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Pflanzengift zur Schulpause

Gabriel Tuñez
9. November 2017

In Argentinien sind immer mehr Kinder und Jugendliche vom exzessiven Einsatz des Sprühgifts Glyphosat betroffen. Ein Gutachten folgt auf das andere. Doch nun wächst der Widerstand gegen die Landwirte und ihre Lobby.

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Glyphosat Argentinien Kinder
Bild: dpa/P. Piovano

Etwa 700.000 Kinder und Jugendliche, die in den ländlichen Regionen Argentiniens die Schule besuchen, sind vom unkontrollierten Einsatz von Pflanzengiften in der Nähe des Schulgeländes betroffen. Diese Zahl wurde im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im argentinischen Parlament veröffentlicht.

In vielen der landwirtschaftlich geprägten Provinzen wie Santa Fe, Buenos Aires, Córdoba oder Entre Ríos liegen Schulen nicht weit von landwirtschaftlichen Produktionsflächen, auf denen das Pflanzengift Glyphosat - hauptsächlich aus Sprühflugzeugen - ausgebracht wird. In der Stadt Coronel Suarez, etwa 450 Kilometer südwestlich der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, wurden laut einer von der Gemeinde beauftragten Studie 23 Schulen innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren mit Herbiziden besprüht, da sie direkt neben bewirtschafteten Feldern liegen.

Umfassende Studien über Gesundheitsrisiken

Die Studie aus Coronel Suarez wurde in das Dokument "Umweltrisiko für die Kindheit in Argentinien" aufgenommen, das gemeinsam vom argentinischen Ombudsrat, der Weltgesundheitsorganisation WHO, dem Kinderhilfswerk UNICEF, der internationalen Arbeitsorganisation IAO und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP erstellt wurde.

Auf Grundlage dieses Dokuments erarbeitete der argentinische Ombudsrat einen Beschluss, wonach der Staat aufgefordert wird, "Maßnahmen zur Minimierung der Gesundheitsrisiken aufgrund der Verwendung von Pestiziden zu ergreifen, insbesondere in bevölkerungsnahen Gebieten und in der Nähe von Bildungseinrichtungen, in denen Kinder toxischen Substanzen aufgrund landwirtschaftlicher Produktivität ausgesetzt sind".

Kinder auf dem Weg zur Schule in der Provinz Entre Ríos, Argentinien
Kinder auf dem Weg zur Schule in der Provinz Entre Ríos, Argentinien Bild: dpa/P. Piovano

Kopfschmerzen, Taubheit der Lippen, trockene Schleimhäute, Augenreizungen, Übelkeit, Erbrechen und allgemeines Unwohlsein sind einige der Symptome, über die Schüler laut dem Ombudsrat nach einem Kontakt mit dem Pflanzengift Glyphosat klagen. Die Dorflehrerin Mariela Leiva aus Entre Ríos beschreibt das Geschehen in ihrer Schule, während ein Sprühflugzeug ein nahes Feld bearbeitete: "Der Geruch nach Gift war beeindruckend. Ich schloss die Fenster und die Tür, aber der Geruch drang trotzdem ein".

Eingenebelt während des Unterrichts

In der Provinz Santa Fe gibt es 700 Schulen, die von Pestizidwolken betroffen sind. In Entre Ríos wurden 80 Prozent der Schulen mindestens einmal während des Unterrichts in einen Sprühnebel getaucht, berichtet die Journalistin Fernanda Sández gegenüber dem Nachrichtenportal Infobae. Sández ist Autorin des Buches "Verräuchertes Argentinien. Agrarchemikalien, Krankheiten und Lebensmittel in einem vergifteten Land".

Ana Zabaloy, ehemalige Direktorin der ländlichen Schule Nr.11 in San Antonio de Areco, etwa 100 Kilometer westlich von Buenos Aires, ist eine der Leiterinnen des Netzwerks "Lehrer für das Leben", eines Zusammenschlusses von Lehrern aus ländlichen Gebieten, die unter den Auswirkungen des Pflanzengiftes Glyphosat leiden. "Dieses Gift gefährdet die Gesundheit von Schülern und Lehrern", sagt Zabaloy der Zeitschrift "El Federal".

Das Lehrernetzwerk hat vor wenigen Wochen eine Ausstellung mit Zeichnungen von Schülern organisiert. In den Zeichnungen haben die Schüler den Moment festgehalten, in dem sie den Giftwolken ausgesetzt waren. "Es handelt sich um gemalte Anklagen. Es ist ein weiteres Mittel um das, was gerade geschieht, zu dokumentieren", sagt Zabaloy.