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Atomarer Frühling?

Christoph J. Heuer9. Februar 2007

Auf der Wintertagung des Deutschen Atomforums freut man sich auf eine mögliche Renaissance der Kernenergie. In der Klimadebatte verpasst man sich einen grünen Anstrich und stellt damit Atomkraftgegner vor ein Dilemma.

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Atomkraftgegner demonstrieren am 8.2.2007 gegen Atomkraft vor dem Tagungsort des Deutschen Atomforums (e.V.) (Foto: Christoph J. Heuer)
Atomkraftgegner demonstrieren vor dem Tagungsort des Deutschen Atomforums (8.2.2007)Bild: DW/Heuer

Die beiden Polizisten vor dem Hotel an der Friedrichstraße haben sich am Donnerstag (8.2.2007) ihre dicken grünen Anoraks angezogen. Es ist kalt in Berlin. Die gut 200 Teilnehmer der Wintertagung des Deutschen Atomforums haben es da besser. Im gut geheizten Saal im ersten Stock sitzen sie unter zahllosen Halogenstrahlern und diskutieren über die Zukunft der Kernenergie. Vom Ausstieg aus der Atomkraft möchte man hier nichts wissen.

Stattdessen nimmt man geradezu triumphierend zur Kenntnis, dass die Debatte über die Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen der Kernenergie eine Renaissance bescheren könnte. "Entweder steigen wir aus der Kernenergie aus, dann erreichen wir die CO2-Ziele nicht. Oder wir revidieren den Ausstieg und erreichen die Ziele", zeigt sich Walter Hohlefelder, Präsident des Deutschen Atomforums e.V., überzeugt. Es dürfe aber nicht heißen, dass diejenigen, die für Atomkraft sind, gegen erneuerbare Energien seien.

Höhnisches Gelächter und wohlwollender Beifall

Doch verfrühten Hoffnungen auf den Ausstieg aus dem Ausstieg erteilt Matthias Machnig (SPD), Staatssekretär beim Bundesumweltministerium, eine klare Absage. Der Atomausstieg sei beschlossene Sache und das habe auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU seinen Niederschlag gefunden, betont der Politiker. "Der Koalitionsvertrag gilt und die SPD ist und bleibt vertragstreu." Viele der Teilnehmer quittieren das mit höhnischem Gelächter.

Erwin Huber (CSU), Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie des Freistaates Bayern spricht auf der Wintertagung des Deutschen Atomforums (e.V.) am 8.2.2007 in Berlin (Foto: Christoph J. Heuer)
Erwin Huber (CSU) hält nichts von Offshore-WindkraftBild: DW

Da hat der bayrische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) einen besseren Stand. Man habe im Koalitionsvertrag einen Dissens in der Atomfrage festgestellt. "Die SPD verharrt bei einem alten Irrtum", kritisiert Huber und verweist auf die Erfahrungen mit Kernenergie im Freistaat. In Bayern kämen zwei Drittel der Energie aus Atomkraftwerken. "Damit sparen wir jedes Jahr 40 bis 50 Millionen Tonnen CO2 in Bayern", erklärt der Landesminister.

Auch bei der Problematik der Versorgungssicherheit könne die Atomenergie einen wichtigen Beitrag leisten. Während man in Russland auf Kernkraft setze und das eigene Gas teuer verkaufe, wolle man in Deutschland lieber aus der Atomenergie aussteigen und teures Gas kaufen. "Ich frage mich, wer da besser rechnen kann", witzelt Huber und erntet Beifall.

Ein Saurier auf dem Podium

Daraus, dass es ihm bei der Diskussion um die Reduzierung von Treibhausgasen weniger um Umweltschutz als um bayrische Wirtschaftsinteressen geht, macht Huber keinen Hehl. So genannte Offshore-Windkraft, also die Energieerzeugung durch Windräder vor der deutschen Küste, sei für Bayern besonders teuer. "Dadurch werde die bayrische Wirtschaft bestraft", kritisiert der Minister.

Das Archivbild vom 20.02.1997 zeigt zwei Castorbehälter hinter einem Warnschild vor Strahlung. Die rot-grüne Bundesregierung und die deutsche Atomwirtschaft unterzeichnen am Montag (11.06.2001) im Berliner Kanzleramt das Abkommen zum Atomausstieg. Auf die Grundsatzvereinbarung «zur geordneten Beendigung der Kernenergie» hatten sich beide Seiten vor genau einem Jahr verständigt. Von Seiten der Bundesregierung nehmen Kanzler Gerhard Schröder, Umweltminister Jürgen Trittin und Wirtschaftsminister Werner Müller an der Unterzeichnung teil. Die Wirtschaft ist durch die Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann (E.ON), Dietmar Kuhnt (RWE), Gerhard Goll (EnBW) und Manfred Timm (HEW) vertreten. dpa
Wohin mit dem Atom-Müll? Diese Frage wurde beim Atomforum nur gestreiftBild: picture-alliance/dpa

Nach Huber erklimmt ein Saurier das Podium. So sieht es jedenfalls der Naturschutzbund Deutschland, der den DIHK-Präsidenten Ludwig Georg Braun zum "Saurier des Jahres 2005" kürte und damit dessen "anti-ökologische Haltung in der Öffentlichkeit" anprangerte. Doch angesichts des einsetzenden Klimawandels macht sich auch Braun seine Gedanken. "Alternative Energien haben ihre Berechtigung", meint Braun und tut dabei so, als bedürfe das Festhalten an der Atomkraft keiner weiteren Rechtfertigung.

