Asien und die Panama Papers
5. April 2016China: Geblockte Informationen
Dass das Privateigentum durch die Gründung einer Offshore-Firma gesichert werden kann, ist auch unter den Superreichen in China bekannt. Viele chinesische Milliardäre transferieren so Riesensummen am Fiskus vorbei ins Ausland. Einige erwerben darüber hinaus noch die Staatsbürgerschaft des betreffenden Landes, um wiederum in China als Auslandsinvestoren von Steuervergünstigungen zu profitieren. Da China vom internationalen Zahlungsverkehr noch abgeschnitten ist, werden solche Geldtransfers fast immer über Hongkong abgewickelt.
Nirgendwo unterhält die panamaische Finanzkanzlei Mossack Fonseca, von der die Daten der so genannten "Panama Papers" stammen, so viele Auslandsbüros wie in China. Laut ihrer eigenen Website sind es insgesamt acht: in den Finanzzentren Hongkong, Shanghai und Shenzhen, den Hafenstädten Qingdao und Dalian, aber auch in Provinzstädten wie Jinan, Hangzhou und Ningbo.
Nachdem die "Süddeutsche Zeitung" am Montag die ersten Enthüllungen veröffentlicht hatte, tauchten vereinzelt Screenshots in den chinesischen sozialen Medien auf, die später wieder verschwanden. Vermutlich schlug auch diesmal die Zensur zu, denn betroffen sind viele Politiker in Spitzenämtern. Das Internationale Konsortium für Investigativen Journalismus (ICIJ) berichtet, dass Familienangehörige von mindestens acht amtierenden oder ehemaligen ständigen Mitgliedern im Politbüro, dem innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei, über die Kanzlei Mossack Fonseca Briefkastenfirmen hätten errichten lassen. Zum Beispiel habe der Schwager vom Staatspräsident Xi Jinping 2009 gleich zwei Firmen auf den britischen Jungferninseln registriert. Auch eine Tochter des früheren chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng soll in Offshore-Geschäfte verwickelt sein.
In China wird über die betroffenen Politiker nicht berichtet. Am Dienstag vermeldete zwar der Hongkonger Sender PhoenixTV die Veröffentlichungen. Als darin Verwickelte namentlich genannt wurde aber neben ausländischer Prominenz nur der Hongkonger Schauspieler Jacky Chan. Die Suchbegriffe "Panama" und "Panama Papers" sind mittlerweile von der staatlichen Zensur geblockt worden.
Nordkorea: Über Jahre unterlaufene Sanktionen
In den Papieren findet sich auch ein Verweis auf Nordkorea: Unter den Kunden der Kanzlei Mossack Fonseca befindet sich das Unternehmen DCB Finance Ltd. Die registrierte Adresse von DCB liegt auf den britischen Jungferninseln. Eigentlicher Firmensitz allerdings: Pjöngjang. Das berichten die britische BBC und der Guardian. Beide sind Mitglieder im ICIJ.
Angemeldet wurde das Unternehmen im Jahr 2006 von einem nordkoreanischen Funktionär, Kim Chol-Sam, und dem britischen Banker Nigel Cowie, der seit 1995 in dem abgeschottenen Land lebte und dort die Daedong Credit Bank erste ausländische Bank überhaupt leitete. DCB Finance wurde als Ableger dieser Bank gegründet. Der Zeitpunkt der Unternehmensgründung erfolgte kurz vor dem ersten nordkoreanischen Atomtest im Herbst desselben Jahres – und den Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat damals als Reaktion gegen das von Kim Jong Il geführte Land verhängte. Dazu kamen weitere Sanktionen von Seiten der USA: Weil mit DCB-Geldern auch die Entwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms mitfinanziert worden sein soll, setzte Washington die Firma auf eine schwarze Liste. Trotzdem vertrat Mossack Fonseca das Unternehmen noch über mehrere Jahre weiter.
Die Zusammenarbeit kündigte Mossack Fonseca erst im Herbst 2010 auf, nachdem die Finanzaufsicht der Jungferninseln Nachfragen bei der Kanzlei stellte – unter anderem nach dem nordkoreanischen Ursprung des Unternehmens. Diesen schien die Kanzlei aus Panama gänzlich übersehen zu haben: Sie sei sich keiner unrechtmäßigen Geschäfte bewusst gewesen, hieß es. Wenig später verkaufte Banker Cowie – dessen Daedong Credit Bank ebenfalls auf der schwarzen Liste stand – seine DCB-Anteile an ein chinesisches Konsortium.
