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Aufatmen

Hubert Wohlan30. Oktober 2006

Bundeskanzlerin Merkel konnte beim Treffen mit Ministerpräsident Kaczynski die jüngsten Irritationen zwischen Deutschland und Polen etwas abbauen. Beide Regierungen könnten jetzt erstmal aufatmen, meint Hubert Wohlan.

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In den zurückliegenden 17 Jahren - seit der großen politischen Wende im Osten - war das deutsch-polnische Verhältnis selten so schlecht wie heute. Das stellen nicht nur die Medien in beiden Ländern fest, das sagen sogar deutsche und polnische Politiker öffentlich. Die Gründe für die Verschlechterung sind, zumindest aus polnischer Sicht, schnell auszumachen: die Ostsee-Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland liefern soll, aber eine Kurve um Polen machen wird, und das Treiben der deutschen Vertriebenen.

Die deutsche Liste mit Vorwürfen in Richtung Warschau ist noch länger. Seit die Kaczynski-Partei das Tempo des deutsch-polnischen Verhältnisses diktiert, gibt es Probleme. Das gravierendste betrifft die allgemeine politische Atmosphäre an der Weichsel, die den Nährboden für ein Weiterleben verschiedener antideutscher Vorurteile bietet. So ist es dort beispielsweise nicht verwerflich, dem politischen Gegner deutsche Abstammung zu attestieren, um ihn politisch zu stigmatisieren.

Lange Negativliste

Auf der deutschen Negativliste steht die destruktive Haltung Warschaus in der Frage der finanziellen Ausstattung des deutsch-polnischen Jugendwerks, der Stillstand bei der Arbeit verschiedener Kommissionen, zum Beispiel über die Oder-Schifffahrt, die Grenzgewässer und der Kulturaustausch. Der am häufigsten geäußerte Vorwurf aus Berlin lautet, die polnische Seite arbeite nicht kooperativ, sie blockiere Vorschläge aus Berlin und sei an einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht interessiert. Keine guten Aussichten für die anrückende deutsche Präsidentschaft in der EU.

In Anbetracht einer derart langen Liste gegenseitiger Vorwürfe ist es nicht verwunderlich, dass das bloße Zustandekommen des Besuches von Premierminister Jaroslaw Kaczynski in Berlin schon als Erfolg gewertet wird. Tatsächlich hat der Besuch atmosphärisch einiges nach vorne gebracht: Die ausstehenden polnischen Zahlungen an das deutsch-polnische Jungendwerk sind bereits getätigt. Wie immer bei solchen Gelegenheiten haben beide Seiten den Erfolg des Jugendwerkes gelobt, was die Institution trotzdem nicht vor Schicksalsschlägen immun macht.

Problemlösungen deuten sich an

Es scheint sich auch eine Lösung der strittigen Pipeline-Frage anzudeuten. Es wird kein russischer Gashahn zugedreht, der die Polen von Gaslieferungen aus Russland abtrennen würde. Stattdessen wird ein europäischer Energiemarkt, der allen EU-Mitgliedern zur Verfügung stehen und den Europäern - also auch den Polen - eine Energiesicherheit garantieren soll.

Jaroslaw Kaczynski kann zufrieden nach Warschau reisen. Die begonnene Charme-Offensive wird Polen wohl für einige Zeit aus den Schlagzeilen deutscher Zeitung heraushalten lassen. Angela Merkel kann aufatmen, weil die Polen die deutsche EU-Präsidentschaft nicht boykottieren und ein wenig konstruktiver agieren werden. Zur Erinnerung: vor 16 Jahren war von der "deutsch-polnischen Interessengemeinschaft" die Rede.