Abstruser Vergleich

Dass auf dem Treffen des Deutschen Atomforums kein Schwerpunkt auf die Gefahren der zivilen Nutzung der Kernenergie gelegt wird, mag nicht überraschen. Doch wie nonchalant Themen wie Endlagerung und Reaktorsicherheit gestreift wurden, ist dann doch befremdlich. Das gipfelt in den Äußerungen der EU-Parlamentarierin Edit Herczog. "Bei dem Transrapidunglück im vergangenen Jahr sind 23 Menschen ums Leben gekommen. Deutschland hat deswegen aber nicht die Magnetschwebetechnologie aufgegeben", meint die ungarische Sozialistin. "Warum sollte man das bei der Kernenergie tun?" Der Vergleich zwischen einem Zugunglück und einem Unfall in einem Atomkraftwerk, dessen mögliche Auswirkungen spätestens seit Tschernobyl bekannt sind, ist abstrus. Doch einigen Teilnehmern scheint er einzuleuchten.

Im Applaus geht das dumpfe Wummern unter, das den Aufzug der etwa 70 Atomkraftgegner auf der Kreuzung vor dem Tagungsort ankündigte. "Wir sollten jetzt mal richtig laut werden, damit die närrischen Deppen im Maritim hören, was wir von ihnen halten", ruft eine Frau in ein Mikrofon. Die darauf folgende Kakophonie aus Trillerpfeifen und Trommeln macht zahlreiche Passanten auf die Demonstration aufmerksam. Einige Greenpeace-Anhänger halten einen Banner hoch, auf dem steht: "Die Zukunft der Energie ist regenerativ. Oder gar nicht."

In der Höhle der Löwen

Dr. Gerd Jäger (Vorstandsmitglied der RWE Power AG) und Bärbel Höhn (MdB, Grüne) diskutieren am 8.2.2007 auf der Wintertagung des Deutschen Atomforums (e.V.) (Foto: DW/Christoph J. Heuer)
Gerd Jäger (RWE Power AG) und Bärbel Höhn (Grüne) diskutieren über ReaktorsicherheitBild: DW/Heuer

Hinter den dicken Scheiben im ersten Stock des Hotels geht es ironischerweise auch gerade um die Umweltschutzorganisation. "Der Greenpeace-Gründer Patrick Moore hat doch selbst gesagt, dass die Kernenergie die einzige Energieerzeugungsart sei, die kein CO2 emittiere, zudem effektiv fossile Energie ersetze und den globalen Energiehunger decke", erklärt Hohlefelder und will damit den Kritikern der Atomkraft den Wind aus den Segeln nehmen. Kopfnicken im Auditorium.

Inzwischen hat sich auch die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn in die Höhle des Löwen gewagt und warnt vor überzogenen nuklearen Träumen der Energieversorger. Sie sei sich sicher, dass es beim Bau neuer Atomkraftwerke eine neue Protestbewegung geben würde. Gleichzeitig übt sie Kritik an den starren Strukturen des deutschen Energiemarktes. "Wenn die Großen den Markt beherrschen, gibt es keinen Wettbewerb", bemängelt Höhn. Kopfschütteln im Auditorium.

"La vie en rose"

Kopfschütteln aber auch draußen auf der Straße. "Bärbel Höhn wurde vom Atomforum doch nur als grünes Feigenblatt eingeladen, das man sich vor die Lenden hängen will", schimpft eine Demonstrantin. Die Grünen wähle sie nicht mehr, weil die mit der SPD den Atomkonsens beschlossen haben, der in Wirklichkeit "Nonsens" sei. Die Veranstaltung der Atomlobby macht die junge Frau wütend. "Das Image der Kernkraft als 'saubere Energie' stimmt doch nicht", meinte die Demonstrantin. "Die Leute vergessen, dass beim Abbau von Uran ganze Landstriche zerstört werden und Menschen wegen der Radioaktivität sterben."

Der Rest ihrer Ausführungen geht im erneuten Getöse der übrigen Atomkraftgegner unter, doch nur wenige Schritte von der Kreuzung entfernt ebbt die lautstark geäußerte Kritik ab. Aus den Lautsprechern einer Buchhandlung trällert Edith Piaf den Chanson "La vie en rose". Rosarot mag den Bertreibern von Atomkraftwerken die Zukunft noch nicht erscheinen, aber die mögliche Renaissance der Kernenergie dürfte sie zumindest zuversichtlich stimmen.