Doch ausgestanden war die Angelegenheit für die Kanzlei damit noch nicht. Im Sommer 2013 stellten die Behörden der Jungferninseln weitere Nachforschungen an und wollten wissen, inwieweit Mossack Fonseca vor der Gründung der DCB die Hintergründe der Firma geprüft hätte. In einer geleakten E-Mail räumt die Kanzlei indirekt mangelnde Sorgfalt ein. "Uns hätte von Anfang an klar sein sollen, dass es sich um eine Hochrisiko-Firma handelt."
Iran: Illegale Öl-Geschäfte
Schon im Jahr 1998 richtete Mossack Fonseca einen Firmensitz für das iranische Unternehmen Petropars auf den Britischen Jungferninseln ein. Petropars fungierte als Vermittler zwischen internationalen Ölfirmen und dem iranischen Ölministerium. Dabei hatte US-Präsident Bill Clinton bereits drei Jahre zuvor durch die Verhängung bilateraler Sanktionen US-Ölgeschäfte mit dem Iran unterbunden.
Petropars und seine Verbindungen zur iranischen Regierung rückten in den Fokus internationaler Medien, als iranische Behörden begannen, im Jahr 2001 Unregelmäßigkeiten führender Manager des Unternehmens im Zusammenhang mit dem Abschluss lukrativer Verträge zur Gasförderung im Iran zu untersuchen.
Ab 2006 verhängten auch die UN schrittweise immer schärfere Sanktionen gegen den Iran. Dennoch blieb das Unternehmen Petropars – ebenso wie die nordkoreanische DCB – noch bis Herbst 2010 Kunde von Mossack Fonseca. Die Geschäftsverbindungen wurden erst unterbrochen, als Kanzleimitgründer Jürgen Mossack herausfand, dass die US-amerikanische Aufsichtsbehörde OFAC der Geschäftsverbindung auf der Spur war. Petropars befand sich bei OFAC auf einer schwarzen Liste. Jetzt aber hatte die Aufsichtsbehörde herausgefunden, dass Mossack Fonsecas Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln von Petropars genutzt wurde. Laut ICIJ soll Mossack in einer E-Mail angeordnet haben, Petropars unverzüglich als Kunden abzustoßen: "Das ist gefährlich!", so Mossack. "Jeder weiß, dass die UN Sanktionen gegen den Iran verhängt haben, und wir wollen sicher keine Geschäfte mit Regimes und Personen aus solchen Ländern machen. Nicht wegen OFAC, sondern aus Prinzip." Erst Anfang 2016 haben die USA als Reaktion auf den Atomdeal mit Teheran im vergangenen Jahr Petropars und weitere iranisch kontrollierte Ölfirmen von der schwarzen Liste der OFAC genommen.
Pakistan: Verdeckte Immobiliengeschäfte
In den "Panama Papers" tauchen unter den über 200 Namen aus hohen und höchsten Kreisen der Politik, Justiz und Wirtschaft Pakistans auch die von drei Nachkommen des Premierministers, Nawaz Sharif, auf. Es sind seine Tochter Mariam Safdar und die im Ausland lebenden Söhne Hasan Nawaz Sharif und Hussain Nawaz Sharif.
Laut den pakistanischen Medien "Dawn" und "Pakistan Today" ist die Tochter Mariam Safdar "wirtschaftliche Eigentümerin" (beneficial owner) zweier Firmen, die 1993 bzw. 94 gegründet wurden. Beide stehen unter der Gerichtsbarkeit der Britischen Jungferninseln, besitzen aber eine Firmenadresse in Saudi-Arabien. Laut PT nahmen beide Firmen im Juli 2006 die Dienste von Mossack Fonseca in Anspruch.
Mariam Safdar ist weiterhin gemeinsam mit ihrem Bruder Hussain Nawaz Miteigentümerin einer weiteren Firma. Ihrem anderen Bruder Hasan Nawaz Sharif gehört die Hangon Property Holdings Ltd., letztere ebenfalls unter Gerichtsbarkeit der Jungferninseln. Diese Firma erwarb wiederum 2007 die in Liberia registrierte Firma Cascon Holdings Establishment Ltd. für 11,2 Millionen US-Dollar (laut "Dawn").
