Armenisches Parlament wählt neuen Präsidenten
2. März 2018Der ehemalige Regierungschef Armen Sarkissjan war der einzige Kandidat und bekam bei der geheimen Wahl in Eriwan 90 Stimmen bei 10 Gegenstimmen und einer Enthaltung. Der 64-jährige Politiker führte die Regierung der ehemaligen Sowjetrepublik 1996/97 und war zuletzt Botschafter in Großbritannien. "All mein Wissen und meine Erfahrung werde ich in den Dienst der Republik Armenien stellen", sagte Sarkissjan. Er rief die Bürger auf, ihn dabei zu unterstützen. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre.
Es war das erste Mal seit der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion 1991, dass der Präsident vom Parlament und nicht direkt vom Volk gewählt wurde. Möglich machte dies eine Verfassungsreform aus dem Jahr 2015, die Armenien zu einer parlamentarischen Republik machen soll. Dadurch bekommen das Parlament und die Regierung mehr Macht. Die neue Verfassung sieht vor, dass das Parlament einen neuen Staatspräsidenten mit einer Drei-Viertel-Mehrheit wählen kann.
Der Amtsinhaber Sersch Sargsjan war 2008 Präsident geworden und durfte nach zwei Wahlperioden nicht wieder kandidieren. Er hatte Sarkissjan im Januar als Nachfolger vorgeschlagen. Kenner der Lage vermuten, dass Sargsjan auf den wichtiger werdenden Posten des Ministerpräsidenten wechseln will, um die Geschicke des kleinen Landes mit rund 3,5 Millionen Einwohnern weiter zu lenken. Die derzeitige Regierung soll mit Amtsantritt von Sarkissjan am 9. April zurücktreten. Kritiker hatten Sargsjan vorgeworfen, durch die Verfassungsreform dauerhaft an der Macht bleiben zu wollen. Sargsjan wies diese Vorhaltung zurück.
Russland spielt Schlüsselrolle
Im Dauerkonflikt mit Aserbaidschan um die Enklave Berg-Karabach und der Türkei ist Armenien auf den Schutz Russlands und russische Wirtschaftshilfe angewiesen. Die heutige Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan stammt aus sowjetischen Zeiten. Faktisch halten armenische Kräfte seit einem Krieg von 1992 bis 1994 das Gebiet Berg-Karabach und andere Teile Aserbaidschans besetzt. In den vergangenen drei Jahren gab es an der schwer befestigten Grenze um Berg-Karabach immer wieder Schießereien.
Erst am Donnerstag hatte die armenische Führung ein Protokoll zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit dem Nachbarland Türkei aufgekündigt. Staatschef Sargsjan habe das Abkommen bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates "für null und nichtig" erklärt, twitterte der Sprecher des Außenamtes der Ex-Sowjetrepublik. 2009 hatten beide Länder ein Protokoll zur Normalisierung ihrer Beziehungen unterzeichnet. Vereinbart wurden unter anderem eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung des Massakers an Hunderttausenden Armeniern ab 1915 und eine Öffnung der seit Jahrzehnten geschlossenen Grenzen. Bisher wurde davon jedoch nichts umgesetzt.
kle/gri (dpa, afpe, rtre)