AstraZeneca liefert weniger Corona-Impfstoff
22. Januar 2021Sollte der britisch-schwedische Konzern von der Europäischen Union die Zulassung für sein Vakzin erhalten, werde die Menge zu Beginn niedriger sein als vorgesehen, sagte eine Unternehmenssprecherin. Grund seien geringere Erträge an einem Produktionsstandort "innerhalb unserer europäischen Lieferkette". Eine Verzögerung der Lieferungen sei aber nicht geplant. "Wir werden im Februar und März dutzende Millionen Dosen an die Europäische Union liefern", versicherte die Sprecherin.
Ein hochrangiger EU-Vertreter machte kurz darauf gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters präzisere Angaben. Demnach wird die Zahl der Impfdosen im ersten Quartal mit 31 Millionen Stück rund 60 Prozent niedriger ausfallen als geplant. Für das zweite Quartal habe AstraZeneca keine angestrebte Stückzahl genannt, sagte der Insider. Geplant gewesen sei eigentlich, dass AstraZeneca im ersten und im zweiten Quartal jeweils rund 80 Millionen Impfdosen an die 27 EU-Staaten liefere. Zur Begründung habe AstraZeneca gegenüber der EU Fertigungsschwierigkeiten in einem Werk des AstraZeneca-Partners Novasep in Belgien genannt.
EU-Kommission sehr unzufrieden
Nach Angaben von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kündigte das Unternehmen die Lieferprobleme am Freitag im Lenkungsausschuss zur EU-Impfstrategie an. Die EU-Kommission und Mitgliedstaaten hätten tiefe Unzufriedenheit darüber geäußert, dass im ersten Quartal weniger Impfstoff geliefert werden solle als geplant, erklärte Kyriakides. Man habe darauf bestanden, dass es einen genauen Lieferplan gebe, auf dessen Grundlage die Mitgliedstaaten ihre Impfprogramme planen könnten. Die EU-Kommission werde weiter auf mehr Zuverlässigkeit bei den Lieferungen dringen und auf eine beschleunigte Verteilung der Dosen.
Über die Reduzierung der Lieferungen hatte zuvor die "Bild"-Zeitung berichtet. Ein Grund ist demnach, dass der Impfstoff nach den Mutationen in einigen Ländern daraufhin angepasst werden müsse. Zudem seien die Auswirkungen auf die Produktion nach einem Brand in einem Werk in Indien noch unklar.
Spahn bleibt zuversichtlich
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lässt sich durch die unerfreuliche Mitteilung des Konzerns nicht entmutigen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Mittel von AstraZeneca bereits im Februar in maßgeblichen Mengen verimpft werden könne. Dies werde in einer Größenordnung geschehen, "die schon im Februar einen Unterschied machen wird" im Vergleich zu dem Stand ohne AstraZeneca.
Estland, Lettland und Litauen schlossen sich derweil der Forderung von vier weiteren EU-Ländern nach einer vorzeitigen Verteilung des Corona-Impfstoffs des Herstellers AstraZeneca in der EU an. Die Ministerpräsidenten der drei Baltenstaaten appellierten an die EU-Institutionen, die Auslieferung des Vakzins noch vor dessen offizieller Zulassung unverzüglich zu genehmigen und sicherzustellen. Sie folgen damit nach eigenen Angaben dem Aufruf von Österreich, Tschechien, Dänemark und Griechenland. "Genauigkeit der Verfahren ist wichtig. Geschwindigkeit aber auch. Die Verzögerungen kosten Leben", schrieben Jüri Ratas (Estland), Krisjanis Karins (Lettland) und Ingrida Simonyte (Litauen) wortgleich auf Twitter.
Wachsender Ärger über Pfizer
Auch bei anderen Impfstoff-Lieferanten gibt es Verzögerungen. In manchen EU-Ländern wächst der Unmut über Verzögerungen bei der Lieferung von Corona-Impfstoffen des US-Konzerns Pfizer. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte: "Wir werden das Unternehmen um eine Klärung bitten." Kritik an dem Partner des Mainzer Unternehmens BioNTech kommt vor allem aus Italien und Tschechien. Italien droht Pfizer sogar mit juristischen Schritten. Der US-Hersteller Pfizer hatte vergangene Woche mitgeteilt, seine Lieferungen für drei bis vier Wochen zu verringern. Grund seien Umbaumaßnahmen im Pfizer-Werk im belgischen Puurs.
Der Impfstoffvertrag mit der EU ist vertraulich. Jedes Mitgliedsland verhandelt mit Pfizer eigene Liefervereinbarungen. Unklar ist, ob der Konzern verpflichtet ist, bestimmte Mengen auf wöchentlicher oder auf Quartalsbasis zur Verfügung zu stellen.
Das Vakzin von AstraZeneca bleibt anders als die Konkurrenzprodukte der Firmen Pfizer und BioNTech sowie Moderna bei deutlich höheren Temperaturen stabil und könnte somit auch von Hausärzten verimpft werden. AstraZeneca beantragte in der vergangenen Woche die Zulassung in der EU, in vielen anderen Staaten wird dessen Wirkstoff bereits verabreicht. In der EU sind bislang nur die beiden Impfstoffe von Pfizer/Biontech sowie Moderna zugelassen. Am 29. Januar könnte die EU-Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht für die Zulassung des Vakzins von AstraZeneca geben.
kle/ml (rtr, afp, dpa)