Atom contra Wind- Erneuerbare Energien in Ägypten
23. Juni 2008„Rein theoretisch gesehen könnte Ägypten seinen gesamten Energiebedarf über erneuerbare Energien abdecken,“ sagt Umweltaktivist Amr Gharbeia, „es ist letztlich natürlich eine Preisfrage.“ Aber auch hier würden sich erneuerbare Energien als die bessere Alternative erweisen, denn „was hierzulande gern außer acht gelassen wird, sind die Brennstoff-Kosten und die Kosten der Atommüll-Beseitigung, ganz zu schweigen natürlich von den Kosten eines einzigen Reaktorunfalls!“
Der Einstieg in die Kernenergie wird von den ägyptischen Behörden jedoch als zwingend notwendig dargestellt. So erklärt etwa Samir Hassan, der Vorsitzende der Behörde für erneuerbare Energien: „Ägypten ist ein Entwicklungsland, der Energiebedarf nimmt hier jährlich um etwa 7 Prozent zu, wir sind ja bemüht, die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen auszubauen, aber wie können uns nicht auf Sonnen- und Windenergie allein verlassen, um den jährlichen Zuwachs abzudecken.“
Gewiss ist eine Umstellung auf erneuerbare Energien kein Honigschlecken, nichts was eben mal so von heute auf morgen geschehen kann. Doch ebenso wenig scheint es realistisch, in der Zwischenzeit milliardenteure Reaktoren zu bauen, nur um sie nach einer kurzen Übergangsphase wieder stillzulegen, wenn endlich die Stunde für erneuerbare Energien geschlagen hat.
Umweltschützer wie Amr Gharbeia werfen der ägyptischen Regierung Schlamperei vor und man ist versucht, ihnen zu glauben, zunächst mehr aus Reflex, denn seit wann interessieren sich Entwicklungsländer schon für Umweltschutz? Vielleicht steckt doch ein Fünkchen Wahrheit in der zynischen Behauptung, Ägypten lasse sich einzig und allein auf den Atomdeal ein, um vor ihren Nachbarländern groß dazustehen.
Dass Ägypten derzeit nur einen Bruchteil seiner erneuerbaren Ressourcen nutzt, das bestätigt auch Andreas Holtkotte, Leiter der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Kairo, die wie die GTZ mit den Ägyptern im Bereich erneuerbare Energien zusammenarbeitet. Anders als Amr Gharbeia nimmt Holtkotte die Bemühungen der Behörde für erneuerbare Energien unter Samir Hassan durchaus ernst. Es gibt ein steigendes Umwelt Bewusstsein in Ägypten, sagt er, „außerdem kommt hinzu, dass die EU ihr Ziel, bis zum Jahr 2020 zwanzig Prozent des Elektrizitätsangebots aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen, nicht wird erfüllen können, ohne aus dem Ausland hinzuzukaufen.“ Da biete sich natürlich Nordafrika optimal an - als nahe an der EU-liegender Sonnen- und Windgürtel, von wo aus die EU ihren zusätzlichen Bedarf an Energie importiert.
Längst ist also die Nutzung von erneuerbaren Energien kein rein moralisches Gebot mehr; etwas, wovon Idealisten schwärmen und über das Realpolitiker nur lächeln können. Umweltschutz hat sich zum lukrativen Geschäft entwickelt. Den finanziellen Versprechen, die sich dahinter verbergen, wird sich der ägyptische Staat wohl kaum entziehen können .
Wo aber Geld rauskommen soll, da muss erst einmal Geld reingesteckt werden. Die Antwort auf die Frage, warum Ägypten wider den eigenen Interessen auf Kernenergie setzt, ist erschreckend simpel, und sie mag den einen oder anderen enttäuschen, der schon den großen Skandal witterte. Das Land ist pleite. Es hat kein Geld, um es in neue Energieprojekte zu stecken, weder in atomare noch in erneuerbare. Es ist abhängig von der Gunst von Investoren und Krediteuren, und die haben nun mal erheblich mehr Macht und Geld, wenn es um Kernenergie geht.
Die Weltbank hat den Ägyptern bereits Kredite für Atomkraftwerke zugesagt. Große ausländische Firmen – unter anderem auch der deutsche Konzern Siemens – stehen bereit, um in das Geschäft einzusteigen. Salah Arafa, Professor für Physik an der amerikanischen Universität Kairo und Umweltaktivist, drückt es wie folgt aus: „Wenn ich Hunger habe und zu Dir komme und Du gibst mit ein Stück Brot. Nicht etwa Brot und etwas Käse oder Wurst, ein nacktes Stück Brot. Ich muss das nehmen, was Du mir gibst, denn ich bin nicht in der Lange, große Ansprüche zu stellen.“
Traurig, aber wahr. Man kann es nicht wissen: vielleicht hätte es das eine oder andere Regierungsmitglied auch wirklich gern anders gewollt.
Autor: Mahmoud Tawfik
Redaktion: Peter Koppen