Algen im Arktismeer
16. Februar 2013An der Unterseite des Meereises in der Zentralarktis wachsen riesige Mengen von Algen. Diese Eisalgen spielen als Nahrungs- und Sauerstoffquelle eine wichtige Rolle im Ökosystem. Was passiert aber damit, wenn das Eis in zunehmendem Maße durch den Klimawandel abschmilzt? Das wollte ein Forschungsteam um Antje Boetius wissen. Die Leiterin der Helmholtz-Max-Planck-Brückengruppe für Tiefseeökologie und -Technologie führte im Spätsommer 2012 eine zweimonatige Expedition mit dem Forschungsschiff "Polarstern" des Alfred-Wegener Instituts durch. Um diese Zeit erreichte die Ausdehnung des arktischen Meereises ein Rekordtief.
Grüner Teppich in der Tiefe
Mithilfe modernster Forschungsgeräte entdeckte das Team überraschend, dass die Eisschmelze an der Oberfläche Auswirkungen bis in 4000 Metern Tiefe hatte.
"Wir haben uns den Tiefseeboden angeschaut und festgestellt, dass der Großteil der Eisalgen, die ganz dichte Rasen und Teppiche unter dem Eis bilden, alle aus dem Eis ausgeschmolzen und in die Tiefsee gefallen sind", sagte Boetius im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Algenklumpen, mit einem Durchmesser von bis zu 50 Zentimetern, bedeckten bis zu zehn Prozent des Meeresbodens, so Boetius.
"Wir waren in einem sehr großen Gebiet der Arktis und haben überall diese Schmelzprozesse gefunden und festgestellt, dass nur sehr wenige Tiere im Arktischen Ozean diese Algen als Nahrungsgrundlage nutzen können. Sie liegen vor allem auf dem Meeresboden und die Bakterien fangen an, davon zu zehren. Und sie verbrauchen dann sehr viel Sauerstoff", erklärt die Meeresbiologin das Problem. So habe man anoxische Flecken im Meeresboden gefunden, also Stellen, die nicht mehr belüftet werden.
Ein Ozean verändert sich
Die Wissenschaftler vermuten, dass Eisalgen bei den aktuellen Bedingungen besonders schnell wachsen, weil das dünnere Eis viel mehr Licht durchlässt. Durch das dünnere und wärmere Meereis schmelzen die Eisalgen dann schneller aus dem Eis und sinken ab.
"Wir konnten erstmals zeigen, dass die Erwärmung und die damit verbundenen physikalischen Veränderungen in der Arktis schnelle Reaktionen im gesamten Ökosystem bis in die Tiefe hervorrufen", schlussfolgert Boetius. Bisher ging man davon aus, dass die Tiefsee erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von der globalen Erwärmung betroffen wäre.
Noch wissen die Experten nicht, ob es sich um ein einmaliges Phänomen handelt, oder ob wir hier "die neue Arktis sehen, wie sie in der Zukunft sein wird", sagt Boetius. Dafür müsste man in den kommenden Jahren weitere Daten sammeln.
"Vielleicht ist die Arktis in fünf Jahren ein ganz anderer Ozean. Das könnte auf der Basis unserer Beobachtungen so sein".
Für Meeresforscherin Boetius sollten die Forschungsergebnisse klare Konsequenzen für Politik und Gesellschaft haben. Wenn die globale Erwärmung ein ganzes Ozeansystem so schnell verändern könne, müsse man schneller reagieren "und den Klimawandel in Schach halten."