Griechenland Steuerfahnder
19. August 2011Die Liste der griechischen Steuersünder wird immer länger: Nicht nur wohlhabende Ärzte und Anwälte müssen beim Finanzamt vorsprechen. Auch so manche Professoren und Hochschulmitarbeiter werden der Steuerhinterziehung verdächtigt, weil sie viel Geld für Forschungsaufträge am Finanzamt vorbei kassiert haben. Für besondere Aufmerksamkeit und auch für einige heitere Kommentare sorgt der Fall eines Star-Astrologen mit vier Millionen Euro auf dem Konto. Trotz seiner angeblich hellseherischen Begabung konnte der Mann offenbar nicht voraussehen, dass er Besuch von der Steuerfahndung bekommt.
Einnahmequelle Steuern
"Das liegt wohl daran, dass viele Griechen Steuerhinterziehung für ein Kavaliersdelikt halten. Doch die Zeiten haben sich geändert", sagt der Athener Finanzjournalist und Steuerexperte Thanos Tsiros. Die Finanzbehörden würden in der Tat hart durchgreifen, es gehe nicht nur darum, Fahndungserfolge medienwirksam zu inszenieren, erklärt Tsiros. Schließlich gäbe es für die Regierung gar keine andere Möglichkeit, an Geld zu kommen. Jedenfalls könne man bei Kleinverdienern und Rentnern nichts mehr holen. Griechenland rutsche noch tiefer in die Rezession und sei dringend auf Einnahmequellen angewiesen.
Vermögensnachweis für alle?
Schon im Mai präsentierte der damalige Finanzminister Giorgos Papakonstantinou einen ehrgeizigen Plan zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung bis 2015. Nach kurzer Zeit musste er allerdings infolge einer Regierungsumbildung seinen Hut nehmen - was zunächst für einige Irritationen sorgte. Doch auch sein Nachfolger Evangelos Venizelos ist anscheinend entschlossen, den Kampf gegen Steuerbetrug aufzunehmen, glaubt Thanos Tsiros. "Venizelos hat neulich erklärt, er würde den Drei-Jahres-Plan seines Vorgängers umsetzen", sagt der Athener Finanzexperte.
Im September würde die griechische Regierung abermals ein strenges Steuergesetz einbringen, das neue Instrumente zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vorsieht. Im Gespräch sei etwa ein obligatorischer Vermögensnachweis für alle griechischen Staatsbürger, in dem nicht nur Einkommen und Immobilien, sondern erstmals auch Kapitalanlagen, Aktienbesitz und immaterielle Güterrechte aufgeführt werden.
Anhand solcher Dokumente sollen Finanzbehörden die Vermögensverhältnisse aller Steuerpflichtigen jederzeit überprüfen können. Doch sind sie dazu auch in der Lage? Viele Finanzämter machen geltend, sie hätten einfach nicht genug Personal, um diese Aufgabe zu meistern. Doch das stimmt nicht ganz, glaubt der Generalinspekteur für öffentliche Verwaltung Leandros Rakintzis, ein ehemaliger Verwaltungsrichter, der in der Bevölkerung hohes Ansehen genießt.
Griechenland habe doch gerade zu viele Steuerbehörden, denn in der Vergangenheit war jeder Minister darauf erpicht, im eigenen Wahlkreis ein Finanzamt zu gründen, beklagt Rakintzis. Wünschenswert seien weniger Behörden mit besserer Ausstattung und genügend Personal. Heute gäbe es Steuerprüfer, die eigentlich gar nichts täten. "Ich gebe Ihnen ein Beispiel", sagt Rakintzis. "Das Finanzamt der Region Porto Heli (auf dem Peloponnes) ist hoffnungslos unterbesetzt und gilt als echtes Steuerparadies." Es sei wohl kein Zufall, dass gerade dort viele Betreiber von Offshore-Firmen zu Hause seien. "Sie wissen, dass sie keine Steuerkontrollen befürchten müssen", sagt der ehemalige Richter.
Neutrale Steuerfahnder gefordert
Gerade auf dem Land hat die Steuerflucht Überhand genommen. Man kennt sich, man hilft sich und vermeidet lästige Fragen zu Steuern und Abgaben. Die Regierung will Privatfirmen anheuern, um der Steuervermeidung Herr zu werden. Der ehemalige Verwaltungsrichter Rakintzis hätte da einen Alternativvorschlag, der wahrscheinlich auch noch viel günstiger wäre. Ein Beamter unterliege immer instinktiven Zwängen und Fesseln, wenn er seine eigenen Verwandten oder Freunde oder ehemalige Mitschüler steuerlich prüfen soll, erklärt Rakintzis. Deswegen müsse das Gesetz dahin geändert werden, dass ein Steuerfahnder in seinem Heimatort gar nicht eingesetzt werden darf. Das habe es bereits früher im griechischen Beamtenrecht gegeben.
Wie gut das funktionieren kann, wird in diesem Sommer deutlich: Auf fünfzehn verschiedenen Ägäisinseln haben Steuerfahnder aus Athen insgesamt 705 Kleinhändler und Tavernenbesitzer steuerlich geprüft und dabei in 490 Fällen Rechtsverstöße festgestellt. Im Touristenparadies von Rhodos wird am meisten geschummelt. Dort hat man in allen kontrollierten Geschäften Unregelmäßigkeiten entdeckt. Auch auf der Insel Kythnos müssen über 90 Prozent der geprüften Kleinunternehmer mit Bußgeldern rechnen.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Mirjana Dikic