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Argentinien: Spaltung statt Gedenken

Greta Hamann18. Februar 2015

Einen Monat nach dem mysteriösen Tod des Staatsanwaltes Alberto Nisman gedenken die Argentinier des Verstorbenen. Doch selbst den Schweigemarsch instrumentalisieren sie für politische Grabenkämpfe.

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Argentinen Buenos Aires Protestschilder. (Foto: JUAN MABROMATA/AFP/Getty Images)
"Wir fordern Gerechtigkeit für die Justiz" heißt es auf diesen Protestschildern in Argentiniens Hauptstadt Buenos AiresBild: Getty Images/AFP/J. Mabromata

Es soll ein Marsch für die Ehrung ihres verstorbenen Kollegen werden, so die Staatsanwälte, die zu dem Demonstrationszug aufgerufen haben. Schweigend und ohne politische Symbole sollen die Menschen kommen. Trotzdem wollen weder die Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner noch ihre Anhänger an der Veranstaltung teilnehmen. Vielmehr werfen Regierungsvertreter den Organisatoren und der Opposition vor, den Tod Alberto Nismans für sich zu nutzen: "Das ist politischer Opportunismus." Der Marsch sei eine politisch motivierte Aktion, um die Kirchner-Regierung zu schwächen, sagt beispielsweise Sergio Berni, Sicherheitschef Argentiniens.

Rund 300.000 Menschen werden in der Hauptstadt Buenos Aires erwartet. Die Menschen gehen auf die Straße, um des am 18. Januar 2014 tot aufgefundenen Staatsanwaltes Alberto Nisman zu gedenken. Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt und bieten Stoff für zahlreiche Verschwörungstheorien. Zunächst hieß es, Nisman habe Selbstmord begangen. Das dementierte die Regierung jedoch wieder. Fest steht lediglich, dass der Staatsanwalt eine belastende Aussage gegen Präsidentin Kirchner vorbereitet hatte, die er am 19. Januar dem Richter vortragen wollte. Nismans Vorwurf: Die Staatschefin soll die Ermittlungen rund um das Bombenattentat mit 85 Toten auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires im Jahr 1994 behindert haben. Nisman war als Sonderstaatsanwalt für die Aufklärung des Anschlages zuständig.

Politiker Jorge Capitanich zerreißt Tageszeitung Clarin (Foto: EPA/TELAM)
Kabinettschef Capitanich zerreißt einen Artikel der Tageszeitung Clarín: Sie gehöre zur OppositionBild: picture-alliance/dpa/Telam/Handout

Die Polizisten, die den Trauermarsch schützen sollen, werden keine Waffen tragen - ein Schritt in Richtung Deeskalation. Sicherheitschef Sergio Berni warnte: "Es gibt von vielen Seiten Interessen, dass der Marsch nicht gut ausgeht. Es könnte Provokationen geben." Das zeigt, wie angespannt die Situation im Land derzeit ist. Argentinien ist tief gespalten zwischen denen, die die Regierung der Präsidentin unterstützen, und den Oppositionellen.

Präsidentin Kirchner angeklagt

Und immer wieder befeuern neue Ereignisse diese Spaltung weiter - wie jüngst die formelle Anklage Kirchners durch Nismans Nachfolger Staatsanwalt Gerardo Pollicita. Er beschuldigte Kirchner des Versuchs, die Ermittlungen zu behindern. Laut Pollicitas Recherchen soll der iranische Geheimdienst hinter dem Amia-Anschlag stecken. Kirchner soll nicht gewollt haben, dass das auffliegt, um ein lukratives Ölgeschäft mit dem Iran nicht zu gefährden, so der Vorwurf.

Kirchners Kabinettschef Jorge Capitanich bezeichnete die formelle Anklage als "größten versuchten Justizputsch in der Geschichte Argentiniens". Und auch der Generalsekretär der Präsidentin, Aníbal Fernandez, spricht ähnlich drastische Worte: Die Anklage sei ein "klares Manöver anti-demokratischer Destabilisierung".

Andere Staatsanwälte springen Pollicitas indessen zur Seite. Man sehe die Attacken von Seiten der Regierung mit großer Besorgnis: "Nisman wurde, nachdem er Kirchner angeklagt hatte, ebenfalls öffentlich schrecklich attackiert und danach war er tot." Ob es wirklich zu einer Anklage kommen wird, entscheidet der zuständige Richter.

Polizeischutz für Nisman-Nachfolger

Pollicita steht Medienberichten zufolge nun rund um die Uhr unter Polizeischutz. Viele Argentinier sind davon überzeugt, die Regierung habe Pollicitas Vorgänger Nisman ermorden lassen. Regierungschefin Kirchner wiederum sieht sich als Opfer einer Verschwörung abtrünniger Geheimdienstler: "Die Leute fragen mich schon, wie ich das alles aushalte."

Derweil zeichnet sich auch in den sozialen Medien kurz vor Beginn des Trauermarsches ab, wie tief der Riss durch das Land geht. Auf der einen Seiten bekräftigen regierungskritische Nutzer unter dem Hashtag VoyALaMarcha ("Ich gehe zum Marsch") ihre Teilnahme an dem Schweigemarsch. Auf der anderen Seite kritisieren Unterstützer der Präsidentin unter dem Hashtag TodosConCristina ("Alle mit Cristina") den Marsch und gratulieren der Präsidentin zur Eröffnung des Atomkraftwerks Atucha 2. Der Baubeginn liegt bereits 35 Jahre zurück. Finanzierungsprobleme hatten die Fertigstellung immer wieder verzögert.