Atommüll-Endlager: Die ewige Suche nach der ewigen Lösung
11. Mai 2018Ein Castorbehälter ist sechs Meter hoch und wiegt 100 Tonnen. Die Strahlung, die er in seinem Inneren birgt, wäre für einen Menschen tödlich. Derzeit lagern in Deutschland 1213 solcher Spezialbehälter in oberirdischen Zwischenlagern, bis zum Ausstieg aus der Atomenergie werden es 1900 sein. Insgesamt sind es knapp 30.000 Tonnen hochradioaktiver Müll, die darauf warten, für immer unter der Erde eingelagert zu werden. Doch der Weg dahin gestaltet sich schwierig.
Bis zum Jahr 2031 soll der Standort für ein Endlager gefunden sein - Müll könnte man dort dann frühestens ab 2050 entsorgen. "Das Suchverfahren ist sowohl eine technisch-naturwissenschaftliche als auch eine gesellschaftliche Herausforderung", sagt Wolfram König, Präsident des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Die Zwischenlager, in denen der nukleare Abfall bisher steht und deren Genehmigungen ab 2032 schrittweise ablaufen, müssen deswegen länger als ursprünglich geplant herhalten.
Wie sicher sind die Zwischenlager?
Aus diesem Grund gibt es gegen die aktuell 16 Zwischenlager starke Proteste. Anwohner fordern ihre Auflösung, sobald Deutschland 2022 aus der Atomenergie aussteigt. Dies würde allerdings eine Umlagerung der fast 2000 Castoren in andere Zwischenlager bedeuten, gegen die wiederum die Anwohner dort protestieren würden. Eine Debatte, die sich vermutlich unendlich weiterführen ließe. "Die Notwendigkeit und der Sicherheitsgewinn dieser Transporte wäre Bürgerinnen und Bürgern kaum zu vermitteln, zumal es derzeit keine Anzeichen für Sicherheitsdefizite in den Zwischenlagern gibt", sagt König. Dafür spräche auch eine laufende Überprüfung der Sicherheitsanforderungen.
So hatte es beispielsweise nach den Terroranschlägen 2001 eine Neubewertung der Sicherheitslage gegeben, die Nachrüstungsmaßnahmen mit sich gebracht hatte, zum Beispiel den Bau von Mauern. Diese sind bisher allerdings noch lange nicht abgeschlossen.
"Die vollständige Sicherheit der Zwischenlager sehen wir nicht gegeben", sagt Martin Stümpfig, Energiepolitischer Sprecher der bayrischen Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er und andere Atomkraft-Gegner kritisieren, dass die Zwischenlager nicht sicher genug seien, da sie ursprünglich auf einen viel kürzeren Zeitraum ausgelegt wurden. Stümpfig beschreibt das Szenario eines Flugzeugabsturzes: "Wenn hier eine voll besetzte Maschine hineinfliegt, dann wird einiges passieren." Die Sicherheit der Mauer - die kürzlich unter anderem um das Kraftwerk Isar II gebaut wurde - sieht er skeptisch. "Wenn man sich die Mauer anschaut, stellt man fest, dass sie nur an der Längsseite gebaut wird. Die Stirnseiten sind weiterhin offen. Das sind Maßnahmen, die sehr fraglich sind."
Nach Stümpfig müsse das Konzept der Zwischenlager komplett neu überdacht werden. "Wir haben keine Erfahrungen, wie lange Castoren sicher sind. Wenn sie anfangen zu rosten, könnte es zu kritischen Anreicherungen kommen." Er und seine Partei fordern deswegen, dringend Reparaturmöglichkeiten, etwa für defekte Castoren, mit einzuplanen, zum Beispiel durch den Bau von sogenannten "heißen Zellen". "Damit müssen wir jetzt anfangen, nicht erst in zehn Jahren, wenn es eventuell zu spät sein könnte." Jedoch seien alle Anträge dazu bislang abgelehnt worden. Die Begründung: "Alles in bester Ordnung". Stümpfig weist auch darauf hin, dass wir jetzt noch nicht wissen, wie sich die Waffentechnologie weiter entwickeln wird. "Die derzeitige Diskussion ist einfach mangelhaft", sagt er.
Voraussetzungen für das Endlager
Wie lange die Suche nach dem Endlager noch dauert, weiß niemand. Fest steht: Es muss ein Ort sein, an dem der Atommüll für mindestens eine Million Jahre sicher eingeschlossen ist. Ein Zeitraum, der außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft liegt. Bei der Planung des Endlagers müssen aus diesem Grund sämtliche Entwicklungen und Ereignisse mit einbezogen werden, selbst die nächste Eiszeit.
Fest steht auch, dass der Standort mindestens 300 Meter unter der Erde und innerhalb von tiefen Gesteinsschichten liegen soll. Infrage kommen hierfür Ton, Salz oder Granit.
Eigens für die Suche nach dem Endlager wurde das Standortauswahlgesetz festgelegt. Dieses regelt, wie die Suche nach einem geeigneten Ort ablaufen soll. Dabei soll die Bewertung und der Vergleich möglicher Orte durch Wissenschaftler noch einmal ganz von vorne beginnen, ohne bereits in der Vergangenheit untersuchte mögliche Lagerstätten wie Gorleben zu bevorzugen. Trotzdem werden aufgrund ihrer Geologie vor allem Sachsen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern als Favoriten gehandelt.
Auch sollen von nun an die Bürger eng in den Prozess miteinbezogen werden, um eine stärkere Transparenz zu schaffen als dies in den 1970er-Jahren der Fall war. Damals wurde politisch beschlossen, Gorleben zum Atommülllager auszubauen. Laut einer Umfrage wären allerdings nur 32 Prozent der Deutschen mit einem Endlager in ihrer Region einverstanden.