Attwenger
27. Januar 2011Alpen-Polka-Punk, Österreich-Rap oder Groove mit Dialekt? So mancher ist schon am Versuch gescheitert, dem widersprüchlich virtuosen Spiel Attwengers einen Namen zu verpassen. Der legendäre BBC-Moderator John Peel brachte es vor Jahren in seiner Radioshow auf den Punkt: "Ich habe keine Ahnung, worum es geht, aber ich liebe diesen Krach." Attwenger selbst ist herzlich egal, wie man sie betitelt - solange man dem Duo nicht das Tribut Volksmusik anhaftet. "Wenn man das bei uns hört, war man im falschen Konzert", bescheidet Markus Binder lapidar.
Der Attwenger Flavour
Der schlitzohrige Österreicher zupft die Maultrommel und spielt Schlagzeug, sein Kollege Hans-Peter Falkner bedient die Knopfharmonika. Mit so beschränktem Instrumentarium einen unverkennbaren eigenen Stil zu kreieren, ist schon eine Kunst, aber die beherrschen die rotzfrechen Musiker aus dem FF. "Mit Attwenger können wir alles spielen“, sagt Binder selbstbewusst. "Wir ziehen sozusagen jeden nur denkbaren Musikstil durch den Kakao, um daraus einen eigenen Attwenger-Flavour zu machen."
Früher gaben sich Attwenger vor allem dem Punk hin, im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte haben sie zunehmend auch in anderen Gewässern gefischt. Alpiner Dancefloor und HipHop, Groove, stampfende Polka, hypnotischer Techno, Chanson und was kommt jetzt? "Im Frühjahr erscheint ein neues Album, da haben wir auch Blues und Rock’n Roll drauf gepackt", sagt Markus Binder. "Das wollten wir immer schon mal machen." Und wer hätte das gedacht? Rock’n Roll verträgt sich bestens mit Polkamelodien, so dass Hans-Peter Falkner das Gitarrensolo gekonnt durch ein Ziehharmonika-Solo ersetzen kann.
Gstanzln im Punkformat
Seit fast 21 Jahren reiten Attwenger jetzt unverdrossen Attacken gegen althergebrachte Hörgewohnheiten und frönen sowohl verbal als auch musikalisch dem lakonischen Minimalismus. Ihr erstes Konzert gaben sie an einem Apriltag 1990 um 3 Uhr morgens in Wien, so zumindest lassen sie gern verlautbaren. Seitdem sind sie weit rumgekommen: von Sibirien bis Simbabwe, von Vietnam bis Pakistan und Mexiko, und in Europa hat die Band sowieso längst Kultstatus.
Den Namen Attwenger haben Binder und Falkner einem Gstanzl entnommen. So nennt man im Alpenland einen spontan gereimten Vierzeiler, ein beliebtes Stilmittel in der Volksmusik. Gstanzln nutzt das Duo immer noch gerne, allerdings in Punk- oder Rockformat weit jenseits des traditionellen Landlers. "Die Grundidee bei uns war immer der Mix, wobei wir die verschiedenen Stile offensiv angreifen", erklärt Binder die Kampfansage von Attwenger an Althergebrachtes. Immer weiter geht die Suche nach einer Neudeutung des Begriffspaars Sound & Dialekt.
Lyrik mit Hang zum Dadaismus
Wobei es wirklich nicht jedermanns Sache ist, österreichischen Dialekt im Original zu verstehen. So entgehen so manchem die bitterbösen gesellschaftspolitischen Attacken, die Attwenger mal eben in einem Nebensatz reiten - gegen den Rechtsruck in ihrer Heimat oder gegen den Präsidenten.
"Ja mei, in unserer Heimat oder in Bayern verstehen uns die Leut, und da hat der Text natürlich eine wichtige Funktion", sagt Binder. Und im Rest der Welt mutieren die Attwenger-Stimmen mit ihrem monotonen Sprechgesang einfach zum weiteren Instrument der Band. Wer nichts versteht, kommt also trotzdem auf seine Kosten. Schließlich benutzt Attwenger Sprache allzu oft nur als stilistischen Spielball mit gelegentlichem Hang zum Dadaismus. Beim Stück "Dog" zum Beispiel spielen sie mit der Mehrdeutigkeit des Wortes. Aus dem Englischen übersetzt heißt "dog" Hund, im österreichischen Dialekt ist der "Dog" ein Tag, und so kann ein Dog auch zum dog werden, ein Tag zum Hund oder ein Hund zum Tag. Wer das jetzt verwirrend findet, liegt genau richtig: Willkommen im schräg-verrückten Attwenger-Universum.
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus