Assad, der Krieg und die Kosten
3. September 2012Die jüngste Reise des stellvertretenden syrischen Ministerpräsidenten Kadri Dschamli nach Moskau deutete es an: Das Assad-Regime ist immer stärker auf Unterstützung von außen angewiesen. Die Verhandlungen um Barterverträge, unter denen syrisches Rohöl gegen dringend benötigte raffinierte Produkte wie zum Beispiel Diesel oder aber Kochgas geliefert werden soll ebenso wie finanzielle Hilfen in unbekannter Höhe geben Hinweise auf die schwierige wirtschaftliche Lage, in der die Regierung in Damaskus sich befindet.
Staatsangestellte, die keine oder nur noch einen Teil ihrer Bezüge erhalten, Subventionen und Vergünstigungen, die erst gewährt und dann wieder gestrichen wurden - all dies, so die in Bochum lehrende Islamwissenschaftlerin und Ökonomin Anja Zorob, deute darauf hin, dass die internationalen Sanktionen zu greifen beginnen: "Der finanzielle Strick um das Regime zieht sich zu". Besonders prekär sei der für Assads Kriegführung so wichtige Energiesektor: "Vor dem Boykott trugen die Öl-Einnahmen zu 30 bis 40 Prozent der Staatseinnahmen bei. Durch das Embargo der EU und anderer Staaten bleiben sie nun aus. Hinzu muss man auch noch die Steuerausfälle und weggebrochenen Zolleinnahmen rechnen".
Wirtschaft schrumpft massiv
Die Sanktionen haben die syrische Rohölproduktion massiv schrumpfen lassen. Betrug sie 2010 noch 385.000 Barrel pro Tag, ist sie inzwischen auf 182.000 zurückgegangen. Entsprechend sind die staatlichen Einnahmen in diesem Bereich von 12 Milliarden auf 4 Milliarden US-Dollar gesunken.
Auch andere Daten lassen den schlechten Zustand der syrischen Wirtschaft erkennen - mit langfristigen Folgen für Assads Kampfkraft. Die syrische Lira hat seit Beginn der Unruhen vor anderthalb Jahren rund die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahre 2012 um voraussichtlich 14 bis 20 Prozent zurückgehen. Das Pro-Kopf-Einkommen ist von knapp 4800 US-Dollar im Jahr 2010 auf 4260 im Jahr 2012 zurückgegangen. Zugleich stiegen die Preise binnen Jahresfrist um mehr als 30 Prozent. Aber nicht nur viele private Haushalte verarmen, auch der Staat sieht sich einem Einnahmeverlust von bis zu 40 Prozent gegenüber - bei kriegsbedingt gleichzeitig steigender Ausgabenlast.
Schwieriger Zugang zu Öl-Produkten
Schrumpfende Wirtschaft und die internationalen Sanktionen erschwerten es dem Assad-Regime, auf dem internationalen Markt die für die Kriegführung nötigen Importe raffinierter Ölprodukte zu beziehen, erklärt Samuel Ciszuk, Nahost-Analyst bei dem britischen Beratungsunternehmen KBC. Zwar habe sich das Land vor dem Krieg mit Rohöl selbst versorgen können, raffinierte Produkte aber habe es beziehen müssen. Doch nun stehe auch die Rohöl-Produktion vor immer größeren Problemen. "Pipelines wurden gesprengt, Arbeiter erscheinen nicht mehr zum Dienst. Das hat die syrische Regierung vor die Wahl gestellt, entweder bei der Versorgung der Armee oder der Zivilbevölkerung zu sparen. In dieser Lage hat die Regierung sich entschlossen, die Armee zu unterstützen."
Umso mehr ist das Regime nun auf Finanz- und Wirtschaftshilfen durch die - wenigen - verbündeten Staaten angewiesen. Assad könne insbesondere auf drei Länder zählen, erklärt Ciszuk: Russland, Iran und Venezuela. "Es sind erhebliche Mengen Öl dorthin geliefert worden. Doch ist schwer zu sagen, welche Rolle diese Lieferungen gespielt haben." Hinzu kommt, dass die Geschäfte mit Syrien wegen der vom Westen betriebenen Boykott-Politik für die Beteiligten immer riskanter werden. "Die größeren, international arbeitenden russischen Banken zögern inzwischen, solche Geschäfte zu begleiten, denn sie laufen Gefahr, dadurch Sanktionen auf sich zu ziehen."
Verhaltene Prognosen zur Kriegsdauer
Das Assad-Regime steht vor erheblichen Schwierigkeiten. Aber weder die Sanktionen noch die Rezession haben die Führung bislang offenbar beeindrucken oder gar beeinträchtigen können. Zwar werde das Regime letztlich stürzen, glaubt Samuel Ciszuk, aber bis dahin könne noch einige Zeit vergehen.
Und so lange, fürchtet Anja Zorob, werde die Bevölkerung weiter leiden. "Dass sich die Lage verschärft, ist sicher. Sie wird noch viel schlimmer als sie es jetzt bereits ist für jene ein oder zwei Millionen, die jetzt auf der Flucht sind oder in den Protesthochburgen unter sehr prekären Bedingungen leben müssen. Diese Lage wird sich verschlimmern, und zwar für die gesamte Bevölkerung." Umso mehr brauche Assad nun die Unterstützung von seinen Verbündeten. "Sollte das Regime weiter auf diese zählen können, wird es auch weiter Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen. Das wird das Land und dessen wirtschaftliche Basis zerstören."