht Prozent. Glauben Sie, dass das Land die Anleihen plus Zinsen auch bedienen kann?
Es ist noch viel zu früh, darüber etwas zu sagen. Wir wissen sehr wenig über den tatsächlichen Zustand der argentinischen Wirtschaft, denn die Zahlen, die in den letzten Monaten veröffentlich wurden, sind noch von der Vorgängerregierung und zum größten Teil geschönt. Die Inflationsraten stimmten nicht, das war aber allgemein bekannt. Auch wie hoch die Wachstumsraten waren, ist unsicher. Die Staatsverschuldung ist nicht ganz klar. Wir haben im Moment überhaupt kein klares Bild. Aber ich denke, dass die neue Regierung einen vernünftigen Weg einschlagen hat. Insofern haben sich die Perspektiven des Landes sicherlich verbessert.
Wie nachhaltig ist der neue positive Trend? Oder könnte es sich um ein ähnliches Strohfeuer handeln wie in den 1990er Jahren?
Damals gingen die positiven Effekte im Wesentlichen von der günstigen Rohstoffpreisentwicklung aus. Jetzt sehe ich im Grunde noch gar kein Strohfeuer. Was wir jetzt haben, ist eine neue Regierung mit neuen Plänen. Aber dort fängt die Arbeit im Grunde erst an. Also noch ist wenig Fortschritt zu erkennen.
Es handelt sich also lediglich um Vorschusslorbeeren für den neuen Präsidenten?
Ja, das würde ich so sehen. Das sind sicherlich Vorschusslorbeeren aufgrund der ersten Entscheidung, die getroffen worden sind. Vor allen Dingen, die Märkte waren beeindruckt davon, dass sehr schnell auch die Einigung mit den Gläubigern herbeigeführt worden ist. Die Vorgängerregierung hatte es abgelehnt, überhaupt Gespräche zu führen. Insofern sind die Vorschusslorbeeren berechtigt. Aber wie gesagt, es gibt noch viele unsichere Faktoren. Die argentinische Wirtschaft ist in einer Schwächephase. Die Inflation und Staatsverschuldung sind extrem hoch. Es kommt noch ein weiteres Problem dazu: Brasilien, der wichtigste Handelspartner Argentiniens, steckt seit dem letzten Jahr in einer tiefen Rezession. Veränderungen zum Positiven hin sind nicht zu sehen.
Wenn eine Anleihe mit 38 Prozent Rendite lockt, dann stimmt etwas nicht. Was stimmt also nicht mit den neuen Fonds der Banco Central, die eine Rendite von genau 38 Prozent versprechen?
Das sind kurzfristige Schuldverschreibungen der argentinischen Zentralbank, die eigentlich nur eine kurze Laufzeit von 35 Tagen haben. Das ist ein Programm, mit dem die Zentralbank versucht, die Geldmenge etwas einzudämmen, die in den letzten Jahren extrem gestiegen ist. Dass dafür aber 38 Prozent Zinsen gezahlt werden müssen, zeigt eigentlich nur, dass das Vertrauen der Argentinier in die Zukunft des Landes noch nicht sehr groß ist. Denn diese 38 Prozent sind ungefähr das, was die Inflationsrate des Landes ausmacht.
Setzt Argentinien letztendlich auf die Vergesslichkeit der Investoren?
Ja, das würde ich so unterschreiben. Die Investoren vergessen manchmal sehr schnell, wenn hohe Zinsen geboten werden für eine neue Anlage.
Dr. Heinz Mewes war Chefvolkswirt der Dresdner Bank Lateinamerika. 2006 gründete er LatAmConsult.
Das Interview führte Zhang Danhong.