Laut PT hat die Kanzlei Mossack Fonseca im Juni 2007 für die Firmen von Mariam Safdar einen Immobilienkredit von der Deutsche Bank (Suisse) SA über sieben Millionen Pfund abgewickelt, damit wurde Wohneigentum in der Londoner Park Lane erworben. An die Firma Hangon wurde ein Immobilienkredit der Bank of Scotland vergeben, zum Erwerb einer Immobilie an der Adresse Hyde Park Place. Hangon beendete die Zusammenarbeit mit der Kanzlei im Jahr 2008, die anderen Firmen der Sharif-Kinder suchten sich im Jahr 2014 einen neuen Offshore-Dienstleister.
Nach dem Bekanntwerden der Namen der Familie Sharif in den Panama-Papers forderte der prominente pakistanische Oppositionspolitiker Imran Khan Ermittlungen der Steuerbehörden gegen Sharif und seine Familie. Er erhebt schon seit längerem Korruptionsvorwürfe gegen die Familie Sharif und tweetete: "Unsere Haltung hat sich bestätigt, jetzt da das Vermögen, das Sharif ins Ausland verbracht hat, enthüllt wurde." Khan forderte Ermittlungen der Steuerbehörden und der Wahlkommission gegen Sharif. Umar Cheema von der Vereinigung investigativer unabhängiger Journalisten in Pakistan sagte laut AFP, zwar besitze Premier Sharif selber kein Unternehmen, aber "Firmen im Namen seiner Kinder zu haben wirft Fragen auf."
Die Familie Sharif wies Vorwürfe oder Unterstellungen illegaler Machenschaften zurück. Sohn Hussain sagte im größten TV-Sender Geo: "Diese Wohnungen in London gehören uns und diese Offshore-Firmen gehören ebenfalls uns." Das sei alles normal und gesetzlich und von den Sharifs auch niemals verschwiegen worden, so Hussain laut AFP. Im Übrigen wohne er seit 1992 nicht mehr in Pakistan. Damit sei er laut pakistanischem Steuerrecht nicht zur Erklärung seines Vermögens verpflichtet. Informationsminister Pervaiz Rashid erklärte, dass Premier Sharif keinerlei Vermögen im Ausland habe und regelmäßig seine Steuern zahle. Im übrigen sei die Familie im Zuge der Militärputschs in den 90er Jahren ins Exil und deshalb dazu gezwungen worden, im Ausland Unternehmen zu gründen.
Malaysia: Steigender Druck auf Premierminister
Malaysias Regierungschef Najib Razak dürfte durch die jüngsten Enthüllungen weiter unter Druck geraten. Einer seiner Söhne, Mohd Nazifuddin Mohd Najib, soll den Vorsitz zweier Briefkastenfirmen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln innehaben. Eine davon soll inzwischen nicht mehr aktiv sein. Wozu diese Firmen dienen sollen, ist unklar.
Den malaysischen Ministerpräsidenten treffen die Enthüllungen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn er stand auch ohne diese bereits im Mittelpunkt einer der größten Finanzskandale Südostasiens. Im staatlichen malaysischen Investmentfonds 1MDB sollen insgesamt 4 Milliarden US-Dollar in dubiosen Kanälen versickert sein. Besondere Aufregung herrscht dabei darüber, dass eine Zahlung von rund 680 Millionen US-Dollar von 1MDB direkt auf ein Privatkonto des Premierministers geflossen sind. Diese waren im Nachhinein als Wahlkampfspende der saudischen Königsfamilie deklariert worden. Rund 620 Millionen seien zwar wieder zurückgezahlt worden, da sie "nicht gebraucht wurden". Was jedoch mit den restlichen rund 60 Millionen US-Dollar passiert ist, ist unbekannt. Auch wenn Razaks Sohn durch die Enthüllungen der Panama Papers nicht direkt nachzuweisen ist, gegen Gesetze verstoßen zu haben, dürften die jüngsten Enthüllungen die ohnehin schwer angeschlagene Glaubwürdigkeit seines Vaters weiter untergraben.